Schalke mit Schiri-Ärger: Eine willkommene Ablenkung vom Wesentlichen?

Einer von zwei Elfmetern gegen Schalke: Königsblau verärgert über Schiedsrichter-Entscheidungen
Einer von zwei Elfmetern gegen Schalke: Königsblau verärgert über Schiedsrichter-Entscheidungen / Pool/Getty Images
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Nach dem 2:2-Remis gegen Mainz 05 stand aus S04-Sicht vor allem Schiedsrichter Patrick Ittrich und dessen Video-Assistent im Fokus: Die Knappen fühlten sich eindeutig benachteiligt, was auch bei den Fans für viel Frust sorgte. Kann eben diese Ablenkung - abseits des erneut verpassten Siegs - einen positiven Effekt haben. Kommt sie den Verantwortlichen sogar gelegen?

Zwei Elfmeter hatte Schalke 04 am Samstag gegen sich gepfiffen bekommen, auf der anderen Seite keinen - trotz des Fouls an Goncalo Paciencia. Der Ärger war groß nach dem 2:2-Unentschieden gegen den Tabellenletzten Mainz 05. Aber dieser Ärger war auf das Schiedsrichtergespann fokussiert und weniger auf die Tatsache, dass erneut kein Sieg eingefahren werden konnte.

Worüber sich Trainer Manuel Baum schon während des Spiels aufregte, nachdem er sich u.a. lautstark wegen seiner Ansicht nach "einseitigem" Pfeifen seitens Patrick Ittrich und Video-Assistent Daniel Schlager die Gelbe Karte abgeholt hatte, musste sich auch Sportvorstand Jochen Schneider nach dem Spiel Luft machen. Er gab eindeutig zu verstehen, dass er sich "schlecht behandelt" gefühlt habe.

Sportvorstand Jochen Schneider zeigte sich nach dem Mainz-Spiel frustriert und wütend
Sportvorstand Jochen Schneider zeigte sich nach dem Mainz-Spiel frustriert und wütend / TF-Images/Getty Images

Schneider fordert "einheitliche Linie" bei Entscheidungen - klare Nachteile gegenüber Schalke

Im Gespräch mit dem kicker erklärte er nun, was ihn am meisten aufgeregt habe: "Deutsche Schiedsrichter gehören zu den besten der Welt, ohne Wenn und Aber. Was mir jedoch häufig fehlt, ist mehr Aufmerksamkeit des Videoschiedsrichters und vor allem eine konsequente Umsetzung der Regeln. Wir brauchen zwingend eine einheitliche Linie in der Entscheidungsfindung."

Dazu gehöre, dass der VAR "nur bei einer krassen Fehlentscheidung" einschreiten könne und dürfe. Diese Definition sei den Vereinsverantwortlichen demnach so erklärt worden, dass "99 von 100 Menschen bei einer Entscheidung aus allen Wolken fallen" müssten, um einen Eingriff zu erklären. "Dass unser 2:2 durch Ozan Kabak nachträglich aberkannt wurde, weil Ozan der Ball an den Arm gesprungen war, war absolut richtig und eindeutig. Darüber würden wir uns nie beschweren [...], auch wenn diese Entscheidung gegen uns ausfiel."

Patrick Ittrich musste sich die Elferszene einige Male am Bildschirm ansehen
Patrick Ittrich musste sich die Elferszene einige Male am Bildschirm ansehen / Pool/Getty Images

Die Kritik, sowohl seitens Schneider und Baum, als auch von zahlreichen Fans und Zuschauern am Fernseher, richtete sich auf die Elfmeterszenen. Auch das erklärte der Sportvorstand: "Meiner Meinung nach darf der VAR bei der ersten Elfmeterszene, also dem Zweikampf zwischen Nastasic und Burkardt, nicht einschreiten, denn es war keine krasse Fehlentscheidung, den Elfmeter nicht zu geben. Beim Zweikampf von Kabak gegen Mateta muss er dagegen eingreifen, weil das eindeutig kein elfmeterwürdiges Foul ist - macht er aber nicht."

In den Wiederholungen war sogar zu sehen, wie die Hand Matetas, bei ausgestrecktem Arm, Kabak mit Wucht im Gesicht trifft - der Schalker Innenverteidiger hatte seinen Arm zwar ebenfalls ausgestreckt, hatte jedoch nur sehr wenig Einfluss auf das anschließende Fallen des gegnerischen Stürmers. Das fehlende Eingreifen des VAR machte die S04-Verantwortlichen wütend - "ebenso wenig wie beim Ziehen von Niakhate gegen Paciencia wenige Minuten vor dem Abpfiff. Wir hier mit Schalke umgegangen wurde, ist nicht in Ordnung", so Schneider.

Goncalo Pacencia hätte für Schalke einen Elfmeter zugesprochen bekommen sollen
Goncalo Pacencia hätte für Schalke einen Elfmeter zugesprochen bekommen sollen / Pool/Getty Images

Er wusste jedoch auch ganz klar zu betonen, dass er derartige Aktionen - seien sie auch schon häufiger vorgekommen - nicht gegen Schalke als solches bewerten möchte: "Wir können schon realistisch einschätzen, warum wir in dieser schwierigen sportlichen Situation sind." Eine Opferrolle beanspruchen, das sei nicht das Ziel.

Schiedsrichter-Frust als Ventil für S04-Frust - Baum und Schneider lenken den Fokus aber zurecht auf sich

Und doch hat Königsblau diese Rolle am Samstagnachmittag eingenommen, gewollt oder ungewollt. Diese Entscheidungen, alle drei, waren zumindest diskutabel - beim zweiten Elfer pflichteten im Netz sogar mehrere BVB-Fans den S04-Anhängern bei. Der Fokus lag somit eindeutig auf den Entscheidungen des Schiedsrichters, auf den Widerständen und dem doppelten - vermeintlich ungerechtfertigten - Rückstand, den man aufgeholt hatte.

Lässt sich also sagen, dass diese "Opferrolle", wie der Sportvorstand es nannte, sogar ein kleiner Glücksfall im Unglück war? Dass Schalke erneut nicht gewonnen hatte, das war ein plötzlich so gut wie vergessener Punkt nach dem Spiel, viel, wenn nicht gar alles, drehte sich um die mehreren strittigen Szenen. Die Mannschaft stand auch dadurch als Einheit da, die sich trotz der Widerstände zweifach zurückgekämpft und zumindest einen Punkt mitnehmen konnte.

S04-Coach Manuel Baum legte den Fokus auf die eigenen Entwicklungen
S04-Coach Manuel Baum legte den Fokus auf die eigenen Entwicklungen / Pool/Getty Images

Was auf der einen Seite durchaus den Effekt der Verlagerung der Aufmerksamkeit hatte, wollte jedoch weder von Schneider, noch von Baum angenommen werden. Der Coach stellte, bei allem Frust und Ärger auf der Pressekonferenz nach dem Spiel klar, dass man sich nicht in der Opferrolle verlieren möchte. "Da sind wir ganz weit weg davon", erklärte Baum der zugleich betonte, dass man auf sich selber schauen müsse.

Während dieser erwähnte Effekt auf der einen Seite nicht einfach wegdiskutiert werden kann, ist es seitens des Sportvorstands und des Trainers richtig, die Kritik lautstark anzusprechen, sie zeitgleich aber nicht als einzigen oder allergrößten Auslöser für die aktuelle sportliche Situation zu nutzen. Derartige Alibis helfen viel weniger als die zuletzt doch spürbaren spielerischen Fortschritte, auch wenn solche kritischen Entscheidungen zunächst als Ventil für den erneuten Frust dienen können.