Horst Hrubesch: Der DFB-Feuerwehrmann mit offener Art und dem Auge für Baustellen

Horst Hrubesch konnte mit dem letzten Spiel nicht zufrieden sein - dennoch führte er das DFB-Team in das Halbfinale
Horst Hrubesch konnte mit dem letzten Spiel nicht zufrieden sein - dennoch führte er das DFB-Team in das Halbfinale / Michael Steele/GettyImages
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Das letzte Spiel gegen Wales war enttäuschend, aber die DFB-Frauen haben sich trotzdem für das Halbfinale der Women's Nations League qualifiziert. Einen großen Anteil daran hat Horst Hrubesch - der 72-Jährige springt schon zum zweiten Mal bei den DFB-Frauen ein. Mit seiner ehrlichen Art und dem Auge für die Baustellen ist Hrubesch der perfekte Feuerwehrmann.

Hrubesch: Feuerwehrmann aus Leidenschaft

Horst Hrubesch ist da, wenn es brennt. Eigentlich hatte der 72-Jährige seine Karriere als Trainer schon nach den Olympischen Spielen 2016 beendet. Aber für seine zwei großen Lieben gab er doch noch den Feuerwehrmann: 2021 bei seinem Herzensklub, dem HSV, und nun nach 2018 schon das zweite Mal als Interimstrainer der DFB-Frauen.

Hrubesch hat eine beispielslose Karriere für den DFB hingelegt. Zwar nicht als Spieler - das "Kopfballungeheuer" hat die drittbeste Torquote aller Bundesliga-Stürmer , aber kam auf nur 21 Einsätze im Deutschland-Trikot -, sondern als Trainer. Seit Hrubesch im Jahr 2000 als Co-Trainer von Erich Ribbeck anheuerte, blieb er dem DFB treu, coachte fast jede Altersklasse in der Jugend.

Fast am besten scheint ihm aber die Rolle als Interimstrainer, als Feuerwehrmann, zu liegen. Nach dem Aus von Martina Voss-Tecklenburg war er die naheliegende Wahl für den Übergang, hatte Hrubesch doch schon einmal in der Position brilliert. Was macht Hrubesch zu so einem guten Interimstrainer?

Die Chemie stimmt: Kommunikation verbessert

2018 zauberte der DFB ihn als Zwischenlösung aus dem Hut, nachdem das Experiment Steffi Jones krachend gescheitert war. Ähnlich wie auch nach der WM wirkte das Team verunsichert. Hrubesch weiß auch aus eigener Erfahrung, wie viel die mentalen Blockaden ausmachen können. Sind wir wirklich gut genug? Warum bringen wir unsere PS nicht auf den Platz? Diese Fragen gab es 2018 wie 2023.

2018, ein Jahr vor der WM in Frankreich, brachte Hrubesch das Team wieder in die Erfolgsspur. Und zeigte: Ja, die Qualität habt ihr noch. Mit einer fast perfekten Quote von sieben Siegen und einem Unentschieden in acht Spielen brachte er die DFB-Elf wieder in die Erfolgsspur und übergab den Staffelstab an Martina Voss-Tecklenburg. Lina Magull und Co. waren schon damals von ihm sehr überzeugt: „Wir bedauern, dass wir ihn loslassen müssen“, sagte die Bayern-Mittelfeldspielerin damals.

Lina Magull
Fan von Hrubeschs Kommunikation: Lina Magull / Maja Hitij/GettyImages

Ein Wort, das immer wieder fällt, wenn die Spielerinnen über Hrubesch sprechen: Kommunikation. "Wir sind sicherer geworden, seitdem wir miteinander sprechen“, sagte Magull etwa 2018. Das war auch eine der Lehren von Hrubeschs Trainerkarriere. Nach dem Aus im Halbfinale der U21-EM sagte er 2015: "Wir hätten viel mehr und viel klarer miteinander reden müssen."

Inzwischen wird eben das von den Spielerinnen gelobt: Hrubeschs ebenso klare wie ruhige Art. Klar, weil Hrubesch nicht zu großen Tönen neigt. Auch nach dem 5:1-Sieg gegen Wales, der bei einigen Spielerinnen zu Euphorie führte, blieb er kritisch. Trotz des Torreigens in der zweiten Hälfte sagte er: "Ich denke, wir müssen einfach sicherer spielen - ruhiger im Aufbauspiel noch, wesentlich weniger Fehler machen"

Hrubesch hat den Wirbel nach der WM gut abgefangen

Und ruhig, weil all das unaufgeregt passiert. Er konnte den ganzen Wirbel um die DFB-Frauen nach dem Aus von Martina Voss-Tecklenburg vom Team fernhalten, brachte den Fokus auf die wichtigen Nations-League-Spiele. Das war die Grundlage für die darauffolgenden Siege, denn die Spielerinnen erzählten später, wie sehr die Unsicherheit an ihnen genagt hatte. "Das geht alles nicht spurlos an uns vorbei", meinte Innenverteidigerin Kathrin Hendrich.

Hrubesch gelang es, die Elf auf, aber auch neben dem Platz wieder etwas zu stabilisieren. Nach der WM war viel vom Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der DFB-Frauen weggebrochen, Hrubesch baute einiges davon wieder auf. "Horst gibt uns ein sehr gutes Gefühl, und ein Vertrauen durch die Bank weg. Also nicht nur Nummer 1-11, er sieht jeden als wichtig an", sagte Alexandra Popp, wie Hrubesch in seinen aktiven Zeiten als Kopfballungeheuer bekannt.

Zwischen den Zeilen ist da klar zu verstehen, dass das bei der WM nicht immer so war. Bereits vor einigen Wochen schrieb der Spiegel, dass sich einige Spielerinnen von Voss-Tecklenburg komplett ignoriert fühlten. Unter Hrubesch ist das anders - schon 2018 betonte Lena Lattwein, damals ganz frisch im Team, dass Hrubesch die Neulinge sehr gut integriert habe.

Hrubesch hat keine Angst vor Veränderungen

À propos Neulinge: Hrubesch hat keine Angst, ein paar frische Einladungen zu verschicken. Das war auch schon 2018 so, als er Maximiliane Rall, Sydney Lohmann und Lattwein ihre ersten Chancen im DFB-Team gab. Giulia Gwinn förderte Hrubesch besonders, die damals 19-Jährige erzielte unter ihm ihr erstes Länderspieltor.

Jetzt lud Hrubesch zum ersten Mal Elisa Senß ein. Die Leverkusenerin gehörte bereits in der letzten Saison zu den besten Mittelfeldspielerinnen der Frauen-Bundesliga, die Einladung war überfällig. Mit ihrem Debüt gegen Dänemark war Hrubesch hochzufrieden, "sensationell" fand er die Leistung der Sechserin. "Sie hat auch diesen Charakter, diesen Willen. Und sie hat die Qualität", sagte er.

Elisa Senss, Sanne Troelsgaard, Isabella Bryld Obaze
Elisa Senß kam gegen Dänemark zu ihrem DFB-Debüt / Inaki Esnaola/GettyImages

Auch auf den anderen Positionen sorgte Hrubesch für Wirbel, kurbelte den Konkurrenzkampf wieder etwas an. Unter Voss-Tecklenburg waren einige Spielerinnen auch bei schwankenden Leistungen gesetzt gewesen, Hrubesch vergab keine Garantien mehr. Besonders im Mittelfeld gab er mit Senß, Nüsken und Lohmann ganz neuen Formationen eine Chance. Sarai Linder durfte sich auf links beweisen und macht das sehr gut.

Die allergrößten taktischen Innovationen bringt Hrubesch nicht, in der kurzen Zeit ist das auch schwer möglich. Aber er hat erkannt, dass es maßgeblich an der Kommunikation gehapert hat, und an der zu großen Bequemlichkeit auf dem Platz. Hrubesch hat viel frischen Wind gebracht - gegen Wales übertrieb er es damit aber ein wenig, das neu formierte DFB-Team hätte in diesem wichtigen Spiel mehr Gewissheiten gebraucht.

Probleme beim DFB-Team bleiben weiterhin bestehen

Das Unentschieden zum Schluss zeigte, wie viel Arbeit - trotz der verbesserten Kommunikation, trotz des neuen Schwungs - noch vor Hrubesch liegt. Nervös und lethargisch wirkte das DFB-Team, ähnlich wie bei der WM. Wieder mussten sie auf die Schützenhilfe von einem anderen Platz hoffen.

Dieses Mal gab es die, einige Spielerinnen sollten Islands Karolina Lea Vilhjalmsdottir Schokolade nach Leverkusen schicken. Aber Vilhjalmsdottir wird nicht immer Deutschlands "knight in shining armour" sein, in Zukunft müssen die eigenen Leistungen deutlich besser werden.

Karolina Lea Vilhjalmsdottir
Sie rettete Deutschland mit ihrem Tor gegen Dänemark: Karolina Lea Vilhjalmsdottir / Eurasia Sport Images/GettyImages

Schon das 1:0 gegen Island war mehr Krampf als Glanz. Zwischendurch das überraschend starke 3:0 gegen Dänemark - die Konstanz geht dem DFB-Team weiterhin komplett ab. "Es kann nicht sein, dass wir gegen Dänemark so eine Leistung bringen und dann heute so ein Spiel spielen", monierte auch Sjoeke Nüsken.

Halbfinale: Deutschland als Underdog - aber weiterhin mit Hrubesch

Im Halbfinale sieht auch Hrubesch das DFB-Team als Underdog, egal gegen wen es geht. Spanien wäre wohl der Worst Case, gegen die amtierenden Weltmeisterinnen hätte Deutschland in der aktuellen Form kaum eine Chance, selbst wenn La Roja sich in der Nations League einige ungewohnte Defensivschwächen leistete. Hrubesch hofft selbst auf Frankreich, denn bei einer Niederlage gäbe es im Spiel um Platz 3 eine zweite Chance - die Französinnen sind bereits qualifiziert.

Egal welche Kugel bei der Auslosung am 11. Dezember gezogen wird, Hrubesch wird das DFB-Team auch in das Halbfinale führen. Das bestätigte der 72-Jährige nach dem Weiterkommen. Der Feuerwehrmann hilft weiterhin aus - auch, wenn er es 2018 schon fast kategorisch ausgeschlossen hatte.

„Wenn irgendjemand irgendwann meine Hilfe braucht, bin ich immer bereit zu helfen“, sagte er damals - „aber ich werde höchstwahrscheinlich nicht auf der Bank sitzen.“ Vielleicht war das Schlupfloch ja, dass Hrubesch mit seiner energischen Art selten auf der Bank sitzt - meistens steht er eher.


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