Ballack fordert Bayern-Umbruch - Wie viel Wahrheit steckt in seiner Kritik?

Der FC Bayern befindet sich in der Krise. Zum ersten Mal seit 2011/12 droht eine titellose Saison. Ex-Bayern-Star Michael Ballack kritisiert den Verein deutlich. Wir blicken auf die Aussagen des 'Capitanos' und wie viel Wahrheit dahinter steckt.
Michael Ballack
Michael Ballack / Leon Kuegeler/GettyImages
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Im Interview mit dem kicker spricht der 47-Jährige über die Probleme des deutschen Rekordmeisters. Auch wenn aktuell darüber diskutiert wird, ob Bayern-Coach Thomas Tuchel nicht sogar schon vor seinem geplanten Aus am Ende der Saison den Verein verlassen sollte, ist Tuchel für Ballack nicht der Hauptschuldige.

Die schwache Form gehe von den Spielern aus: "Ich glaube, dass ein gewisser Sättigungsprozess bei den Spielern eingesetzt hat und das Selbstverständnis zur Eigenmotivation nicht mehr so da ist, wie das vielleicht in diesem so erfolgreichen Corona-Jahr 2020 der Fall war."

Dass diese Dynamik unabhängig vom Trainer durchaus vorhanden ist, zeigt, dass es bereits ähnliche Probleme unter Tuchel-Vorgänger Julian Nagelsmann gab. "Da waren auch schon unter Julian Nagelsmann entsprechende Tendenzen und Unzufriedenheiten im Verein zu erkennen.", so der ehemalige Nationalmannschafts-Kapitän.

Die individuelle Qualität sei nach wie vor gut genug. Nur bekomme es die Mannschaft nicht auf den Platz. "Bayern hat auf dem Papier auch in dieser Saison einen sehr guten Kader, deshalb muss man sich fragen: Warum sind solche Leistungen wie gegen Dortmund möglich?"

Ballack fordert Umbruch im Sommer: "Man muss an den Kader rangehen"

Entsprechend fordert Ballack einen Kader-Umbruch im Sommer. Dabei müssten die Verantwortlichen vor allem dafür sorgen, dass die fehlende Eigenmotivation zurück in die Mannschaft kommt. "Deshalb müssen die Verantwortlichen ganz klar den Hebel ansetzen, um wieder den Hunger reinzukriegen und um eine saubere Stabilität in den Themen Hierarchie und Gehaltsgefüge herbeizuführen. Man muss an den Kader rangehen", macht Ballack deutlich.

Seit der Triple-Saison 2019/20 ist die Punkteausbeute der Münchener in der Bundesliga stetig gefallen. 2020 holte der Rekordmeister noch 82 Punkte. In den darauffolgenden Saisons waren es in chronologischer Reihenfolge 78,77 und 71. Akutell steht die Mannschaft bei 60 Punkten nach 28 Spieltagen und hat mit sechs Saisonniederlagen bereits so häufig verloren wie seit der Saison 2011/12 nicht mehr.

Die von Ballack beschriebene negative Tendenz seit dem Champions-League-Sieg lässt sich also in Zahlen belegen. Fehlende Eigenmotivation kann sicherlich ein Faktor sein, allerdings stehen nur noch sieben Stammspieler aus der Saison 2019/20 im aktuellen Bayern-Kader. Darunter Manuel Neuer, Thomas Müller und Joshua Kimmich, denen es wohl kaum an Ehrgeiz mangeln dürfte. Hingegen haben Säulen des damaligen Erfolges wie David Alaba, Thiago und Robert Lewandowski den Verein verlassen.

Bayern-Neuzugänge enttäuschen häufig - Tuchel-Auftreten unsouverän

Für Lewandowski haben die Münchener - mit einer Saison Verzögerung - mittlerweile adäquaten Ersatz gefunden. Auf anderen Positionen enttäuschen die Nachfolger der Champions-League-Sieger jedoch weitestgehend. In der Innenverteidigung nahmen die Bayern-Verantwortlichen in den vergangenen Jahren dreimal viel Geld in die Hand. Jedoch kann bisher keiner der drei Neuzugänge die Lücke schließen, die dort seit dem Abgang von David Alaba zu Real Madrid klafft. Sowohl Matthijs de Ligt, als auch Dayot Upamecano und Kim Min-Jae pendeln immer wieder zwischen Startelf und Bank. Aktuell erhält sogar der als Notlösung gekommene Eric Dier regelmäßig den Vorzug vor Upamecano und Kim.

Einen 1:1-Ersatz für Thiago hat der FC Bayern nie verpflichtet, was zu dem im Sommer öffentlich ausgetragenen Konflikt zwischen Tuchel und der Bayern-Führung um eine 'Holding Six' führte. Für Tuchel war es die größte Baustelle im Bayern-Kader, keiner seiner Spieler könne diese Rolle ausführen - auch Joshua Kimmich nicht. Kimmich hatte 2020 teils noch als Rechtsverteidiger gespielt und war nach dem Thiago-Abgang auf die Position im zentralen Mittelfeld gerückt. Kimmich sei laut Tuchel zu offensiv denkend, um die Position vor der Abwehr zu begleiten. Eine valide Kritik - trotzdem fraglich, ob sie öffentlich geäußert werden musste.

Es lässt sich also festhalten, dass der aktuelle Kader nicht so gut zusammengestellt ist, wie der Kader in der Triple-Saison. Das ist als der größte Faktor für die negative Entwicklung auszumachen. Trotzdem ist Tuchel nicht so frei von der Schuld zu sprechen, wie es Ballack tut. Besonders sein öffentliches Auftreten in der Debatte um die 'Holding Six' hat dem Selbstvertrauen der bayrischen Mittelfeldspieler und dem Verhältnis zwischen Trainer und Team sicherlich geschadet. Insgesamt wirkte Tuchel in seiner Amtszeit selten souverän. Nach Niederlagen zeigte er sich oft genervt und stellte sich selten schützend vor die Mannschaft. Kein Auftreten, mit dem man aus einer Mannschaft das Beste herausholen kann, auch wenn sie mangelhaft zusammengestellt wurde.


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