Kommentar: Schalke stößt Fans vor den Kopf und wird selbst zum Härtefall

Schalke verärgert seine Fans mit einem Härtefall
Schalke verärgert seine Fans mit einem Härtefall / DeFodi Images/Getty Images
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Dass Schalke als finanziell gefährdeter Verein die eigenen Fans und Mitglieder um Rückerstattungsverzicht bat, war soweit noch verständlich. Mit dem Härtefallantrag, der heute durch die sozialen Netzwerke ging, hat der Klub jedoch den Vogel abgeschossen. Solch ein Verhalten ist inakzeptabel und schlicht nicht hinzunehmen.

Verschärft durch die Coronakrise, aber geschaffen durch die eigene Arbeit in den Funktionärsposten, fährt Schalke 04 einen wirtschaftlich gefährlichen Kurs. Dass Königsblau nicht über das größte Transferbudget verfügt, weiß jeder Bundesliga-Fan, ebenso, dass der Verein noch fast 200 Millionen Euro an Verbindlichkeiten hat, obwohl das eigene Stadion mittlerweile abbezahlt ist. Dementsprechend verständlich war es noch, als der S04 die Fans und Mitglieder darum bat, auf etwaige Rückerstattungen bei Dauerkarten und Tickets zu verzichten.

Das haben die Anhänger auch gerne gemacht, nur wenige Regionen und Fans sind so durch Ehrlichkeit und gegenseitige Unterstützung geprägt, wie sie es in Gelsenkirchen sind. Wer seinem geliebten Schalke helfen kann und die Möglichkeit hat, dies zu tun, der wird kaum zögern. Dass der Klub indes jedoch auch verschwieg, dass die Möglichkeit zur Rückzahlung bei Tickets besteht, während weitere Möglichkeiten wie Gutscheine im Fokus standen, war zwar nicht der feine Stil - doch mittlerweile hat die Finanzabteilung den Vogel abgeschossen.

Härtefallantrag von Schalke sorgt - zurecht - für Empörung: Eine Dreistigkeit sondergleichen

Am Mittwoch geisterte ein sogenannter Härtefallantrag durch die sozialen Netzwerke, primär bei Twitter entwickelte sich der Antrag wie ein Lauffeuer, weil er tatsächlich für Entsetzen, Verwirrung und Fremdscham gesorgt hatte.

Kurz zusammengefasst: Bei dem Antrag geht es um das Auszahlen eines möglichen Gutscheins. Diese Möglichkeit muss der Verein rechtlich anbieten, andere Vereine - auch aus der Bundesliga - haben derartige Auszahlung selbstverständlich und nebenbei, ohne Störfeuer, durchgezogen.

Auf Schalke scheint das jedoch anders zu laufen. Zitat aus dem Antrag, an den kleinen Fan gerichtet: "Warum benötigst du das Geld unbedingt jetzt? Begründe bitte Deinen Härtefallantrag in den folgenden Zeilen." Wenn möglich, so geht es weiter, sollen auch "entsprechende Belege" beigefügt werden.

Das Umfeld von Königsblau völlig missachtet, die Zugehörigkeit offenbar abhanden gekommen: Der Bittsteller wird zum Kontrolleur

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein riesiger Fußballverein, der seit Jahren, gar Jahrzehnten eine augenscheinlich und auch sichtbar schlechte Arbeit im Finanzwesen betreibt, während er Millionen und Millionen umsetzt, verlangt von den eigenen Anhängern eine Erklärung, wieso sie ihr Geld zurückhaben möchten. Mit "geht euch einen Scheißdreck an" hat der Twitternutzer vergleichsweise noch freundlich ausgedrückt, was sich zahlreiche Fans dachten. Auch bei sehr vielen Anhängern anderer Vereine löste dieses Schreiben Kopfschütteln aus.

Finanzvorstand Peter Peters steht ohnehin in der Kritik: Antrag befeuert die Lage
Finanzvorstand Peter Peters steht ohnehin in der Kritik: Antrag befeuert die Lage / TF-Images/Getty Images

Nicht nur, dass ein solches Schreiben mitsamt einer solchen Formulierung schlicht dreist ist, auch ist es angesichts des Schalker Umfelds arrogant und verblendet. Das typische Bild des Blau-Weißen zeichnet sich mit wenig Geld, aber umso mehr Liebe für den Klub. Das mag vergleichsweise auch überproportional stimmen, schließlich ist Gelsenkirchen eine klassische Arbeitergegend und der S04 ein Verein, der für die Werte des Ruhrgebiets steht: Ehrlichkeit, Arbeit und Empathie. Das alles geht Königsblau derzeit abhanden. Derartige Statements befeuern die immer weiter voranschreitende Trennung, den immer größer werdenden Abstand zwischen dem gemeinen Fan und dem großen, milliardenschweren Fußball-Geschäft.

Zumal es umso dreister ist, wenn bedacht wird, dass ja der Verein selbst eigentlich der Bittsteller ist. Genauso gut könnte die Führungsetage rund um Finanzvorstand Peter Peters (der den Wisch eigentlich freigegeben haben muss) gefragt werden: "Warum braucht ihr das Geld unbedingt jetzt?" Es geht um Solidarität und wirklich viele Schalker helfen sich gegenseitig und dem Klub sehr gerne und aus vollster Überzeugung. So jedoch nicht. Ein solches Vorgehen hat nichts als Schande verdient, es ist Schalke nicht würdig.


Autor Yannik Möller ist auch bei Twitter zu erreichen