Schalke auf Stürmersuche: Doch die Offensiv-Probleme sind deutlich vielfältiger
Von Yannik Möller
Blickt man auf die abgelaufene Saison zurück, ist und bleibt die Offensive die größte Schwäche auf Schalke. Um das Problem anzugehen, wird sich der Klub im Sommer wieder auf die Suche nach einem neuen Stürmer begeben - der beste Angreifer bringt jedoch nichts, wenn es um ihn herum nicht funktioniert. Es bedarf weit mehr als nur neues Personal.
38 Tore hat der FC Schalke 04 in der vergangenen Saison schießen können. Ein erneut erschreckend schlechtes Ergebnis, waren es in der Vorsaison - in der man beinahe abgestiegen wäre - schon nur 37 Stück. In der letzten Saison waren lediglich der SC Paderborn (mit 37) und Fortuna Düsseldorf (mit 36) schlechter in dieser Kategorie - die beiden direkten Absteiger.
Erneut und wieder einmal ist die Offensive die ganz große und eindeutige Schwäche des S04. Seit Jahren hängt der Klub hinterher, was erzielte Tore betrifft. Dementsprechend ist es das erneut (natürlich nicht öffentlich) erklärte Ziel, einen neuen Stürmer zu verpflichten - mit allen finanziellen Schwierigkeiten, die dazugehören. Dadurch wird sich ein Torgefahr-Boost erhofft.
Schon jetzt muss festgehalten werden: Wird nur ein neuer Angreifer verpflichtet, während sich an einigen anderen Aspekten nichts ändert, ist es nur die Frage, wer denn vorne verhungern darf.
Schlechte Stürmer vs. fehlendes Konzept: Tor-Not auf Schalke als große Schwachstelle
Das übergeordnet größte Problem für Schalke, was die Offensive betrifft, sind nämlich nicht (nur) schlechte Stürmer. Natürlich haben Guido Burgstaller, Michael Gregoritsch und Co. keine Meisterleistung gezeigt, doch die Sorgen bereitende Schwachstelle ist vornehmlich das Herausspielen von Torchancen. Gibt es diese Chancen nicht, ist es egal, welchen Namen der neue Stürmer trägt. Er wird schlecht aussehen, das kann getrost prognostiziert werden.
Das Herausspielen von Torchancen speist sich aus verschiedenen Faktoren. Wirft man zunächst einen Blick auf die Statistik, so war sogar die so oft zitierte grandiose Hinrunde des S04, gemessen an den Tor-Möglichkeiten, schlechter als die Hinrunde der vorigen Spielzeit. Nicht vergessen: Die Spielzeit, in der der Klub 31 Spieltage lang um den Klassenerhalt kämpfte.
Schalke hat in der vergangenen Hinrunde massiv überperformt. Aus einem Gesamt-xG-Wert (expected Goals = zu erwartende Tore) von ca. 21,5 hätten also - statistisch - in etwa 22 Tore fallen müssen. Königsblau erzielte jedoch 29 Stück, also ganze sieben mehr, als man sich eigentlich erarbeitet hatte. Im Vorjahr betrug der xG-Wert 25,5 und dementsprechend ganze vier Tore mehr. Erzielt hatte man unter Domenico Tedesco aber nur 20.
Schalkes Tor-Problem: Alles andere als eine Überraschung
Diese Zahlenspielchen zeigen neben dem augenscheinlichen Glück und Ausnutzen der erspielten Torchancen, dass sie viel zu selten passierten. Statistisch gesehen sind 22 Treffer in 17 Spielen viel zu wenig, vor allem wenn Trainer David Wagner einen offensiven Fußball mit viel Zug zum Tor sehen will. Werden kaum Chancen erspielt, so können die Stürmer nun einmal deutlich weniger Tore schießen. Die Möglichkeiten werden dabei nicht nur weniger, sondern in der Summe auch schlechter.
Die große Überraschung, dass eine "Stürmer-Tore-Diskussion" die Hinrunde begleitete, hatte also einen nicht zu übersehenen Hintergrund. Von David Wagner wurde sie immer wieder heruntergespielt, während selbstverständlich die Mittelfeldspieler am torgefährlichsten auftraten.
Was Schalke benötigt, um an dieser Schwachstelle zu arbeiten, ist vor allem mehr Kreativität. Das geht aus einem vernünftigen Offensiv-Konzept einher, über das Königsblau seit einigen Jahren nicht verfügt. Das ginge auf die aktuelle Mannschaft bezogen mit mindestens einem weiteren Flügelspieler einher, sowie mit einem Kreativspieler im (offensiven) Mittelfeld. Nachwuchs-Hoffnung Can Bozdogan könnte diese Lücke womöglich füllen, doch ist der 19-Jährige noch weit davon entfernt, diese Aufgabe regelmäßig nicht nur übernehmen, sondern sie auch erfüllen zu können.
Sturm-Neuzugang löst nicht Schalkes Probleme: Grundlegende Strukturen verändern
Holt Schalke also nur einen weiteren Stürmer, ohne weitläufig daran zu arbeiten, auch spürbar und deutlich mehr Chancen zu erspielen, wird dieser Neuzugang nur zum nächsten (teuren) Missverständnis. Die Hoffnungen werden auf ihm liegen, er wird nicht liefern können und - wie so häufig - in einem schlechten Licht stehen. Der nächste "glücklose Stürmer", wie es gerne heißt, wäre geboren.
Stattdessen benötigt S04 unter Wagner auch ein flexibles Flügelspiel, um mehr Breite und Angriffsmöglichkeiten zu bekommen. Rabbi Matondo wäre eine Option für eine solche Position, Benito Raman eher nicht. Der Belgier wäre im Sturmzentrum neben einem Partner wohl besser aufgehoben. Amine Harit ist ein Spieler für das Zentrum, ebenso Rückkehrer Mark Uth. Ein weiterer Mann für die offensive Außenbahn, und sicher nicht nur ein Stürmer, wäre also notwendig.
Zusammen mit einem kreativen Mittelfeld läge es dann am Trainer, diese Möglichkeiten gut umzusetzen. Er müsste diese Spieler in eine taktische Umsetzung bringen, die es den Stürmern ermöglicht, möglichst viele Zuspiele zu bekommen. Ein mutiges und hohes (Gegen-)Pressing wäre eine Möglichkeit, um so wenig Distanz zum gegnerischen Tor wie möglich zu halten.
Der Gedanke jedoch, dass ein neuer Name im Sturm ein so grundlegendes und auf Schalke offenbar kompliziertes Problem alleine lösen könnte, ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Erneut würde man sehenden Auges in die immer gleichen Schwachstellen rennen. Diesen Fehler darf die Vereinsführung in diesem Sommer nicht machen.