Zeitstrafen, Netto-Spielzeit, Auto-Pass: FIFA testet revolutionäre Regeländerungen

FABRICE COFFRINI/Getty Images
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Der Weltverband FIFA bastelt weiterhin daran, den Fußball-Sport attraktiver zu machen. Bei einem Jugendturnier, an dem Nachwuchsteams von AZ Alkmaar, PSV Eindhoven, RB Leipzig und FC Brügge teilnahmen ("Future of Football-Cup"), wurden nun fünf mehr oder weniger revolutionäre Regel-Änderungen auf ihre Praxis-Tauglichkeit getestet.

1. Netto-Spielzeit

Die wohl bedeutendste (potentielle) Neuerung betrifft die Spielzeit selbst. Aktuell dauert diese im Herrenbereich bekanntlich 90 Minuten, aufgeteilt auf zwei Halbzeiten a 45 Minuten. Dem Zeitverlust durch während eines Spiels auftretende Unterbrechungen wird mit der sogenannten Nachspielzeit versucht, Rechnung zu tragen.

Manchester City v Swansea City - Premier League
Bilder wie dieses könnten bald der Vergangenheit angehören / Clive Brunskill/Getty Images

Mit dem angedachten neuen System, einer Netto-Spielzeit von 30 Minuten pro Halbzeit, würde sich der Fußball anderen Sportarten (wie Handball, Basketball, Eishockey) angleichen, die dies bereits seit Jahrzehnten so machen.

Zur größeren Transparenz, vor allem für die Zuschauer (ob im Stadion oder an den Bildschirmen) müsste entsprechend per Anzeigetafel der jeweilige genaue Status angezeigt werden.

Grad der Wünschbarkeit dieser Regeländerung: 90 Prozent.

2. Freie und unbeschränkte Wechsel

In der jüngeren Vergangenheit haben wir es immer wieder mal beobachtet: Mannschaft X hat bereits ihr Wechsel-Pensum ausgeschöpft - und in diesem Moment kann ein Spieler aus Verletzungsgründen nicht mehr weiterspielen.

Bisher musste dieses Team dann tatsächlich mit einem Spieler weniger auskommen. Beim (coronabedingten) Champions League-Final 8- Turnier vor einem knappen Jahr in Lissabon erlaubte die UEFEA, mit Verweis auf die höhere Belastung der Spieler, fünf Wechsel.

Diese Praxis fand auch bei der EURO2020 Anwendung, die nicht minder von der Pandemie konditioniert worden war.

Mit der prospektiven Grenzenlosigkeit von Wechseln wäre selbst diese Restriktion passé. Sogar die Möglichkeit, dass ein Spieler, der bereits einmal ausgewechselt worden ist, nochmals wieder am Spiel teilnimmt, wird geprüft.

Grad der Wünschbarkeit dieser Regeländerung: 50 Prozent. Tatsächlich müsste man hier wohl über einen längeren Zeitraum beobachten, wie es sich im alltäglichen Spielbetrieb entwickelt. Unter dem Aspekt der Netto-Spielzeit ergibt sich nämlich hier durchaus die Gefahr des Missbrauchs durch die in Führung liegende Mannschaft, die kurz vor Schluss einfach noch mal die ganze Truppe durchtauscht.

Christian Norgaard, Ovidiu Hategan
Bald unbegrenzt möglich? Ein Spieler kommt für einen anderen. / Catherine Ivill/Getty Images

3. Zeitstrafen

Ferner überlegt der Weltverband die flächendeckende Einführung einer fünfminütigen Zeitstrafe, die mit einer Gelben Karte einhergeht. Auch dies wird in anderen Sportarten (wie den oben erwähnten) schon seit Jahrzehnten praktiziert.

Grad der Wünschbarkeit dieser Regeländerung: 50 Prozent. Prinzipiell ist es ein guter Ansatz, bestimmte Vergehen, die vielleicht nicht gleich den Ausschluss des Übeltäters (via Rote Karte) nach sich ziehen müssen, aber mit der bisherigen Sanktionierung gefühlt zu lasch bestraft werden, strenger zu ahnden (z.B. klare taktische Fouls, die nur das Ziel haben, den Spielfluss des Gegners zu unterbrechen).

In diesem Kontext könnte man sogar über die Einführung einer dritten Karte (meinetwegen in orange oder pink) nachdenken.

4. Einwürfe können mit dem Fuß gespielt werden

Wie gesagt: können! Nicht müssen. Allerdings klingt es schon verlockend, den Ball nicht erst in die Hand nehmen und zu einem Gegenspieler werfen zu müssen, wenn man an der Seitenlinie das Spiel fortsetzen möchte. Selbst das Auto-Dribbling (oder der Auto-Pass), also das Ballführen von der Seitenlinie aus, soll gestattet werden.

Kasper Lunding Jakobsen
Muss unbedingt eingeworfen werden? Der Sport heißt ja nicht umsonst "Fußball" / BSR Agency/Getty Images

5. Auch nach Freistößen kann der Ball geführt werden

Ähnlich wie bei der Einwurf-Änderung gibt es die Option (entweder zum Mitspieler zu passen oder den Ball selbst führend ins Spiel zu bringen) auch bei Freistößen auf dem Feld.

Grad der Wünschbarkeit dieser beiden Regeländerungen: 90 Prozent. Dass diese Modifikation das Zeug hat (ähnlich wie die der Rückpassregel im Jahr 1992), das Spiel nochmal auf eine neue Ebene bezüglich der Dynamik und des Tempos zu bringen, ist klar.

Aber das ist ja auch irgendwie wünschenswert - und letzten Endes der Sinn von derartigen Regeländerungen.

Aktuell befindet sich natürlich noch alles in einem embryonalen Stadium. Auch die Ergebnisse aus dem "Future of Football-Cup" müssen erstmal in Ruhe und ohne Zeitdruck ausgewertet werden. Doch ein paar dieser Änderungen halte ich durchaus für sinnvoll und den heutigen Zeiten entsprechend.