Fredi Bobic über die Corona-Krise, Panini-Bilder und Verschwörungstheorien

Hat stets einen fundierten Blick auf die Realitäten (auch abseits des Platzes): Fredi Bobic
Hat stets einen fundierten Blick auf die Realitäten (auch abseits des Platzes): Fredi Bobic / Andreas Schlichter/Getty Images
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In Zeiten, in denen viele Menschen es vorziehen, lieber gar nichts zu sagen als möglicherweise etwas falsches (oder gar unpopuläres), kommt ein Typ wie Fredi Bobic irgendwie sehr erfrischend daher. Der Sportvorstand der Frankurter Eintracht ist keiner, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Gegenüber t-online sprach der 49-jährige Funktionär nun über die Corona-Krise, über die von ihr konditionierte und vor dem Start stehende Saison. Und über Panini-Bilder.

Leere Stadien zwischen Juni und August. Für viele Fans immer noch ein Alptraumszenario - und Grund genug, sich eventuell auch mal anderen Zeitvertreiben zu widmen. Ein paar Anhänger dürfte auch König Fußball während des unfreiwilligen Stillstandes und des späteren Experiments des Spielbetriebes ohne Fans verloren haben.

Zumindest vorübergehend. Für Bobic nur allzu gut nachvollziehbar: "Ich habe Verständnis dafür, weil ich das selbst auch manchmal spüre. Du ertappst dich dabei, dass du die Spiele nicht so intensiv, konzentriert oder mit weniger Herzblut verfolgst, weil die Stimmung im Stadion fehlt."

"Ich möchte wieder hektische Situationen auf dem Spielfeld erleben!"

Wobei es ja auch interessante Nebeneffekte gibt. Wie z.B. die Tatsache, dass man als Fernsehzuschauer plötzlich fast alle von den Trainern aufs Feld gerufenen Anweisungen versteht. Oder auch die Kommandos innerhalb der Mannschaften. Auch für den einen oder anderen Spieler scheint die Abwesenheit der Anhänger eher leistungsfördernd zu sein.

Bobics Erklärungsversuch dafür: "Das Spiel hat sich dadurch einen Tick verändert, weil der Druck von außen nicht mehr existiert. Das Spiel ist dadurch aber schöner geworden – aus technischer und taktischer Sicht – weil der Druck auf die Spieler geringer ist. Trotzdem möchte ich auch wieder hektische Situationen auf dem Spielfeld erleben, weil die Stimmung im Stadion überschwappt."

An einen die gesamte Branche umwälzenden Wandel durch die Pandemie glaubt der 44-Jährige nicht. "Der Transfermarkt wird sich etwas normalisieren, auch wenn immer viel Geld im Fußball sein wird. Ich glaube aber, die Vereine werden vorsichtiger. Denn jetzt sehen sie, was passieren kann. Die Spieler werden vielleicht auch dankbarer dafür sein, wenn sie bei einem Verein unter Vertrag stehen, der das Gehalt zahlen kann. Ich rede von der breiten Masse der Profifußballer, nicht von der Top-Elite. Einen Millionenmarkt für Spieler wie Sané, Havertz, Werner wird es immer geben. Aber mal abgesehen von diesen Stars der Branche: Es wird künftig mehr arbeitslose Profifußballer geben."

"Viele Profis spielen eine Gehaltsklasse zu hoch für ihre fußballerische Qualität!"

Ob dies im Gegenzug bedeute, dass die breite Masse der Profi-Fußballer überbezahlt ist? Laut Bobic: ja! "Wenn der Kuchen immer größer wird, dann profitiert davon eben auch die Mitte. Und das ist nicht nur in der Bundesliga so, sondern auch in der zweiten und dritten Liga. Viele Profis spielen eine Gehaltsklasse zu hoch für ihre fußballerische Qualität." Was wir leidgeplagten Fans von Klubs, deren Namen zu nennen an dieser Stelle nicht der geeignete Ort und Moment ist, schon seit längerem wussten. Aber jetzt hat´s auch mal ein Experte bestätigt.

Konkret auf seine Arbeit als Vorstand Sport bei der SGE bezogen, erkennt er jedoch schon in diesem Sommer einen Wandel auf dem Spielermarkt. "Es gibt gefühlt mehr Spieler-Tauschgeschäfte zwischen Vereinen, weil das Geld für Ablösen nicht mehr so locker sitzt. Es erinnert mich aktuell ein bisschen an meine Schulzeit: Damals, als wir Panini-Bilder tauschten (lacht). Aktuell arbeite ich beispielsweise an ungefähr acht Personalien, und jede davon ist kompliziert. Es ist anstrengender als sonst."

Bobic sieht Einführung einer Gehaltsobergrenze ohne den Gesetzgeber nur schwer realisierbar

Was er in seiner Branche denn verändern würde, wenn man ihm den entsprechenden Zauberstab in die Hand legen würde, benennt Bobic fast ohne zögern: "Ich würde mir wünschen, dass es eine Reglementierung bezüglich der Profigehälter gibt. Stichwort Gehaltsobergrenze. Denn es würde vieles vereinfachen, weil man genau wüsste, dass ein 21-Jähriger nur bis zu einer bestimmten Summe verdienen darf. Auch die Provisionsbasis der Spielerberater würde ich gesetzlich verankern. Aber ich glaube nicht, dass das funktioniert." Denn dafür bedürfe es, so Bobic, der Initiative des Gesetzgebers. "Außerdem würde man sich gegenüber anderen Verbänden selbst schwächen."

Bei der Frage nach seiner Einschätzung bezüglich einer Rückkehr der Fans, gibt sich Bobic noch skeptischer. Zwar hoffe er auf die baldige Rückkehr der Fans und volle Zuschauertribünen - "Realistisch ist es aber nicht. Doch ich bin überzeugt davon, dass wir mehr als 50 Prozent Auslastung in den Arenen hinbekommen können. Aber wenn wir auf den garantierten Impfstoff warten und darauf, dass alle durchgeimpft sind, dann spielen wir die nächsten zwei bis drei Jahre nicht vor Zuschauern." Und dann könnte es für viele Klubs schon ans Eingemachte gehen. Schon nur eine weitere Spielzeit ohne Zuschauer könnte gravierende Folgen haben. "Dann werden wir stark angeschlagene Vereine haben, das Interesse am Fußball würde geringer werden." Die finale Konsequenz daraus (Pleiten oder gar Auflösungen von Klubs) benennt er dann zwar nicht - muss es aber auch gar nicht.

"Bin froh, dass ich aus einer anderen Generation komme!"

Interessant sind auch Bobic Ausführungen zum stetig wachsenden Einfluss der Social Media - und dem damit einhergehenden ansteigenden Risiko der Manipulation durch Fake News oder krude Verschwörungstheorien. Um die eigenen Spieler davor zu gut es geht zu schützen, hat die SGE mittlerweile auch eine komplette Abteilung geschaffen. "Unsere Mitarbeiter des Social-Media-Bereichs bei Eintracht Frankfurt sprechen viel mit unseren Spielern und weisen sie auch auf Dinge hin. Wir tracken unsere Profis, um zu schauen, was sie in die Welt hinaustragen. Wenn es in eine bestimmte Richtung geht, dann gibt es auch mal ein Gespräch. Das gehört zu unserer Sorgfaltspflicht. Ich persönlich bin aber froh, dass ich aus einer anderen Generation komme. Ich rate Spielern auch, einfach mal das Handy auszuschalten und den gesunden Menschenverstand zu aktivieren."