Borussia 2.0 - wie Marco Rose die Fohlen auf die nächste Stufe bringt

Marco Rose (re.) und sein Stab bringen die Borussia auf die nächste Stufe
Marco Rose (re.) und sein Stab bringen die Borussia auf die nächste Stufe / Andreas Schaad/Getty Images
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Immer und immer wieder muss Trainer Marco Rose die Fragen zu seiner Einschätzung des aktuellen Leistungsniveaus von Borussia Mönchengladbach ertragen. Beobachtet man die Fohlen momentan auf dem Platz, dann kann man sich diese Fragen allerdings schenken - Gladbach ist einfach gut und mitten in der nächsten Entwicklungsstufe.

Zum Auftakt der zweiten Bundesliga-Saison unter Marco Rose und dessen Stab verlor die Borussia mit 0:3 in Dortmund. Dabei präsentierte man sich besonders in der zweiten Halbzeit erschreckend harmlos in der Offensive. Auch beim 1:1 gegen Union Berlin oder dem 2:2 in Mailand tat man sich lange schwer, die aus der letzten Spielzeit gewohnte Leichtigkeit beim Kreieren von Torchancen an den Tag zu legen.

Spätestens mit dem Unentschieden gegen Real Madrid und dem historischen Sieg gegen Leipzig wurde aber deutlich, dass die vorangegangenen "Erkenntnisse" ein kleiner Trugschluss waren, denn die Borussia verfolgt weiterhin einen klaren Plan und befindet sich auf dem besten Weg, den nächsten Sprung in der Entwicklung zu machen - auch angepasst an den engen Terminkalender.

Effizienz, Kompaktheit, Vertrauen - Rose und sein Team ziehen die richtigen Schlüsse

In seiner ersten Saison am Niederrhein konnte Rose einen wahren Hype in und um Mönchengladbach herum entfachen. Die Spieler waren sichtbar euphorisiert von den Worten und Vorgaben des Trainers und seines Teams um Alexander Zickler, Frank Geideck und René Maric und begeisterten die Fans und die Liga mit ansehnlichem Offensiv-Geist. Über Wochen grüßte die Borussia von der Tabellenspitze - allerdings nur in der Hinrunde.

Der anfängliche Adrenalin-Schub forderte spätestens zum Ende der ersten Saison-Hälfte seinen Tribut und die Borussia verlor gegen Basaksehir und in Wolfsburg Spiele in den letzten Sekunden, die sie zuvor gegen Rom oder Düsseldorf noch selbst in der Schlussphase drehen konnte. Letztlich brachen in der Rückrunde dann mit Alassane Plea und Marcus Thuram noch zwei wichtige Stützen aufgrund von typischen "Ermüdungserscheinungen" weg und die gesamte Mannschaft wirkte ausgelaugt.

Dies ist selbstredend keine Kritik an der Arbeit Roses oder der medizinischen Abteilung. Es soll nur veranschaulichen, dass der Power-Fußball eben auch seine Schattenseiten hat.

Funktionierende Änderungen zur Saison 2020/21

In dieser Saison scheint die Borussia einen leicht anderen Weg zu wählen. Als Basis nimmt man die in der letzten Saison erarbeitete Basis, darin vertrauen zu können, dass man immer in der Lage ist, Tore zu erzielen, ohne permanent im gegnerischen Strafraum präsent sein zu müssen. Darauf aufbauend scheinen die Spieler nun unnötige Wege und Sprints bewusst zu vermeiden und noch geschlossener als in der letzten Saison einen klaren Matchplan zu verfolgen.

In Dortmund und Mailand sah dies noch nach Ideenlosigkeit und Ehrfurcht aus, doch gegen Madrid und im Besonderen gegen Leipzig war erkennbar, dass sich die neue Kompaktheit als Mittel zur Weiterentwicklung entpuppt. Rose will im zweiten Jahr das Repertoire seiner Mannschaft erweitern und setzt deshalb auf Effizienz und Geduld - zwei Dinge, die sich schlecht trainieren lassen und einem Team eher im Dialog und durch positive Ergebnisse implementiert werden können.

Ginter und Elvedi freuen sich über die neue Kompaktheit
Ginter und Elvedi freuen sich über die neue Kompaktheit / DeFodi Images/Getty Images

Die Mannschaft scheint den Anweisungen zu folgen und die Fohlen springen nun immer öfter nur so hoch, wie sie müssen. Der absurd überladene Spielplan und die damit verbundene Belastungssteuerung spielen sicherlich auch eine Rolle in dieser Herangehensweise des Trainer-Teams. Der Gladbacher Kaderist zwar breit aufgestellt, doch 1:1 sind nur wenige Spieler zu ersetzen.

Dosierung ist das Stichwort. Pressing und kontrollierte Defensive wechseln sich mit Ballbesitz-Phasen ohne wirklichen Raumgewinn ab, mit jedem positiven Resultat steigt zudem das Vertrauen in die eigene Stärke - Attribute eines Spitzen-Teams.

Arbeitet die Mannschaft weiterhin so fokussiert an ihrer Entwicklung, dann kommt die aus der letzten Saison bekannte Leichtigkeit von ganz allein wieder.

Dreierkette vorerst abgelegt - offensive Klasse als Trumpf

Seitdem die längere Ausfallzeit von Denis Zakaria Realität wurde, betonte Marco Rose, dass man den Schweizer nicht 1:1 ersetzen könne. Mehrere Schultern sollten das Fehlen des absoluten Schlüsselspielers tragen - und mehrere Schultern tun dies auch.

Während Gladbach zum Saisonstart in Dortmund noch mit der Dreierkette Elvedi-Ginter-Bensebaini startete, kehrte man ab dem zweiten Spieltag davon ab. Fortan waren Lainer, Ginter Elvedi und Bensebaini in der Viererkette gesetzt - Zakarias Verletzung spiegelt sich im System wieder. Nur einmal spielte in der Folge mit drei Mann in der Abwehr, doch lag man in Mainz zur Halbzeit zurück und stellte wieder um.

Besonders auffällig dabei ist, dass Rose in seiner ersten Saison die Dreierkette meist gegen spielstarke Top-Mannschaften brachte, doch gegen Inter, Real und Leipzig setzte er auf ein eher klassisches 4-2-3-1, was sich im Spiel dann sehr variabel präsentierte. Besonders Bensebaini sei hier hervorgehoben, der scheinbar ohne Probleme innerhalb von Sekunden zwischen Linksverteidiger, Linksaußen und Innenverteidiger wechseln kann - sein Einleiten des Siegtreffers gegen Leipzig kann hier als Exempel fungieren.

Dass die Borussia ungeschlagen aus den drei Duellen gegen die Top-Teams ging und dabei auch neun Punkte nicht auszuschließen waren, scheint Roses Wahl zu bestätigen. Doch ein wichtiger Faktor dafür war sicherlich auch die neue Effizienz der eigenen Offensive.

Plea und Thuram brauchen nicht viele Chancen
Plea und Thuram brauchen nicht viele Chancen / DeFodi Images/Getty Images

Denn Inter, Real und auch Leipzig konnten sich am Ende jeweils über eine gewonnene Torschuss-Statistik freuen - doch der Borussia war das ziemlich egal. Denn scheinbar hat die Mannschaft mittlerweile die Ruhe entwickelt, nicht jeden Angriff irgendwie abschließen zu wollen, sondern auf den richtigen Moment zu warten, um dann zuzuschlagen - siehe Thurams Doppelpack gegen Madrid, Hofmanns Treffer in Mailand oder Wolfs Siegtor gegen Leipzig. Hätte Plea seine Riesen-Chance zum zwischenzeitlichen 3:0 gegen Real gemacht, wäre es wohl auch ein Dreier gegen die Königlichen geworden und auch der ungeduldigste Fan wäre überzeugt gewesen.

Doch die Borussia befindet sich weiterhin im Prozess und Rose und sein Team werden weiterhin genug Verbesserungspotenzial erkennen. Als Anhänger sollte man den momentanen Ansatz der Fohlen gutheißen und die nötige Geduld aufbringen, statt vom fehlenden Hurra-Fußball enttäuscht zu sein - Rose wird auch noch eine dritte Saison in Gladbach arbeiten und die Anzeichen sind erkennbar, dass er dann die anfängliche Euphorie mit der momentanen Rationalität kombinieren wird.