Schalke mit guter Kramer-Vorstellung - dennoch bleibt die Skepsis
Von Yannik Möller
Die Vorstellung von Frank Kramer bei Schalke 04 wurde mit klugen, teils sehr deutlichen und vor allem vertrauensvollen Worten angegangen - von allen drei Beteiligten. Eine zunächst größere Portion Skepsis bleibt ob des neuen Trainers trotzdem übrig. Ein Kommentar.
Etwa drei Monate wusste Schalke, dass zur neuen Saison ein neuer Trainer gebraucht wird. Zu Beginn dieser Suche war längst nicht bekannt, in welcher Liga der Verein in der nächsten Saison spielen würde. Dass die Suche nach dem neuen Coach also erst in den letzten vier, fünf Wochen richtig an Fahrt aufnahm, ist eher logisch als überraschend.
Und dennoch: Rund ein Vierteljahr wussten die Verantwortlichen von dieser Ausgangslage. Dass nun Frank Kramer als derjenige präsentiert wird, der den schwierigen Klassenerhalt erreichen und die Mannschaft weiterentwickeln soll, hat im ersten Moment für viel Skepsis und auch Enttäuschung bei den allermeisten Fans gesorgt.
Der Blick in die jüngere Vergangenheit gibt Anlass dazu, so ehrlich muss man sein. Zwar hatte er Arminia Bielefeld in seinen ersten zwei Amts-Monaten, nachdem er für Uwe Neuhaus übernommen hatte, in der Liga gehalten. Doch in der Saison, in der er die volle Verantwortung mitsamt Vorbereitung trug, funktionierte nur sehr wenig.
Kaum Tor- und erst recht keine Standardgefahr. Ein kaum zu erkennendes Spielsystem. Eine teils angespannte Stimmung im Team. Dazu die Freistellung, ein paar Spiele vor dem Saisonende. Das eröffnet bei einigen S04-Anhängern die geäußerten Sorgen.
Verständlicherweise, ja. Kramer ist keiner, der sich von den Fans gewünscht wurde. In den sozialen Netzwerken und Fan-Foren wurden eher Namen wie Adi Hütter oder Zsolt Löw bespielt. Namen, die zurzeit aber nicht realistisch sind für Schalke. Das ist die Realität.
Vor allem Schröder sorgte für eine gelungene Vorstellung von Kramer
Die Pressekonferenz am Dienstag hat jedoch zu einer Minderung der bisweilen großen Sorgen beigetragen. Es war eine insgesamt gelungene Vorstellung, bei der Kramer zwischen Rouven Schröder und Peter Knäbel saß.
Ob gewollt oder ungewollt: Dass der neue Coach zwischen den beiden Platz nahm, symbolisierte passenderweise den Zusammenhalt, den der Sportdirektor gleich zu Beginn in den Vordergrund stellte. Und auch dann nochmal, als es um die größtenteils negativen Fan-Reaktionen ging.
Schröder bemängelte eine Vorverurteilung und betonte sein großes Vertrauen in Kramer. Das ist zugleich das bisher beste Argument, das der neue Coach auf sich vereinen kann: Schröder hat völlig zurecht einen gewissen Kredit für sich und seine Entscheidungen aufbauen können. Obwohl er bei Mainz 05 auch nicht das glücklichste Händchen für Trainer hatte, so ist sein deutliches Fürsprechen ein Vorschuss an Vertrauen wert.
Natürlich soll und wird Kramer von den Schalkern eine erfolgreiche Zeit gewünscht. Immerhin wollen alle zusammen das Beste für den Verein. Selbstverständlich werden sie ihm eine Chance geben.
Allerdings haben sie auch den zahlreichen Trainern zuvor eine Chance gegeben. Nie hat es so wirklich funktioniert, immer stand am Ende eine notwendige, teilweise längst überfällige Trennung. Auch beim 50-Jährigen, der als Profi-Trainer nie länger als anderthalb bis zwei Jahre bei einer Station arbeiten durfte, könnte es so kommen.
Kramer startet mit gewisser Portion an Fan-Skepsis
Doch das gilt es abzuwarten. Es bleibt eine gesunde und auch größere Portion an Skepsis übrig. Die speist sich auch aus Aussagen zum Spielstil. Zu viel "wenn der Gegner es zulässt, dann..." und zu wenig "wir werden den klaren Plan haben, dass..." - doch ist das für die erste Medienrunde keine große Überraschung.
Kramer ist zu wünschen, dass er einen vergleichsweise guten Kader zur Verfügung bekommt. Einen sympathischen Eindruck macht er jedenfalls. Sollte er sich also doch als der richtige Coach für die wirklich sehr schwierige Mission Klassenerhalt herausstellen, wären die S04-Anhänger keineswegs zu stolz, ihren falschen ersten Eindruck zuzugeben.
Allerdings muss dieser Schritt auch erstmal erreicht werden. Die Hoffnung, dass es zwischen Kramer und Königsblau passen könnte, ist am Dienstag ein wenig gewachsen - primär durch Schröder. Die Sorge, dass man sich in vier, fünf Monaten bereits Gedanken über einen Trainerwechsel machen muss, besteht aber weiterhin.