Deutschland bei der EM 2020: Kann Löws Abschied der Mannschaft Flügel verleihen?

Deutschland will sich für die WM 2018 rehabilitieren
Deutschland will sich für die WM 2018 rehabilitieren / Lars Baron/Getty Images
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Am 11. Juni 2021 beginnt mit einem Jahr Verspätung die Euro 2020. Im Vorfeld des Turniers werfen wir einen Blick auf die teilnehmenden Nationen und stellen Schlüsselspieler vor. Zudem findet ihr bei uns die Termine und möglichen Aufstellungen aller 24 Mannschaften.

Deutschland blamierte sich bei der WM 2018, als man schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten musste - als Gruppenletzter. Bundestrainer Joachim Löw machte jedoch weiter und sortierte mit Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller gleich drei verdiente Spieler aus.


Zwei davon holt Löw nun wieder zurück, da der geplante Umbruch eher suboptimal verlief und eine Wiederholung von 2018 um jeden Preis vermieden werden soll. Nach der Euro 2020 wird der "Bundes-Jogi" dann tatsächlich sein Amt niederlegen.

Ob die deutsche Mannschaft das Abschiedsturnier ihres jahrelangen Vorgesetzten nutzen kann, um sich für das Abschneiden bei der letzten Weltmeisterschaft zu rehabilitieren, bleibt abzuwarten. Denn in der Todesgruppe F muss man gegen Frankreich, Portugal und Ungarn antreten.

Der Kader

Jerome Boateng wird sich die Euro 2020 zwar am Fernseher anschauen müssen, doch mit Mats Hummels (32, BVB) und Thomas Müller (31, FC Bayern) wurden reaktiviert und werden gesetzt sein. Der nach der blamablen WM geplante Umbruch wurde also zugunsten des anstehenden Turniers vorerst auf Eis gelegt.

Denn obwohl der Kader viele zukunftsträchtige Spieler beinhaltet, schafften es die Verantwortlichen und das Team nicht, eine funktionierende Hierarchie zu entwickeln. Die Pandemie wurde hier mehrfach als Hauptgrund angeführt - naja.

Also wurden mit Hummels und Müller zwei echte Anführer aus der Mottenkiste geholt, um die Ansammlung von talentierten Leisetretern zu leiten. Erstaunlicherweise könnte diese letzte Maßnahme des scheidenden Bundestrainers funktionieren.

Im Tor wird es keinen Zweifel geben. Manuel Neuer (35, FC Bayern) führt das Team als Kapitän auf das Feld und zudem sagte sein ärgster Rivale Marc-André ter Stegen die EM verletzungsbedingt ab. Mit Bernd Leno (29, FC Arsenal) und Kevin Trapp (30, Frankfurt) werden zwei erfahrene Keeper ihre Rolle auf der Bank lautlos akzeptieren.

In der Abwehr einigte man sich nach vielen gescheiterten Experimenten auf eine Rückkehr von Mats Hummels als Chef. Die Vorbereitung auf die Euro 2020 ließ erkennen, dass man wohl mit einer Dreierkette rechnen kann.

Matthias Ginter (27, Gladbach) hat sich mittlerweile festgespielt im DFB-Team und wird froh sein, dass er nicht auf der ungeliebten Position des Rechtsverteidigers eingeplant wird. Die Abwehrreihe komplettieren wird Antonio Rüdiger (28, FC Chelsea), der sich unlängst den Henkelpott sicherte und generell eine starke Saison hinter sich hat. Robin Koch (24, Leeds), Niklas Süle (25, FC Bayern) oder auch Emre Can (27, BVB) werden auf ihre Chance warten müssen.

Das Problem des Überangebots in der Zentrale, wo sich mit Ilkay Gündogan (30, Man City), Toni Kroos (31, Real Madrid), Joshua Kimmich (26, FC Bayern) und Leon Goretzka (26, FC Bayern) gleich vier Hochkaräter um zwei frei Plätze bewarben, scheint sich geklärt zu haben. Denn während Goretzka an einem Muskelfaserriss laboriert, scheint Löw die rechte Außenbahn mit Kimmich besetzen zu wollen.

Auf der Gegenseite hat der zuletzt überzeugende Robin Gosens (26, Atalanta) die besten Karten. Die Alternativen für die linke Bahn Marcel Halstenberg (29, Leipzig) und Christian Günter (28, Freiburg) werden es genau so schwer haben, auf Einsätze zu kommen, wie Lukas Klostermann (25, Leipzig) auf der anderen Seite. Denn mit dem vielseitigen Jonas Hofmann (28, Gladbach) benannte Löw bereits explizit eine Option, um Kimmich wieder in die Zentrale ziehen zu können.

Im Angriff wird Thomas Müller nach seiner Rückkehr den Takt vorgeben - "Radio Müller" soll senden und hinter einer Doppelspitze die eigene Offensive dirigieren. Da Serge Gnabry (25, FC Bayern) seinen Platz unter Löw sicher hat, fehlt nur noch ein geeigneter Partner im Sturm.

Hier könnte Löw sich für den 21-Jährigen Kai Havertz entscheiden, der mit seiner Spielstärke die perfekte Ergänzung zum schnellen Gnabry darstellen würde. Sein Tor sicherte dem FC Chelsea den Henkelpott und zudem konnten Timo Werner (25, FC Chelsea) und Leroy Sané (25, FC Bayern) im DFB-Team bis hierhin meist nur in Ansätzen überzeugen.

Kevin Volland (28, AS Monaco), Florian Neuhaus (24, Gladbach) und Jamal Musiala (18, FC Bayern) werden als Ergänzungsspieler eingeplant, die ihre Momente jedoch bekommen werden.

Die mögliche Aufstellung der DFB-Elf:


Der Schlüsselspieler - Thomas Müller

Thomas Müller
Thomas Müller soll den deutschen Angriff organisieren / Alexander Hassenstein/Getty Images

Kein anderer Spieler verkörperte den Erfolg der DFB-Auswahl in den zurückliegenden Jahren wie Thomas Müller. Der Weltmeister von 2014 wurde eigentlich als einer von drei Spielern nach der WM 2018 "beurlaubt" und soll nun wieder einen Fixpunkt in der Mannschaft darstellen.

Glücklicherweise ist Müller nicht nachtragend und wird die ihm zugetragene Rolle annehmen. Dabei wird der 31-Jährige nicht nur die eigene Offensive ordnen müssen, sondern als Lautsprecher und Motivator gefragt sein - auf und neben dem Platz.


Der Aufstrebende - Kai Havertz

Kai Havertz
Kai Havertz meldet sich rechtzeitig zurück / Lars Baron/Getty Images

Anders als Florian Neuhaus oder Jamal Musiala hatte Havertz bereits vor einiger Zeit seinen Stempel bei der DFB-Elf hinterlassen. Doch schien ihm sein Wechsel im Sommer 2020 zum FC Chelsea weniger gut zu tun.

Spätestens nach der dortigen Übernahme von Trainer Thomas Tuchel und dem folgenden Titel in der Champions League ist Havertz wieder randvoll mit dem für Spieler so wichtigen Selbstvertrauen. Bei der Euro 2020 könnte der 21-Jährige sich endgültig in der Nationalmannschaft etablieren.


Die Problematik: Aktionismus oder klarer Plan?

Joachim Low
Joachim Low geht in sein letztes Turnier / Pool/Getty Images

Die Rückkehr von Hummels und Müller war überfällig, könnte aufgrund des späten Vollzugs jedoch auch als Aktionismus gelten. Besonders in der Abwehr zeigte sich die DFB-Elf in den vergangenen Monaten wenig sattelfest und ob Hummels in der Kürze der Zeit einen neuen Geist in die Defensive tragen kann, ist fraglich.

Ebenso sprechen die zu erwartende Umstellung auf eine Dreierkette und die dann folgende Versetzung von Kimmich auf die rechte Bahn dafür, dass hier sehr kurzfristig eine neue Herangehensweise gewählt wurde.

Sicherlich verfügt das deutsche Team über eine starke individuelle Klasse, doch galt dies auch vor der WM 2018. Daher trifft es sich eventuell ganz gut, dass man gleich im ersten Spiel auf den amtierenden Weltmeister treffen wird und zudem alle drei Gruppenspiele in München austragen darf.

Die Außenseiter-Rolle scheint der Turniermannschaft zu liegen, letztlich wird das Abschneiden bei der Euro 2020 auch Löws Werdegang maßgeblich beschreiben. Vom Gruppensieg bis zum dritten Platz scheint alles möglich für das deutsche Team, welches gewissermaßen als Wundertüte gelten muss.


Die Termine Deutschlands in der Vorrunde:

Dienstag, 15,05.2021, 21:00 Uhr: Frankreich - Deutschland (München)

Samstag, 19.06.2021, 18:00 Uhr: Portugal - Deutschland (München)

Mittwoch, 23.06.2021, 21:00 Uhr: Deutschland - Ungarn (München)