Real Madrid: Chronik eines angekündigten Ausscheidens

Auch Toni Kroos konnte das Ausscheiden von Real nicht verhindern
Auch Toni Kroos konnte das Ausscheiden von Real nicht verhindern / Robbie Jay Barratt - AMA/Getty Images
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Mai 2018: Real Madrid hat gerade das Endspiel der Champions League mit 3:1 gegen den FC Liverpool gewonnen - und sich zum vierten Mal binnen fünf Jahren zum König Europas gekrönt. Zwei Jahre und zwei Achtelfinal-Eliminierungen später stehen die Königlichen wieder an einer Wegscheide.

Und nicht wenige in der spanischen Hauptstadt befürchten, dass es wieder zu einer mehrjährigen Durststrecke in Europa kommen könnte. Zur Erinnerung: nach der Eroberung des neunten Champions-League-Titels im Jahr 2002 durchschritten die Königlichen eine zwölfjährige (!) Talsohle in Europa. Mit Ausnahme der Saison 2002/03, in der sie immerhin das Halbfinale erreichten, kamen die Königlichen bis zum Jahr 2011 nicht über das Achtelfinale hinaus, scheiterten an Top-Klubs wie Bayern München (2004, 2007), Juventus (2005) oder Liverpool (2009) genauso wie an Mannschaften wie Arsenal (2006), AS Rom (2008) oder Olympique Lyon (2010). Erst ab 2011 erreichten sie wieder die ihnen angestammten Gefilde (Halbfinale oder mehr).

Es gibt keinen adäquaten Ersatz für Sergio Ramos

Ohne den Capitano läuft es nicht bei Real: Sergio Ramos ist unverzichtbar
Ohne den Capitano läuft es nicht bei Real: Sergio Ramos ist unverzichtbar / Soccrates Images/Getty Images

Das am vergangenen Freitag besiegelte Aus gegen Manchester City wirft Fragen auf in Madrid. Fragen nach dem Warum, nach den Ursachen für ein derart vorzeitiges Ausscheiden aus dem Lieblingswettbewerb. Eine Antwort (von mehreren) auf diese Fragen heißt: Sergio Ramos. Beziehungsweise die nicht erledigten Hausaufgaben des Klubs bezüglich seiner Nachfolge. Denn eines haben die letzten beiden Jahre zur Genüge gezeigt: ohne ihren Kapitän ist diese Real-Mannschaft defensiv so anfällig wie kaum eine andere Top-Mannschaft in Europa.

Beispiele gefällig? Beim letztjährigen Achtelfinale gegen Ajax Amsterdam war der Sevillaner im Hinspiel in Amsterdam noch mit von der Partie - Real gewann (wenn auch etwas schmeichelhaft) mit 2:1. Doch durch eine selbstprovozierte Gelbe Karte - Ramos hatte clever sein und die drohende Sperre lieber gegen die Holländer im Rückspiel absitzen wollen -, fehlte der Anführer im Rückspiel im heimischen Bernabéu-Stadion - und die Seinen gingen mit 1:4 baden.

Und auch in dieser Saison hat man schon zu Beginn gesehen, dass es ohne den Routinier hinten eng wird. Beim Champions-League-Auftakt in Paris fehlte Ramos. Kein Problem, dachte man sich. Schließlich schonten die Pariser an diesem Abend auch ihre Stars Neymar, Mbappé und Cavani. Doch das Fehlen von Ramos war für Madrid weit schwerer zu kompensieren, als für die Franzosen die Absenz ihres Offensivtrios. Mit 3:0 schickten PSG die Königlichen nach Hause.

Und während man die eine oder andere Zwangspause von Ramos in der heimischen Liga noch gerade so kaschieren kann, setzt es in Europa regelmäßig Niederlagen, wenn der Capitano nicht an Bord ist. Entsprechend kann das 1:2 vom vergangenen Freitag niemanden wirklich überraschen. Besonders tragisch war der Abend für Ramos' Abwehrkollegen Raphael Varane. Mit zwei dicken Patzern legte er den Skyblues deren Tore quasi selbst auf. Sein wegen einer Rotsperre verhinderter Mannschaftskamerad konnte dem ganzen nur noch mit ungläubigem Blick auf der Tribüne des Etihad-Stadiums folgen.

Eden Hazard hat komplett enttäuscht

Von Eden Hazard muss in der kommenden Saison deutlich mehr kommen
Von Eden Hazard muss in der kommenden Saison deutlich mehr kommen / Pool/Getty Images

Mit Sergio Ramos bzw. der Nicht-Verpflichtung eines adäquaten Nachfolgers hat Real einen Teil seines sportlichen Grabes selbst geschaufelt. Hinzu kommt dann noch, dass der Mega-Transfer der vergangenen Saison, Eden Hazard, genauso megamäßig enttäuscht hat. Mit ein paar Kilöchen zuviel auf den Rippen zu Beginn der Saison ging es schon los. Ständige Verletzungen ließen in der Folge kaum eine vernünftige Entwicklung zu. Am Ende standen ein mickriges Törchen und sieben Assists in 22 Spielen. Der Belgier ist mittlerweile angezählt in der spanischen Hauptstadt. Eine weitere solche Saison kann er sich nicht mehr erlauben. Und auch sein Mentor Zinédine Zidane, der Hazard unbedingt haben wollte, steht nach der verkorksten Debüt-Saison seines Wunschspielers nun unter Druck.

Kaderleichen und Überalterung

Zwei teure Bankdrücker: James Rodríguez und Gareth Bale
Zwei teure Bankdrücker: James Rodríguez und Gareth Bale / Quality Sport Images/Getty Images

Die unbefriedigende Situation um Gareth Bale tut ihr übriges. Auch ein Klub wie Real Madrid kann es sich nicht leisten, seinen Großverdiener nur auf der Bank zu sehen. Mit James Rodriguez hat man von dieser Sorte Kaderleiche gleich noch eine im Aufgebot. Hinzu kommt eine allmähliche Überalterung des Kaders. Leistungsträger wie Sergio Ramos (34), Toni Kroos (30), Luka Modric (34) und Karim Benzema (32) sind zwar punktuell immer noch in der Lage, Höchstleistungen abzurufen - über eine ganze Saison hinweg fällt es ihnen aber immer schwerer. Ihren Zenit haben alle vier mittlerweile überschritten.

Insgesamt wartet auf Zidane (wenn er denn in Madrid bleibt!) viel Arbeit, um die überfällige Verjüngung des Kaders zu bewerkstelligen. Gelingt dies nicht, dürfte das diesjährige Ausscheiden im Achtelfinale der Königsklasse nicht das letzte in den kommenden Jahren gewesen sein.