Weihnachtsfriede: Als deutsche und britische Soldaten während des Weltkriegs Fußball spielten

Commemorative WW1 Football Match
Commemorative WW1 Football Match / Ian Forsyth/Getty Images
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Es ist eine schon traditionelle Geschichte geworden, dass sich britische und deutsche Soldaten inmitten einer der größten Tragödien der Geschichte - dem Ersten Weltkrieg - während des berühmten Weihnachtsfriedens im Jahr 1914 im Niemandsland trafen, um dort zusammen Fußball zu spielen. Eine anrührende Geschichte, die die Menschlichkeit in solch dunklen Stunden hervorhebt.

Der Weihnachtsfrieden 1914, während des grauenhaften Ersten Weltkriegs, prägt noch immer ein ebenso mächtiges wie wundervolles Bild. Dass sich diese Männer zu einer gemeinsamen Partie Fußball trafen, ist häufig Teil dieser Erzählungen. Oft wird das Bild von völlig unterschiedlichen Soldaten gezeichnet, die zumindest für einen Abend die Waffen beiseite legten und über die Sprachverständigung hinweg, zusammen und in Frieden Fußball spielten. 

Zu schön, um wahr zu sein?

Oftmals wird der Weihnachtsfriede 1914 als einer, wenn nicht gar der erste dieser Art bezeichnet - ein häufiges Missverständnis. Die "leben und leben lassen"-Einstellung des Ersten Weltkriegs bedeutete wiederholt, dass sich die beiden kämpfenden Seiten auf einen Waffenstillstand einigen konnten, um die Gräben erneut zu festigen, die Verwundeten zu pflegen und um die Toten zu begraben. 

Dabei war es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass beide Seiten gleichzeitig aus ihren Gräben kamen und sich so trafen. Normalerweise wechselte man sich ab, um Reparaturen abzuschließen oder Körper vom Schlachtfeld zu tragen, während die Feinde in ihrem Gebiet warteten, bis man selbst an der Reihe war. Die hochrangigen Kommandeure wollten nicht, dass sich die Soldaten untereinander verbrüdern konnten. 

Am Weihnachtsabend 1914 bemerkten einige britische Soldaten jedoch, dass Lichter und glitzernde Bäume auf deutschem Gebiet aufgestellt wurden. Gesänge von "Stille Nacht" wanderten durch die kalte Luft der Nacht. Die Briten hörten gespannt zu, gar ehrfürchtig, ehe sie den Feinden applaudierten, als sie ihr Lied beendet hatten. Anschließend stimmten auch die britischen Soldaten mit "The First Noel" ein Weihnachtslied an, für das sie ebenfalls Applaus von der anderen Seite bekamen. 

Nachdem noch weitere Lieder gesungen wurden, sollen es die Deutschen gewesen sein, die einen Waffenstillstand begehrten. Je ein Mann von jeder Seite trat aus dem Graben hervor, sodass sie sich in der Mitte trafen und die Hände schüttelten, bevor sie zurück zu ihren Kameraden wanderten und ihnen mitteilten, dass die Luft rein war. "Und dann rannten wir heraus, wie eine Menge an Fußballzuschauern", erinnert sich Leslie Walkington von der Queen's Westminster Rifles.

Niemand bezweifelt diesen Ablauf der Geschichte. Es gibt mehr als genug Beweise dafür, dass es einen zwischenzeitlichen Frieden gab, dass gemeinsam gesungen wurde und dass sich die Soldaten im Niemandsland trafen, um Alkohol, Zigaretten und weitere Geschenke auszutauschen. 

Der einzige Aspekt, auf den sich wohl niemand so richtig einigen kann, ist der des Fußballspielens. Manche Dinge ändern sich eben nie. 

In einem Brief, den er zu dieser Zeit schrieb, erzählte Walkington: "Manche von ihnen versuchten ein Fußballspiel zu organisieren, aber es kam schließlich nicht zustande." Malcom Brown und Shirley Seaton erklärten in ihrem Buch über den Weihnachtsfrieden (1984), dass die Gegebenheiten des Bodens keine Möglichkeit zum Spielen ergeben hätten - immerhin war dieser von Kratern zerpflügt und dazu noch gefroren. 

Dennoch schwören andere, dass es ein Match gab. Der deutsche Leutnant Kurt Zehmisch behauptet, dass ein "unglaublich wundervolles" Spiel gespielt und der Ball von den Briten zur Verfügung gestellt worden war. Sein Kamerad, Leutnant Johannes Niemann, erzählte zudem, man habe Kappen und Mützen als Torpfosten benutzt. 

Dazu gibt es mindestens drei Quellen, welche sich auf ein Ergebnis des Spiels einigen. Die Neujahrs-Edition der Times von 1915 berichtete damals, dass britische Soldaten "ein Spiel gegen die Deutschen ausgetragen und 3:2 verloren haben". Auch Niemann behauptete, das Resultat sei ein 3:2 für die deutschen Soldaten gewesen, so auch der britische Offizier Robert Graves in seinem 1962 rekonstruierten Weihnachtsfrieden. 

Mehr als ein Jahrhundert später glaubt auch der britische Militär-Historiker Taff Gillingham, dass er weitere Beweise gefunden habe, die belegen, dass in der Tat Fußball gespielt wurde. Er hatte einen Brief des Corporal Albert Wyatt des Norfolg Regiments ausfindig machen können, in dem auch Wyatt berichtete, er habe am Weihnachtsabend mitgespielt. Das wird von einem weiteren Brief unterstützt: Auch Sergeant Frank Naden, vom 1/6tel Cheshires Korps, berichtete vom Gekicke im Niemandsland. 

Die beiden Regimente, zu welchen diese Männer gehörten, waren nachweislich an der Frontlinie stationiert, an der es den Weihnachtsfrieden gab. Das würde für wasserdichte Beweise sprechen. Vor 105 Jahren haben also britische und deutsche Soldaten gemeinsam Fußball gespielt, auf einem gefrorenen Feld im Norden Belgiens.

Die Größe des Spiels ist jedoch noch immer fraglich. Ein Brite namens Ernie Williams sagte: "Ich denke es waren mehr als ein paar Hunderte, die teilnahmen." Mark Connelly, Professor der Modernen Britischen Geschichte an der Kent-Universität, denkt wiederum, dass es unwahrscheinlich sei, dass es im Grunde mehr gewesen sei als "ein paar Männer die den Ball etwas umherschossen". 

Am Ende ist es jedoch nicht allzu wichtig, was genau passiert war. Die Tatsache, dass so viele Soldaten die Geschichte des Fußball-Weihnachtsfriedens erzählen, zeigt zumindest, dass sie diese Geschichte so gerne wahrhaben wollen, wie auch wir.

Ob es nun ein richtiges Spiel gab, oder nur freundschaftliches Gekicke, ob sie mit einem echten Ball spielten oder mit einer Trockenfleisch-Dose, das ist am Ende doch zweitrangig. Gegen ihre Befehle haben hunderte Männer ihre Waffen niedergelegt, manche haben mit ihren Feinden Fußball gespielt. Ein Weihnachtswunder unter den ungewöhnlichsten, schrecklichsten und unwahrscheinlichsten Umständen. 


Quellen: ​BBC Guides, ​History Extra, ​Wikipedia, ​Guardian, ​CNN