Leipziger Maschinen: Ist das Nagelsmann-Update titelreif?

Mit einem 3:2-Erfolg über Manchester United hat RB Leipzig das Achtelfinale der Champions League gebucht. Trainer Julian Nagelsmann schwärmte im Anschluss über seine "Maschinen". Der Maschinenbautechniker hat seinem Team noch einmal ein Update verpasst. Ist das schon in dieser Saison titelreif?

Spricht oder schreibt man über RB Leipzig, meldet sich bei Fans und Journalie der pavlov’sche Reflex, über das RedBull-Konstrukt zu diskutieren. Gesprochen und geschrieben wurde darüber schon viel genug - wir konzentrieren uns auf das aktuelle sportliche Geschehen.

Und da drängt sich die spannende Frage auf: Wie gut ist RB Leipzig 2020/21? Die Fakten: In der Bundesliga liegt RB mit zwei Zählern Rückstand auf Spitzenreiter FC Bayern auf Rang drei. In der Champions League setzten sich die Bullen in einer schweren Gruppe mit Paris und Manchester United durch und stehen im Achtelfinale. Und auch im Pokal ist die zweite Reise zum Finale nach Berlin noch im Visier.

Drei Saisonniederlagen musste RB bislang verkraften. Die beiden Königsklassen-Pleiten auswärts in Manchester und Paris sowie das 0:1 in der Bundesliga bei Borussia Mönchengladbach. Der Sieg gegen die Red Devils und das spektakuläre 3:3 in München haben aber deutlich gezeigt: Die Nagelsmänner sind auf Kurs.

Nagelsmanns Leipzig 2.0

Im Vergleich zur Vorsaison musste Leipzig den Abgang von Torjäger Timo Werner verkraften. Ohne den Torgarant muss die Last des Toreschießens auf mehrere Schultern verteilt werden. Alexander Sörloth und Hee-chan Hwang konnten die Lücke (noch) nicht schließen, Yussuf Poulsen war ohnehin nie ein Mittelstürmer, der für Treffer am Fließband sorgt.

In den November-Wochen machte Nagelsmann seinen Unmut über die wenigen Stürmer-Tore öffentlich Luft. Es waren Wochen, in denen RB Leipzig so ein wenig ins Straucheln zu kommen schien. Nicht nur in der Offensive gab es einige Baustellen, auch defensiv ging RB personell am Stock.

Was seither passierte, ist dem Team von Julian Nagelsmann deshalb hoch anzurechnen. Hinten sprang etwa ein Willi Orban in die Bresche, der in dieser Saison sicherlich nicht mehr zu den 1A-Stammspielern zählt. Offensiv drehten gleich eine Reihe von Spielern auf.

Forsberg, Olmo, Angeliño: Nagelsmann spielt seine Trümpfe gekonnt aus

Herauszuheben sind ein Emil Forsberg, der in Nagelsmanns erstem Jahr in Leipzig seinen Status als Stammspieler verlor. 2020/21 ist der Schwede aber wieder zurück, überzeugt im offensiven Mittelfeld oder als falsche Neun. Auch Christopher Nkunku hat sein kleines Loch überwunden und zeigt wieder konstanter, wozu er in der Lage ist. Dani Olmo ist nach seinem Transfer aus dem letzten Winter endgültig angekommen und hat sich auch bei RB zum Go-to Guy entwickelt. Dazu kommen weitere Offensiv-Akteure aus der zweiten Reihe, wie Roma-Leihgabe Justin Kluivert oder auch Youngster Lazar Samardzic.

Alles in allem hat die RB-Offensive ohne Werner ein neues, breiter aufgestelltes Gesicht. Ein Gesicht, bei dem Nagelsmann in den Spielen immer wieder nachlegen kann. Dazu verfügt er über einen Angeliño, nach dem sich Pep Guardiola in Manchester wohl wehmütig die Finger leckt. Der kleine Spanier hat sich zum Sinnbild der Leipziger "Maschinen" entwickelt, rennt ununterbrochen seine linke Seite rauf und runter und verkörpert die vom Coach geforderte Torgefahr.

Wie gut ist RB Leipzig wirklich?

Forsberg, Olmo, Angeliño, Orban - es sind Beispiele, die zeigen, welche Klasse der RB-Kader besitzt. Ein ganz entscheidender Faktor ist dabei die Breite im Aufgebot. Zum einen können Ausfälle (wie Klostermann und Halstenberg) kompensiert werden. Zum anderen hat RB in Nagelsmann einen Trainer, der diese Breite gekonnt nutzt. Immer wieder wird rotiert und werden die Kräfte verteilt. Ein positiver Nebeneffekt: Alle Spieler im Kader fühlen sich wichtig, die Stimmung bleibt gut.

Nach Erlebnissen wie dem 3:3 in München oder den am Ende hart erkämpften Sieg über Man United gilt das umso mehr. Wie weit kann es also gehen für RB 2020/21?

RB Leipzig hat dem BVB den Rang abgelaufen!

In der Champions League bleibt Leipzig auch nach dem erneuten Achtelfinal-Einzug ein Underdog. Hinter den absoluten Topfavoriten kann RB aber erneut überraschen, für den Sensations-Coup dürfte es aber nicht reichen. Der Anspruch auf den Henkelpott ist in Sachsen ohnehin nicht gegeben.

Vielmehr geben die internationalen Erfolge Rückenwind für die nationalen Aufgaben. Und hier hat RB Borussia Dortmund den Rang als zweite Kraft der Bundesliga abgelaufen. So viel kann man schon zu diesem Zeitpunkt der Runde sagen! Das 3:3 in München hat jedem noch einmal vor Augen geführt, dass Leipzig im Kampf um die Schale Bayerns Herausforderer Nummer eins sein wird.

Wie beantwortet man also die Frage nach der Titelreife der Bullen 20/21? Favorit sind die "Nagelsmann-Maschinen" in keinem Wettbewerb. Entwicklung, Stimmung, Breite und Qualität des Kaders lassen, Stand Dezember 2020, aber darauf schließen, dass in der Bundesliga und im DFB-Pokal alles möglich ist. Dafür muss RB aber weiter konstant liefern. Und anders als im Vorjahr die FCB-Patzer besser ausnutzen. In Nagelsmann verfügt man dabei über einen Trainer, der die Klasse dafür absolut verkörpert.

Fazit: Mit etwas Glück kann das Nagelsmann-Update schnell Silberware liefern. Vielleicht schon Nagelsmanns Leipzig 2.0!