"Ging darum, füreinander da zu sein" - Hertha-Coach Schwarz erklärt, warum er Moskau erst jetzt verlassen hat
Von Daniel Holfelder
Anders als etwa Markus Gisdol (Lok Moskau) oder Daniel Farke (FK Krasnodar), die Russland nach der Invasion in die Ukraine den Rücken kehrten, blieb Sandro Schwarz seinem Klub Dynamo Moskau bis zum Saisonende treu. Nun hat der neue Hertha-Trainer seine Beweggründe erläutert.
In einer digitalen Medienrunde am Freitag erklärte Schwarz zunächst, dass der russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar "alles verändert" habe. Trotzdem entschied sich der 43-Jährige für einen Verbleib in der russischen Hauptstadt: "Es kann sich jeder sicher sein, dass es ab diesem Tag sehr emotional war. Mir war bewusst, dass Außenstehende da vielleicht von fehlender Solidarität reden. Aber ich weiß, welche Haltung ich zu diesem Angriffskrieg habe. Die habe ich klar kundgetan. Wir haben sehr viele Gespräche geführt mit den Klubverantwortlichen, mit den Spielern, mit dem Staff. Mir war es wichtig, nach diesen schrecklichen Bildern die Haltung und Stimmungslage meiner Mitmenschen zu erfahren. Aus diesen Gesprächen resultierte dann, diesen sehr, sehr schwierigen Weg als Gruppe gemeinsam zu gehen."
Eine wesentliche Rolle hätten bei seiner Entscheidung die Gespräche mit Co-Trainer Andrey Voronin, der selbst Ukrainer ist und Russland noch im Februar in Richtung Deutschland verlassen hat, und seinem ukrainischen Abwehrspieler Ivan Ordets gespielt. Beide, so Schwarz, hätten ihn in seiner Entscheidung bestärkt. Auch alle anderen Gespräche hätten in ihm das Gefühl hervorgerufen, dass "ich für die Menschen in meinem Umfeld da sein muss, dass das mein Verantwortungsbereich ist", schilderte der ehemalige Mainzer. "Wir hatten unzählige, emotionale Momente mit ukrainischen und russischen Spielern, die bei mir im Trainerzimmer waren und wo wir alle geweint haben und tief betroffen waren über die Situation in der Ukraine."
"Ich habe als Mensch eine innere Zerrissenheit gespürt. Davon waren die letzten drei Monate geprägt. Das hatte wenig mit Sport, mit Spiele gewinnen zu tun. Es ging darum, füreinander da zu sein. Auf der einen Seite die schrecklichen Bilder zu sehen, aber aus den Gesprächen zu wissen, wie meine Spieler, mein Staff und die Klubverantwortlichen ticken. Ich weiß, welcher Anker ich für sie gerade in den letzten Wochen war. Die Menschen im Dynamo-Umfeld haben eine klare Haltung zu dem Thema", stellte Schwarz klar. Dynamo-Angreifer Fedor Smolov war der erste russische Nationalspieler, der den Angriff auf die Ukraine öffentlich verurteilte.
Schwarz weiter: "Die Entscheidung, die in mir in einem Prozess gereift ist, war, für die Jungs und Mädels in der Mannschaft, im Staff, im Klub da zu sein, weil ich wusste, welche Bezugsperson ich für sie war. Das hatte nichts mit Sport, mit Titeln oder mit finanziellen Aspekten zu tun. Es ging einzig und allein darum, den Menschen vor Ort zu helfen - mit dem Wissen, dass das, was in der Ukraine passiert, das Schlimmste überhaupt ist."
Vorfreude auf Hertha-Aufgabe groß
Trotz der schwierigen Situation erreichte Schwarz mit Dynamo den dritten Tabellenplatz - die beste Platzierung seit seinem Jahrzehnt. Das Pokalfinale gegen den Lokalrivalen Spartak ging zwar mit 1:2 verloren, dennoch zollten die Dynamo-Ultras ihrem scheidenden Trainer am Montagabend großen Respekt. Die Anhänger versammelten sich vor Schwarz' Wohnanlage und verabschiedeten ihn mit einer emotionalen Pyro-Choreographie.
Bei der Hertha freut sich der Ex-Profi nun auf eine neue Aufgabe. "Die Vorfreude auf das, was kommt, ist groß", so Schwarz, der auch schon klare Vorstellungen davon hat, wie er die Alte Dame zurück in die Erfolgsspur bringt: "Der erste wichtige Punkt ist, als Gemeinschaft aufzutreten: mit unseren Spielern und allen Mitarbeitern. Wer mich die letzten Jahre verfolgt hat, weiß, dass wir einen sehr aktiven Spielstil haben und vorwärts gewandt agieren wollen. Das ist die Idee. Es soll ab dem ersten Trainingstag eine Energie und Aktivität auf dem Platz entstehen."
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