Hertha-Fans kassierten Spieler-Trikots ein: Ein Bärendienst im Abstiegskampf
Von Yannik Möller
Nach dem zurecht verlorenen Berlin-Derby mussten sich die Spieler von Hertha BSC auch noch von den Fans zusammenfalten lassen - inklusive demonstrativer Trikot-Niederlegung. Ein Schritt, der nach dem Trainings-Aufmarsch auch im sportlichen Sinne zu weit geht. Ein Kommentar.
Ein Derby im heimischen Stadion mit 1:4 zu verlieren, das zudem ein wichtiges Spiel im Hinblick auf dem umkämpften Klassenerhalt war, hinterlässt eine gehörige Portion an Frust. Bei der Mannschaft ebenso wie auf den Rängen.
Jeder, der diese Zeilen ließt, kennt dieses Gefühl: Frust und Ärger über das Team, das man mit Leidenschaft und teils auch in finanzieller Hinsicht (Mitgliedschaft, Stadionbesuch, usw.) unterstützt. Gerne hätte man dem ein oder anderen Spieler oder auch Trainer mal seine Meinung gegeigt. Was am Samstagabend in Berlin passierte, geht jedoch zu weit.
Die Hertha hatte völlig zurecht gegen Union verloren. Weiter wird der 17. Tabellenplatz belegt, mit dem es am Ende der Saison trotz Unmengen an Millionen-Summen eine Etage tiefer geht. Dass es dann auch zu teils sehr emotionalen oder auch hitzigen Aussprachen zwischen Fans und Spielern kommt, ist soweit weder neu, noch per se verkehrt.
Schließlich haben auch die Anhänger das Recht, ihren Unmut zu äußern und auch der Mannschaft zu verdeutlichen, in welcher Lage sich der Verein eigentlich befindet. Während die Spieler kommen und gehen, bleiben die Fans immerhin.
Berliner Fan-Frust ist verständlich - aber 'Trikot-Ritual' sorgt nur für Einschüchterung
Das wichtige Aber, das in diesem Fall betont werden muss: In hitziger und sehr aufgeladener Atmosphäre zu fordern, dass Spieler öffentlich das Trikot ausziehen und es vor die Fankurve legen, in nahezu abstrafender Ritual-Form, hilft niemanden. Das Gegenteil ist der Fall. Auch ist nicht weiter gewiss, welche Worte womöglich noch gefallen sind nach der Derby-Pleite.
Zumal diese Trikot-Aktion nicht völlig isoliert betrachtet werden sollte. Es ist noch gar nicht so lange her, dass das Training von BSC-Fans gestürmt wurde. Fredi Bobic sprach am Sonntagvormittag beim Sport1-Doppelpass rückblickend von einem "Aufmarsch".
Ob es die gleiche Fan- beziehungsweise Ultra-Gruppierung war oder nicht, ist dafür völlig irrelevant. So war es nicht das erste Mal, das Grenzen überschritten wurden. Grenzen, die auch zur persönlichen Sicherheit der Spieler gehören. Man kann doch nicht meinen, dass zwei derartige Aktionen allen voran die jüngeren Profis nicht nur nicht beeindrucken, sondern sie nicht auch einschüchtern würden.
Dem Team wurde dadurch im Abstiegskampf ein Bärendienst erwiesen. Dass die Stimmung in einer solchen Ausgangslage alles andere als toll ist - geschenkt. Dennoch braucht es den Fan-Support, um solche Tiefen meistern zu können.
Werden die Spieler nun mit einem größeren Selbstbewusstsein ins nächste Heimspiel gehen? Mitnichten. Und das wird richtig gefährlich, stehen doch jetzt die Duelle gegen die direkte Konkurrenz auf dem Plan. "Unmut hilft uns da nicht weiter", erklärte auch Felix Magath diesbezüglich (via Bild).
Schlussendlich bleibt zu hoffen, dass sich diese Frust-Spirale nicht noch weiter aufdreht - auch wenn die Erfolgserlebnisse weiter ausbleiben. Suat Serdar, der zunächst ähnliche und dann nochmals viel schlimmere Szenen bei Schalke 04 miterleben musste, dürfte sich dahingehend bereits den ein oder anderen Gedanken gemacht haben.