Schalker Derby-Niederlage als Sinnbild für die Krise: Baum mit undankbarer und enormer Herkules-Aufgabe

Gesenkte Köpfe, kein Selbstbewusstsein: Schalke hat im Kopf die größten Probleme
Gesenkte Köpfe, kein Selbstbewusstsein: Schalke hat im Kopf die größten Probleme / LEON KUEGELER/Getty Images
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Die 0:3-Derbyniederlage aus Sicht von Schalke tut zweifelsfrei nochmal mehr weh, als bei irgendeinem anderen x-beliebigen Spiel. Die Partie gegen Dortmund hat aber - auch fernab des Spiels selbst - die größten Probleme erneut aufgezeigt: Fast alles steht und fällt derzeit mit dem Selbstvertrauen. Manuel Baum steht vor einer wahren Herkules-Aufgabe.

Die Fakten sind zuletzt ebenso häufig zu hören, wie sie drastisch klingen: Schalke 04 steht nun bei 21 sieglosen Spielen, das letzte Mal konnte das Team im Januar gewinnen. Tabellenplatz 17, ein Torverhältnis von minus 17. Soweit so gut - im sprachlichen Sinne.

Die Niederlage gegen Borussia Dortmund war selbstredend nicht nur ein weiteres Spiel ohne Erfolgserlebnis. Drei Gegentore im großen Revierderby, während man selbst ohne Torchance bleibt, das tut nochmal ein ganzes Stück mehr weh - nicht nur den Spielern und dem noch immer neuen Trainerteam, sondern auch den vielen Fans, die es mit dem S04 halten. Die Partie an sich hat die großen Baustellen erneut offengelegt und gezeigt, woran Königsblau arbeiten muss und vor allem, wie schwer es für Trainer Manuel Baum sein wird, den notwendigen Turnaround zu schaffen.

Deutlich hörbar coachte Manuel baum fast jeden Schritt seiner Schalker
Deutlich hörbar coachte Manuel baum fast jeden Schritt seiner Schalker / Martin Rose/Getty Images

Baum muss fast Wunder vollbringen: Schalke als Baustelle mit vielen Problemen

1. Die S04-Leistung im Derby: Bekannte Schwächen erneut aufgezeigt

Gesenkte Köpfe und kein Selbstvertrauen derzeit - hier sinnbildlich Amine Harit
Gesenkte Köpfe und kein Selbstvertrauen derzeit - hier sinnbildlich Amine Harit / Pool/Getty Images

Der Plan im Spiel war soweit klar: Schalke wollte, so hatte es Baum schon vor der Partie erklärt, den BVB durchaus attackieren und unter Druck setzen. In den ersten Minuten sah es ziemlich gut aus, die Abstände zum Gegner waren kurz, die jeweiligen Auslöser zum Anlaufen wurden gut erkannt, wenige Bälle fanden den Weg durch die S04-Reihen - so wie zum Start gegen Union Berlin.

Dass es primär ums Verteidigen gehen würde, beim gleichzeitigen Versuch, immer mal wieder selbst mutig nach Balleroberungen nach vorne zu spielen, war ebenso abzusehen. Schon hier war jedoch das enorm große Problem zu sehen: Schalke wirkt im Ballbesitz völlig orientierungslos. So leicht sich das sagen lässt, so wahr und offensichtlich ist diese Bemerkung auch.

Ein Problem, das schon seit mindestens zwei bis drei Jahren besteht: Im ersten Jahr wurde es noch unter Domenico Tedesco bewusst in Kauf genommen und zur Tugend gemacht, im zweiten Jahr fiel es jedoch dem Klub auf die Füße. Auch David Wagner wusste zu keinem einzigen Zeitpunkt seiner Saison (!), welchen Plan er seinem Team geben muss.

Ein Faktor, der nun zur Bedrohung wird. Es gab zu viele schnelle Ballverluste, weil Pässe zu überhastet, zu unsicher, zu ungenau gespielt wurden. Aber auch, weil der BVB ein griffiges Gegenpressing vorweisen konnte, wodurch umso mehr Druck ausgeübt wurde, sobald S04 in Ballbesitz war. Eine große Schwäche, die durch das fehlende Selbstvertrauen nochmal verstärkt wird.


2. Reine Kopfsache? S04 muss mentale Blockade beenden

Manuel Baum zeigte sich erneut sehr aktiv und laut an der Seitenlinie - ohne Erfolg
Manuel Baum zeigte sich erneut sehr aktiv und laut an der Seitenlinie - ohne Erfolg / Martin Rose/Getty Images

Eine so große Sieglos-Serie geht an niemandem spurlos vorbei: Nicht an den Spielern, nicht an den Fans. Fällt ein Gegentor, so ergibt sich ganz automatisch das Gefühl, dass die Partie schon verloren ist - sowohl bei den Spielern, als auch bei den Fans. Es ist eine mentale Blockade, die zwar sehr einfach zu beschreiben und zu fokussieren, aber nur sehr, sehr schwer zu lösen und zu greifen ist.

Wie Baum seit seinem Amtsantritt immer wieder - völlig zurecht - betont: Die Mannschaft muss über (zunächst kleine) Erfolgserlebnisse wieder in die Spur zurückfinden. In allererster Linie dient dazu das Training, die wahre Probe erfolgt dann natürlich in den Spielen. Beim Anstoß, so der Eindruck des Trainers, kehrt zurzeit der große Druck zurück. In Kombination mit den fehlenden Erfolgen, somit mit viel Unsicherheit und keinem Selbstvertrauen, ein gerade im Leistungssport teuflisches Konstrukt.

Es ist die zweite nicht zu unterschätzende Aufgabe Baums, die schon einem kleinen Durchbruch im Weg steht: Die Spieler müssen den Glauben an sich selbst und an sich als Team wiederfinden. Ohne Überzeugung und Wille, dann in Kombination mit den verbesserten spielerischen Elementen, geht es nicht. So leicht es sich sagen lässt, so kompliziert ist es in der Umsetzung: Der Weg muss über konzentrierte und fokussierte Arbeit gehen.


3. Ein Blick zurück: Schneiders Festhalten an Wagner - ein Bärendienst für die Mannschaft

S04-Sportvorstand Jochen Schneider trägt auch sportliche Schuld an der Krise
S04-Sportvorstand Jochen Schneider trägt auch sportliche Schuld an der Krise / DeFodi Images/Getty Images

Ein Trainer ist und bleibt die wichtigste Person im Verein. Eine grundsätzliche Regel, die noch immer als wahr akzeptiert werden kann. Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider wollte mit seinem ersten Trainer David Wagner eine Zeitrechnung der Kontinuität einleiten. Ein im Grunde richtiger Gedanke, der aber nur zur richtigen Tat werden kann, wenn man es nicht nur um der Kontinuität Willen tut.

Genau das ist aber geschehen. Wagners Amtszeit hätte zum Saisonende enden müssen, so gut wie nichts sprach für eine Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit. Blind hielt sich Schneider an der ach so tollen Hinrunde fest, die in Wahrheit zwar erfolgreich war, spielerisch aber nur über eine vergleichsweise sehr kurze Phase überzeugen konnte. Körpersprache, abstruse Kommunikation mit einigen Spielern, fragwürdige Aussagen in Richtung der eigenen Mannschaft - Aspekte, die noch hinzukamen.

Manuel Baum ist nun der Arsch vom Dienst - das muss man so ehrlich sagen. Wer einen Trainer nach zwei (!) Spieltagen entlassen muss, hat vorher den Schnitt verpasst - und zwar gewaltig. Mit anderthalb Monaten an Saisonvorbereitung, einer ganzen Phase der Transferphase, hätte Baum so viel mehr Einfluss nehmen können, als er nun kann. Das Team liegt bildlich gesprochen in Scherben und alles, was der neue S04-Coach zur Zusammensetzung zur Verfügung hat, ist Tesafilm und eine Menge Druck.

Die viel zu späte Freistellung David Wagners, als klarer Fehler von Jochen Schneider, hat einen spürbaren Anteil an der aktuellen Talfahrt und daran, dass Schalke nach und nach in den Abstiegskampf schlittert. Natürlich war es nicht der Sportvorstand alleine, sicher nicht. Dennoch ist es ein Aspekt, der nach wie vor nicht vergessen werden sollte.


4. Ein Blick voraus: Stuttgart und Mainz als richtungsweisende Gegner

Bayern, Leipzig und Dortmund sind kein S04-Maßstab: Nun muss es bergauf gehen
Bayern, Leipzig und Dortmund sind kein S04-Maßstab: Nun muss es bergauf gehen / INA FASSBENDER/Getty Images

Die Top drei der Bundesliga hat Schalke nun bereits bespielt: Weder RB Leipzig, noch Borussia Dortmund, und schon gar nicht der FC Bayern, sind Klubs, mit denen sich Königsblau derzeit messen kann. Viel mehr war klar, dass es primär um Schadensbegrenzung geht - so schade und traurig das in einem solchen Derby wie gestern auch ist.

Diese Einschätzung, so wahr sie auch sein mag, hilft aber nur bedingt: Schließlich kommt es in den nächsten Wochen zu enorm wichtigen Spielen. Partien, die man dann gerne als richtungsweisend bezeichnet, und so ist es auch. Am Freitag geht es gegen den VfB Stuttgart, der zwar einer der Aufsteiger ist, spielerisch und ergebnismäßig aber derzeit überzeugen kann und vor allem mit einem teils sehr schnellen und gefährlichen vertikalen Offensivspiel gefährlich wird.

Anschließend geht es gegen Mainz 05 - der einzige Verein, der aktuell noch hinter den Knappen steht. Zwei Begegnungen, die Schalke unbedingt nutzen muss, um sich erstmals leicht "nach oben" zu orientieren.

Natürlich spricht derzeit nur sehr wenig dafür, dass zumindest ein erster, kleiner Turnaround gelingt. Die Probleme im Spiel mit dem Ball und mit dem Selbstbewusstsein sind nicht zu übersehen und weg zu diskutieren. Aber es bleibt nur eins: Optimistisch bleiben, im Training an Lösungen arbeiten und alles für ein Erfolgserlebnis zu machen. Immerhin dürften mit Mark Uth und Suat Serdar zwei sehr wichtige Spieler bald zurückkehren.