Drei etwas andere Erkenntnisse aus dem Remis gegen Spanien

Jogi Löw darf insgesamt mit dem Spiel seiner Mannschaft zufrieden sein
Jogi Löw darf insgesamt mit dem Spiel seiner Mannschaft zufrieden sein / Matthias Hangst/Getty Images
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Mit 1:1 trennten sich am Donnerstagabend in der Nations League die beiden Schwergewichte Deutschland und Spanien. Nach der Führung von Timo Werner erzielte die Furia Roja in der letzten Sekunde doch noch den Ausgleich - am Ende ein faires Ergebnis in einem überraschend intensiven Spiel. Drei etwas andere Erkenntnisse des Spiels.

Denn beim ersten Pflichtspiel der Saison (für die meisten Akteuere) auf dem Stuttgarter Rasen waren die Bedingungen ganz besondere. Manche Spieler kamen quasi direkt aus dem Urlaub zum Nationalteam. Doch gerade die deutsche Elf spulte ein enormes Laufpensum ab - die Erschöpfung war einigen Spielern in der Schlussphase deutlich anzumerken.

Mann gegen Mann über den gesamten Platz

Bundestrainer Joachim Löw setzte gegen Spanien auf ein 3-4-1-2-System, in dem Emre Can etwas überraschend statt Matthias Ginter verteidigen durfte, Julian Draxler erhielt den Vorzug im offensiven Mittelfeld.

Gerade die erste Hälfte war taktisch sehr interessant zu beobachten. Die DFB-Elf nahm sich vor, von Beginn an hoch zu pressen: Sané und Werner liefen die spanischen Innenverteidiger als eine Art Doppelspitze an, Draxler sollte dahinter Sechser Busquets aus dem Spiel nehmen. Insgesamt ergaben sich über den gesamten Platz Eins-gegen-eins-Duelle, aus denen sich die Spanier zwar häufiger mal lösen konnten, am Ende aber eher ungefährlich blieben.

Die Erkenntnisse der Partie:

1. Dreierkette eine gute Option, aber...

Auch für Can war es eine intensive Partie
Auch für Can war es eine intensive Partie / Matthias Hangst/Getty Images

Löw vertraute zuletzt häufiger auf eine Dreierabwehr, die defensiv mit den beiden Außenspielern zu einer Fünferkette werden kann. Als rechten Innenverteidiger bot Löw Emre Can auf, Süle verteidigte in der Mitte, Rüdiger spielte links. Davor besetzten Neuling Robin Gosens (links) und Thilo Kehrer (rechts) den Flügel.

Gegen das hohe spanische Pressing fehlten oftmals die Lösungen im Spielaufbau. Das lag vor allem daran, dass häufig der Mut fehlte, Bälle in die nächste Ebene zu bringen oder schnell zu verlagern. Vor allem bei diagonalen Pässen gegen die stark auf die Ballseite verschiebenden Spanier - egal ob hohe Verlagerungen oder flache Pässe zum ballfernen zentralen Mittelfeldspieler - wurde es gefährlich. Den Mut, diese durchaus engen Fenster zu treffen, zeigten die DFB-Abwehrspieler aber noch zu selten.

Unpopular Opinion: Süle in der Dreierkette rechts, Can in die Mitte - Kehrer als Außenverteidiger vor der Dreierkette fehlbesetzt

Drei Dinge fielen besonders auf:

  • Im Kombinationsspiel hat Kehrer enorme schwächen. Der PSG-Verteidiger ist nicht ballsicher genug - besonders gegen Gegner wie Spanien, die früh attackieren. Gesehen hat man das nicht nur am Donnerstagabend, sondern auch kürzlich in der Champions League. Kehrer wäre eher schon ein Kandidat für die Dreierkette.
  • Niklas Süle ist nicht die Optimalbesetzung als zentraler Spieler der Dreierkette. Ja, richtig gehört, der Bayern-Verteidiger machte zwar ein ordentliches Spiel und wartete mit einer Passquote von 98% auf, dennoch wäre er als rechter Teil der Dreierkette besser aufgehoben. Das liegt hauptsächlich am Aufbauspiel, bei dem Süle seine stärken rechts besser einsetzen kann. Zudem wurde gegen Spanien deutlich, dass er in der Mitte häufig nicht der Spieler war, um Pressingsituationen zu lösen. Es braucht dort einen Spieler, der sich bei Bedarf auch mal ins Mittelfeld vorschiebt und die Überzahl im eigenen Ballbesitz besser ausspielt. Anspiele mit dem Rücken zum Gegner und schnellere Drehungen sind Süles Sache (naturgegeben) nicht.
  • Emre Can kam in der Bewertung nach dem Spiel nicht sonderlich gut weg. Das lag daran, dass der Dortmunder einige haarsträubende Fehler in seinem Spiel hatte. Eine Gefahr, mit der man bei Can immer rechnen muss. Denn der ist zwar ein aggressiver und dynamischer Zweikämpfer und "Mentalitätsmonster", hat aber auch ziemliche technische Schwächen. Das Argument, Can hätte zu häufig den Ball gehalten, ist aber quatsch. Im Gegensatz zu einigen Kollegen, zeigte er deutlich mehr Mut in engen Situationen mit Ball. Can wäre als zentraler Spieler der Dreierkette deutlich wertvoller - muss dann aber seine Fehlerzahl deutlich minimieren.

2. Gosens eine ernsthafte Startelf-Option

Gosens mit einem gelungenen DFB-Debüt
Gosens mit einem gelungenen DFB-Debüt / Matthias Hangst/Getty Images

Robin Gosens' Debüt in der DFB-Elf war überfällig. Der Atalanta-Linksverteidiger sollte es eigentlich schon vor der Corona-Unterbrechung geben. Dass Löw ihm auf Anhieb in der Startelf vertraute, spricht Bände. Gosens ist dynamisch, technisch gut und scheint darüber hinaus auch ein guter Typ zu sein (Stichwort: Mentalität). In Ansätzen konnte er das auch gegen Spanien zeigen - sein Assist für Werner führte vor Augen, dass Gosens seine Stärken vor allem im schnellen (Umschalt-)Spiel nach vorne hat. Eine Qualität, auf die der Bundestrainer besonders setzen möchte.

Und so kann man davon ausgehen, dass Gosens ein fester Bestandteil des DFB-Teams bis zur EM bleiben wird. Einziger "natürlicher" Konkurrent derzeit, ist Leipzigs Marcel Halstenberg. Der RB-Verteidiger spielte in der abgelaufenen Saison aber häufiger etwas zentraler - vor allem als linker Part in einer Dreierkette. Hier zeigt sich Halstenberg enorm abgeklärt und pressing-resistent. Seine größte Schwäche ist dagegen das etwas fehlende Tempo.

Unpopular Opinion: Gosens muss auf links bleiben, Halstenberg erste Wahl als linker Innenverteidiger

3. Draxler hat in der Startelf nichts verloren

Draxler drufte mal wieder von Beginn an ran
Draxler drufte mal wieder von Beginn an ran / Matthias Hangst/Getty Images

PSG-Dauerreservist Julian Draxler genießt bei Löw weiter einen hohen Stellenwert. Gegen Spanien durfte er von Beginn an ran - und hatte auch einige gute Aktionen, bei denen man sah, dass Draxler eine feine Technik besitzt.

Dennoch muss man festhalten, dass ihm die Durchschlagskraft komplett abgeht. Nur selten kann er sich durchsetzen, nur ganz selten kommt wirklich etwas Produktives dabei herum, wenn Draxler am Ball ist.

Popular Opinion: Auf Draxlers Position ist die DFB-Elf so gut besetzt, dass er im Nationalteam nichts mehr zu suchen hat.