Borussia-Legenden sorgen sich um Gladbach: "Wahrlich katastrophal"
Von Jan Kupitz
Borussia Mönchengladbach rutscht immer tiefer in den Tabellenkeller. Lothar Matthäus und Martin Stranzl machen sich große Sorgen um ihren Ex-Klub.
Von 1979 bis 1984 war Matthäus fünf Jahre lang bei der Borussia aktiv, Stranzl zwischen 2011 und 2016 sogar noch ein halbes Jahr länger. Beide Akteure erlebten am Niederrhein eine tolle Zeit ihrer Karriere und haben die Fohlenelf selbstverständlich nicht aus den Augen verloren. Umso schmerzt es sie, mit ansehen zu müssen, wie aus dem Champions-League-Teilnehmer Gladbach innerhalb kürzester Zeit ein Abstiegskandidat geworden ist.
"Ich mache mir Sorgen um meine Borussia", gestand Matthäus in seiner Sky-Kolumne. Der einstige Weltklassespieler macht im Kader der Fohlenelf vor allem ein Problem mit dem Charakter aus - womit sich die Spieler letztlich auch selbst schaden würden. Matthäus gab zu bedenken, "dass auch die anderen Klubs sehen, wie sie [die Spieler] sich verhalten, wenn sie unzufrieden sind. Ich würde Spieler nicht verpflichten, die aus purem Egoismus und gekränkter Eitelkeit die Kollegen Woche für Woche im Stich lassen."
Der 60-Jährige warf einigen Gladbach-Profis vor, dass sie die aktuelle Lage noch nicht angenommen und verstanden haben. Sie denken, "sie spielen in der Champions League wie vor nicht allzu langer Zeit gegen Real oder Inter", polterte Matthäus. "Aber ihre Konkurrenten sind nun Augsburg, Bielefeld und Stuttgart. Mit diesen Vereinen sind sie nun auf Augenhöhe. Statt in der Champions League allerdings im Abstiegskampf."
Matthäus' Sorgen werden umso größer, da die Konkurrenten um den Klassenerhalt ihre Sachen "aktuell um einiges besser" machen würden. "Schlimm genug", so sein Fazit.
Stranzl sieht seit Monaten keine Verbesserung
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Stranzl, der seinerzeit maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass die Gladbacher sich aus dem Tabellenkeller Stück für Stück nach oben gearbeitet haben. Zurzeit sieht der Österreicher jedoch einen Rückfall in schlimme Zeiten. Er monierte im Interview mit ran, dass die Gladbacher "in all den bisherigen Saisonspielen nichts dazu gelernt haben. Das ist für mich das Allerschlimmste. Es ist keinerlei Verbesserung zu erkennen."
Besonders große Bauchschmerzen bereitet Stranzl "das gemeinsame Verteidigen in der letzten Linie". Dieses Problem habe bereits in der vergangenen Saison bestanden - besser wurde es allerdings nicht, "sondern sogar eher noch schlimmer. Was diesbezüglich auf dem Rasen passiert, ist wahrlich katastrophal."
In den letzten Wochen ist der Borussia - trotz eines machbaren Spielplans - lediglich ein einziger Sieg gelungen. Laut Stranzl habe man am Niederrhein danach aber die falschen Schlüsse gezogen und die Probleme leichtsinnig beiseite geschoben.
"Man hat sich nach dem knappen 3:2-Sieg gegen den FC Augsburg vor einigen Wochen noch hingestellt und hat sich diesen Erfolg schön geredet, weil man endlich mal wieder drei Punkte geholt hat. Aber unter dem Strich hat man auch in dieser Partie wieder zwei Gegentore bekommen und viele Großchancen des Gegners zugelassen", tadelte der Ex-Profi. "Gleiches ist nach dem 0:6 bei Borussia Dortmund passiert. Wenn du sechs Gegentore kassierst, kannst du dich nicht nach dem Spiel hinstellen und argumentieren, dass du bis zum 0:3 noch gut mitgehalten und das Spiel offen gestaltet hast."
Die Schuld an der momentanen Situation will Stranzl auch gar nicht bei Adi Hütter suchen. "Die Problematik in der Defensive existiert ja bereits seit der vergangenen Saison", erinnerte der Österreicher. Vielmehr sieht der ehemalige Verteidiger die Mannschaft in der Pflicht.
"Ich brauche noch keinen Trainer der Welt, der mir als Spieler erklärt, dass ich mich im Strafraum zum Gegenspieler orientieren muss. Wenn ich mir das dritte Gegentor gegen Stuttgart anschaue, dann stehen alle Gladbacher aufgereiht wie Zinnsoldaten im eigenen Sechzehner und am Elfmeterpunkt im Rückraum sind gleich mehrere Stuttgarter frei", zählte Stranzl das Fehlverhalten der Borussen auf.
Ähnlich verhalte es sich auch bei den anderen Gegentoren, die die Fohlenelf kassiert hat. "Da brauche ich eigentlich keinen Trainer dafür, um zu wissen, dass ich den Ball nicht in die Mitte kläre, sondern zur Not aus dem Stadion prügele. Sowas muss ein Spieler wissen", sprach Stranzl Klartext. "Und wenn er es nicht weiß und sich hinstellt, dass der Trainer ihm das als Anweisung mitgeben muss, hat er eigentlich seinen Beruf verfehlt."
Trainerwechsel eine "extrem schwierige Entscheidung"
Einen Trainerwechsel würde Stranzl daher nicht in Betracht ziehen, zumal die Borussia finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. "Das kann gut gehen, kann aber auch scheitern", betonte der 41-Jährige. "Aufgrund der ganzen Corona-Situation werden dem Verein finanziell auch ein Stück weit die Hände gebunden sein. Da muss man eben genau abwägen, was wirtschaftlich machbar ist und was nicht. Das ist also eine extrem schwierige Entscheidung für die Verantwortlichen bei der Borussia."
Stranzl unterstrich, dass man die Spieler in die Pflicht nehmen müsse und nicht alles auf Hütter abwälzen könne. "Vielleicht ist es schon so, dass sich einige Gladbacher zu sehr mit ihrer Zukunft bei einem anderen Klub befassen und deswegen auch nicht zu einhundert Prozent bei der Sache sind", gab er in diesem Zug zu bedenken. "Wenn das wirklich der Fall sein sollte, hast du natürlich ein großes Problem."
Ein Problem, das Borussia Mönchengladbach in dieser Saison um den Klassenerhalt bangen lässt. Am Samstag müssen gegen Hertha BSC drei Punkte her - da kann es am Niederrhein keine zwei Meinungen geben.