Schalke wollte Tönnies anpumpen - wie abhängig ist S04 von ihm?

Clemens Tönnies steht zurzeit tief in der Kritik
Clemens Tönnies steht zurzeit tief in der Kritik / TF-Images/Getty Images
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Schalke in der Krise, Clemens Tönnies in der Krise: Die Schlagzeilen rund um Königsblau nehmen nicht ab, nicht zuletzt aufgrund der großen Proteste gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden. Nachdem berichtet wurde, dass der Verein ihn erneut um einen Kredit anpumpen wollte, stellt sich die Frage, wie abhängig man von ihm ist.

Inmitten einer sportlichen Talfahrt, in der neben Trainer David Wagner mittlerweile auch Sportvorstand Jochen Schneider Kritik erfährt, drängt sich weitere schlechte Stimmung auf das königsblaue Gemüt: Clemens Tönnies, Aufsichtsratsvorsitzender von Schalke 04 und Quasi-Boss, sorgt mit den steigenden Infektionszahlen innerhalb seines Schlachtbetriebs für Negativ-Schlagzeilen.

Tönnies mit S04-Legende Huub Stevens in der ansonsten leeren Veltins-Arena
Tönnies mit S04-Legende Huub Stevens in der ansonsten leeren Veltins-Arena / Pool/Getty Images

Schon vorher gab es Protest gegen ihn, der von zahlreichen Schalke-Anhängern ausging - nicht erst seit seinem rassistischen Spruch im vergangenen August. Diese Proteste haben sich über die letzten Tage und Wochen nochmals um ein Vielfaches vergrößert: In ganz Gelsenkirchen, primär in der Nähe zum und auch direkt auf dem Vereinsgelände, hängen Plakate, die sich gegen Tönnies selbst und auch gegen die gesamte Führungsetage beim S04 richten. Der Tenor: "Tönnies raus!"

Dementsprechend ist es eine für S04-Fans umso kuriosere Meldung vom kicker, dass der Verein wohl noch kürzlich darüber nachdachte, den stark umstrittenen Vorsitzenden des Kontrollgremiums um einen Kredit zu bitten. So habe Schalke trotz der aktuellen Schlagzeilen rund um Tönnies' Fleischfabrik an dieses Vorhaben gedacht, es dann aber aufgrund der ausschweifenden Proteste - auch innerhalb des Klubs selbst - ebenso schnell wieder verworfen.

Ist Schalke bereits zu abhängig von Tönnies? Verein bekäme eine einzigartige Chance

Das wirft die grundlegende Frage auf, wie abhängig Schalke tatsächlich von Tönnies ist. Geht es ohne ihn finanziell unmittelbar den Bach runter? Oder bekäme der emotionale Bundesligist eine Chance, sich durch verschiedenste Strukturen neu zu sortieren und aufzustellen?

Zwischen Krediten und einem großen Netzwerk - Zwischen Chance und Risiko

Tatsache ist, dass er Königsblau das ein oder andere Mal aus der wirtschaftlichen Misslage geholfen hat. Dazu hat er beispielsweise Verbindlichkeiten auf sein Unternehmen umschulden können, anschließend mit seinen Privat-Krediten aber auch immer eine beachtliche Verzinsung vorgenommen (via kicker und Bild). Teilweise soll es sich dabei um bis zu sechs Prozent gehandelt haben - dem Verein war somit zwar (vorerst) geholfen, doch profitiert hat der Mann, dessen Vermögen auf etwa zwei Milliarden Euro geschätzt wird, auch immer persönlich.

Viel klarer ist es jedoch, dass mit seiner Person einige Netzwerke einhergehen, eher als das reine Geld im Hintergrund. Am ehesten sichtbar: Der Sponsoring-Deal mit Gazprom, der Schalke jährlich ca. 20 Millionen Euro einbringen soll und noch bis 2022 läuft. Zustande gekommen vor allem dank Tönnies' Verhältnis zu Russlands Präsident Vladimir Putin. Solche Deals, in einem ähnlichen Volumen, wären ohne den Unternehmer wohl nur noch schwer zu erreichen.

Offen, wie eine Zukunft ohne Tönnies beim S04 aussehen könnte
Offen, wie eine Zukunft ohne Tönnies beim S04 aussehen könnte / Soccrates Images/Getty Images

Andererseits wäre eine Trennung für den S04 auch eine Chance. Zum Beispiel, weil Clemens Tönnies als Person und Chef des Aufsichtsrats die Fanbasis spaltet - und das nicht erst seit gestern. Bereits seit 1994 sitzt er im Kontrollgremium, seit 2001 hält er den Vorsitz. Dementsprechend genutzt hat er diese vielen Jahre, um sich und seine eigenen Leute im Schalke-Unternehmen zu installieren. Bei vielen Fans ist bekannt, dass er viel mehr als nur der AR-Chef ist - er hält ein regelrechtes Machtkonstrukt aufrecht.

An dieser Stelle könnte man sich erneuern, und zwar grundlegend. Schon lange, so empfinden einige Anhänger, bewahrheitet sich das Credo "Der Fisch stinkt vom Kopf" - ein Plakat, das mit den hervorgehobenen Initialen CT auch schon in der ausverkauften Veltins-Arena hing. Trainer verschlissen, zahlreiche Manager und Vorstände, Riesen-Verbindlichkeiten, fragwürdige Infrastruktur - währenddessen ist Tönnies zwei Jahrzehnte der Machtmensch auf Schalke.

Tönnies-Rücktritt ein nahezu undenkbares Szenario - Ausgliederung könnte neue Dynamik entfachen

Sein Rücktritt ist ein mittlerweile häufig gefordertes Vorgehen. Wer den 64-Jährigen kennt oder schon des Öfteren erlebt hat, der weiß, dass ein Rücktritt eigentlich keineswegs zu seinem Vokabular gehört - damit das überhaupt denkbar wäre, müsste schon so einiges passieren. Eine Entlassung durch den Ehrenrat wäre schon wahrscheinlicher, aber im Grunde ebenso undenkbar. Eine Abwahl bei einer Mitgliederversammlung scheint das für die Fans und Mitglieder letzte, dafür aber geeignetste - weil demokratischste - Mittel zu sein.

Finanzvorstand Peter Peters wird den Verein zum Juli bereits verlassen
Finanzvorstand Peter Peters wird den Verein zum Juli bereits verlassen / TF-Images/Getty Images

Das Ausgliederungs-Thema würde bei einem Tönnies-Aus auch nochmal eine neue Dynamik bekommen. Viele sehen dieser finanziellen Öffnung kritisch entgegen, weil sie der aktuellen Vereinsführung nicht zutrauen, diese Situation professionell anzugehen. Mit einer neuen Führungsetage sähe das womöglich schon anders aus - wobei die zu erreichende Dreiviertel-Mehrheit eine sehr hohe Hürde ist und bleiben wird, ungeachtet der Personalie Tönnies.