Laportas Bilanz nach einem halben Jahr als Barça-Präsident: "Ich bedaure nichts!"

Noch mehr "culé" als je zuvor: Barça-Boss Joan Laporta
Noch mehr "culé" als je zuvor: Barça-Boss Joan Laporta / Quality Sport Images/Getty Images
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Ein halbes Jahr ist Barcelonas Klub-Präsident Joan Laporta nun im Amt. Sechs Monate voller Emotionen, negativer (Messi) wie positiver (Pokalsieg). Grund genug für ihn, im TV-Format Onze ("Elf") des katalonischen Senders Esport 3, seine ersten 180 Tage als Klub-Boss Revue passieren zu lassen.


Laporta bedauert nichts

Die vielleicht wichtigste Frage stellte ihm Moderator Xavier Valls gleich zu Beginn des Gesprächs. Nämlich ob er seine Entscheidung bedaure, sich zur Wahl gestellt zu haben. "Ich bedaure es nicht. Die, die wir den FC Barcelona lieben, bedauern es nicht. Ich habe mehr Lust, als je zuvor. Wir sind hier, um den Klub besser zu machen."

Doch natürlich kommt auch Laporta an der Wirklichkeit nicht vorbei. Und so erkennt er auch durchaus die dramatische Lage des Giganten an: "Der Patient ist auf der Intensiv-Station, aber mit Anzeichen der Besserung."

Über die gescheiterte Vertragsverlängerung mit Lionel Messi

Zum Thema Messi schien sich Laporta nicht mehr als irgendwie nötig auslassen zu wollen. "Es ist das passiert, was wir auch schon erklärt haben. Wir wurden genötigt. Uns wurde gesagt: 'Entweder unterschreibt ihr das mit CVC [ein von der Liga eingefädelter Deal, Anm. d. Red.] oder ihr habt keine Chance beim fair play.' Aber das bedeutete, die audiovisuellen Rechte für 50 Jahre zu belasten."

"Deshalb entschieden wir zunächst, nicht zu unterschreiben. Wir hatten eine Vereinbarung über zwei Jahre, die die Liga zunächst nicht akzeptierte. Dann wurde nachverhandelt und ein Abkommen über fünf Jahre getroffen, welches die Liga schon besser ansah. Aber am 5. August sagte uns die Liga dann, dass wir das Abkommen mit CVC unterschreiben müssten. Zu diesem Zeitpunkt bewegten wir uns schon in objektiven Kriterien. Wir konnten nicht mehr warten, und sie auch nicht."

Lionel Messi
Der große, zerplatzte Traum des Joan Laporta: Lionel Messi weiterhin im Barça-Dress spielen zu sehen / Eric Alonso/Getty Images

Insgesamt sei es nun gelungen, das Gehaltsvolumen zu senken. Natürlich auch durch den Last-Minute-Verkauf von Antoine Griezmann. "Wir haben eine deutliche Senkung des Gehaltsvolumens geschafft, von 110 Prozent auf 80 Prozent. Das war nicht leicht, und ich möchte mich an dieser Stelle bei Mateu Alemany und Ferran Reverter, unserem Geschäftsführer bedanken."

Auch bei den Spielern, die zu Gehaltseinbußen bereit waren, bedankte sich der Klub-Chef. "Mit Gerard Piqué, Jordi Alba, Sergio Busquets und Sergi Roberto, der der nächste sein wird, haben wir echte Helden. Das haben sie aus Liebe zum Klub getan."

Über Koeman

Über seinen Trainer verlor Laporta ebenfalls nur lobende Worte. "Ich mag Koeman als Trainer. Das Team hat mir gegen die Real Sociedad sehr gut gefallen. Auch in Bilbao. Dort hat der Gegner nur auf den Schlusspfiff gewartet. Nicht viele Mannschaften werden im neuen San Mamés gewinnen. Jedenfalls hat Koeman meine vollste Unterstützung. Der Stil von Johan [Cruyff, Anm. d. Red.] ist nicht verhandelbar - und Koeman ist ein totaler Cruyff-Fan."

Ronald Koeman
Laporta steht voll hinter ihm: Ronald Koeman / David Ramos/Getty Images

Tatsächlich soll Laporta in seinem Büro eine lebensgroße Fotografie des Helden von Wembley 1992 hängen haben. "Als Fußball-Fan habe ich mich bisweilen gegenüber einigen Ihrer Kollegen mal zu gewissen Kommentaren hinreißen lassen, aber dennoch respektiere ich Koeman total. Und so habe ich auch nie öffentlich gefordert, dass Riqui Puig spielen müsse."

Laporta vergleicht de Jong mit Salinas

Über die letzte, und für einige Beobachter etwas ungewöhnliche Verpflichtung, nämlich die von Luuk de Jong, bemerkte Laporta vielsagend: "Er ist Holländer. Im Dream-Team hatten wir auch einen Salinas im Kader. Jordi [Cruyff, Anm. d. Red.] hat gesagt, dass sogar sein Vater ab und zu Entscheidungen traf, die außerhalb der Norm lagen."

Julio Salinas, zum besseren Verständnis, galt während seiner aktiven Zeit nicht unbedingt als Ball-Ästhet. Tore hat der schlaksige Stürmer dennoch einige für Barça erzielt (60 in 146 Spielen).

Über Griezmann

Antoine Griezmann
Geht jetzt für Atlético auf Torejagd: Antoine Griezmann / Quality Sport Images/Getty Images

Bezüglich des Abgangs von Antoine Griezmann beschränkte sich Laporta auf die üblichen Floskeln in diesem Geschäft. "Es gab spezielle Umstände. Alle haben wir uns mehr versprochen, aber ich kann ihm in puncto Einstellung keine Vorwürfe machen. Wir wissen alle, was für ein Spielertyp er ist. Bei uns hat es für ihn einfach nicht gepasst, aber er hat sich hier immer absolut korrekt verhalten. Ich habe ihm für die Zukunft, die sportliche als auch private, alles Gute gewünscht."

Über das Projekt Superliga

Und natürlich konnte auch die Frage nach der Superliga nicht fehlen. An der hält Laporta, zusammen mit seinen Amtskollegen in Madrid und Turin, weiterhin fest. "Das Projekt lebt noch. Die drei Klubs, die wir stark geblieben sind, haben vor den Gerichten bislang alles gewonnen. Die UEFA kann nichts dagegen tun, dass die Superliga weiter voranschreitet. Die gegen uns eröffneten Verfahren mussten sie einstellen und die Strafen gegen die englischen Klubs zurückziehen."

Freilich weiß auch Laporta, dass der Weg durch die gerichtlichen Instanzen noch nicht beendet ist, wenn er sagt: "Wenn das Projekt Realität wird, müssen sie [die Verantwortlichen der UEFA, Anm. d. Red.] sich positionieren. Viele Klubs bitten uns, weiter zu machen. Es waren ja sie, die das Ganze ins Rollen gebracht haben, sich dann aber großem Druck ausgesetzt sahen."

Über Neymar

Neymar da Silva Santos Junior, Neymar Jr
Seine Rückkehr war finanziell nicht darstellbar: Neymar / Power Sport Images/Getty Images

Während des Interviews gab Laporta auch unumwunden zu, dass der Klub in diesem Sommer Neymar zurückholen wollte. "Wir hatten gehört, dass auch er verrückt danach war, wieder zu uns zu kommen." Doch der Deal scheiterte an den finanziellen Realitäten.

An denen auch die vorherige Klub-Führung nicht frei von Verantwortung war. Wie die interne Untersuchung ergeben habe, gab es "Fehler und Unregelmäßigkeiten. Manche Dinge könnten kriminell gewesen sein, den Tatbestand der Korruption erfüllt haben. Was wir mit den internen Untersuchungen erreichen wollen, ist, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden."

Über Piqué

Angesprochen auf Piqué als seinem möglichen Nachfolger kommentierte Laporta: "Ja, ich habe immer gesagt, dass er dazu in der Lage ist. Er hat alle Eigenschaften dafür." Den Surf-Vorfall [Piqué surfte kürzlich während und trotz seiner Verletzung, Anm. d. Red.] spielte Laporta runter:

Gerard Pique
Könnte irgendwann mal zum Klub-Boss werden: Gerard Piqué / Soccrates Images/Getty Images

"Er kennt sich und seinen Körper. Ich habe mit ihm gesprochen. Eine Bestrafung wird es nicht geben. Er hat mehr als einmal seine Liebe zum FC Barcelona bewiesen. Wie beim Pokalspiel gegen den FC Sevilla. Da verletzte er sich, spielte trotzdem weiter und schoss das Tor, das uns in die Verlängerung brachte. Ich glaub, wir werden bald wieder auf ihn zurückgreifen können."