Ausgliederungs-Pläne spalten Schalke: Tönnies mit gespaltener Zunge

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Inmitten der Coronakrise sind die äußerst begrenzten finanziellen Spielräume von Schalke umso deutlicher ersichtlich geworden. Vor einigen Wochen wurde rund um den Traditionsverein bereits lebhaft über die etwaigen Vor- und Nachteile einer Ausgliederung diskutiert - nun erklärte ausgerechnet Clemens Tönnies, dass bereits an Plänen gearbeitet wird. Damit würde er gegen eine eigene "feste Zusage" verstoßen.

Schalke ist finanziell nicht gesund. Das ist ein Einblick in die Realität des blau-weißen Traditionsvereins, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nicht mehr, weil der S04 damit nicht alleine steht: Einigen andere Bundesligisten ergeht es ähnlich, durch die Art und Weise des Sports sind viele Klubs auf Kante genäht, wie es so schön heißt. Nicht weniger, weil Königsblau Verbindlichkeiten von fast 200 Millionen Euro plagen. Die Coronakrise verschärfte die Situation zusätzlich, es schien eine ziemlich prekäre Situation zu werden.

Peter Peters kündigte den notwendigen Neu-Kredit an: Nun scheint er bewilligt zu sein
Peter Peters kündigte den notwendigen Neu-Kredit an: Nun scheint er bewilligt zu sein / TF-Images/Getty Images

Der Spiegel berichtete am Samstag, die Gespräche zwischen Finanzvorstand Peter Peters und Banken seien positiv verlaufen: Schalke wird erneut ein Kredit gewährt. Den hatte Peters bereits vor einigen Wochen als notwendig angekündigt. Damit kommt der Verein zwar durch die Coronakrise, doch gesund ist das selbstredend nicht - dazu werden weitere Schulden aufgebaut. Wenig verwunderlich also, dass das Thema einer Ausgliederung noch immer über dem wirtschaftlich stark angeschlagenen Verein hängt. Schon zu Beginn der Viruskrise wurde es von vielen Fans diskutiert, vor allem in den sozialen Netzwerken fand der rege Meinungsaustausch statt.

Tönnies erklärt Ausgliederung zum offiziellen Thema auf Schalke: "Parallel arbeiten wir das alles aus"

Zuletzt wurde es wieder ruhiger, was dieses emotionale Thema angeht. Die Geldsorgen waren erklärt, die Vor- wie Nachteile aufgearbeitet, der Spielbetrieb kam immer näher. Ausgerechnet nach dem so bitteren Restart-Match gegen Borussia Dortmund erklärte Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies bei Sky, intern wäre eine Ausgliederung weiterhin ein großes Thema (via Bild): "Wir diskutieren seit Jahren, ob wir nachhaltig ein traditioneller Fußballverein sein können. Gerade in Corona-Zeiten müssen wir nochmal darüber sprechen. Ziel ist es aber, alle mitzunehmen."

Damit hängt der in so manchen Fankreisen stark angezählte Tönnies das oftmals unbeliebte Thema wieder an die Spitze der Tagesordnung. Zudem verriet er indirekt, dass bereits mögliche Pläne ausgearbeitet werden: "Unsere 130.000 Mitglieder und fantastischen Fans müssen das mittragen. Ich sehe es nicht als Chance, sondern als Aufgabe des Aufsichtsrates, darüber zu diskutieren. [...] Parallel arbeiten wir aber das alles aus. Dann schauen wir mal."

Natürlich wäre ein solch monumentaler Schritt nicht im Vorbeigehen zu erledigen. Ganze 75 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung müssten einer Ausgliederung zustimmen. Die allermeisten Fans und Beobachter des S04 gehen davon aus, dass dies (zumindest momentan) nicht zu erreichen ist. Immerhin gibt es eine große Szene innerhalb des Klubs, die sich regelmäßig klar und deutlich für den Verbleib des Status als eingetragener Verein stark macht. Auch die großen Teile der Ultra-Szene sprechen für diese Meinung.

Die Tradition und der Status als e.V. haben bei großen Teilen der S04-Fans einen besonderen Stellenwert
Die Tradition und der Status als e.V. haben bei großen Teilen der S04-Fans einen besonderen Stellenwert / INA FASSBENDER/Getty Images

Unabhängig der etwaigen Vorteile, Nachteile und der Bedeutung eines solchen Schrittes ist es wohl bemerkenswert, mit welcher Leichtigkeit Tönnies über eine Ausgliederung spricht. Nicht nur, weil dies eine klare Zerreißprobe für den gesamten Verein wäre, sondern weil es auch um seine eigene Person geht.

Die Zerreißprobe wird kommen, da eine solche Abstimmung früher oder später auf dem Tagesordnungspunkt stehen wird. Zuvor wird es Wochen und Monate mit sehr intensiven Debatten geben, mit vielen Emotionen und gekappten Wegen - egal, in welche Richtung es anschließend geht.

Tönnies und Peters müssen sich ehrlich machen: Schalke mit jahrelangen Geldsorgen - AR-Chef gab "feste Zusage" zum e.V.

Nun wäre es die Aufgabe von AR-Chef Tönnies und Finanzvorstand Peters, den Mitgliedern und Fans zu erklären, dass das Geld einer Ausgliederung unbedingt notwendig ist, weil die Jahre zuvor - ganz offensichtlich - nicht vernünftig gearbeitet wurde. Wo sie aber die verantwortlichen Personen dafür ausfindig machen wollen, wo sie doch höchstpersönlich auf diesen Posten sitzen, wird unterhaltsam zu beobachten sein. Als würde sich ein Trainer über die Aufstellung beschweren.

Noch interessanter wird es, wenn man bezüglich der Ausgliederungsdebatte ein wenig in der Vergangenheit forscht. Erst fünf Jahre ist es her, als Tönnies folgendes Statement auf der vereinseigenen Homepage abdrucken ließ: "Ich möchte mit einer Mär aufhören, die von bestimmten Leuten ständig verbreitet wird [...]: Ich bin nicht für die Ausgliederung. Ich bin dafür, alles zu tun, dass wir ein eingetragener Verein bleiben. Solange ich auf Schalke bin, bleibt Schalke ein eingetragener Verein. Das ist eine feste Zusage."

Tönnies sprach sich klar gegen eine Ausgliederung aus: Eine gebrochene "feste Zusage"?
Tönnies sprach sich klar gegen eine Ausgliederung aus: Eine gebrochene "feste Zusage"? / TF-Images/Getty Images

Worte, die dem 63-Jährigen eigentlich auf die Füße fallen müssten, angesichts der offensiv und leichtsinnig erklärten Pläne, die nun ausgearbeitet werden sollen. Nun lässt sich natürlich sagen, dass zwischen 2015 und 2020 eine Menge passiert ist. Aspekte und Veränderungen, die eine Sichtweise verändern können. Seine Meinung zu ändern, sollte es neue Erkenntnisse geben, ist keine Schwäche. Wer sich aber als oberster Vorsitzender eines Vereins, und das bereits seit 2001, öffentlich so gegen eine Ausgliederung erklärt und damit gleichzeitig den eigenen Posten verbindet, den er dann räumen müsste (nicht zuletzt aus logischer Sicht - s.o.), der kann sich auf so etwas nicht einfach berufen: Der muss sich erklären und zu seinen Worten stehen.

So oder so lässt sich festhalten, dass eine Ausgliederung über kurz wie lang nicht aus den Diskussions-Kreisen auf Schalke verschwinden wird. Das muss es auch gar nicht: Lebhafte und sachliche Diskussionen und Streitereien dienen immer der Sache, egal welche Meinung man dazu gewählt hat, egal aus welchen Gründen. Der Austausch von Meinungen ist ebenso wichtig wie richtig. Wichtig ist es jedoch auch, sich dann als Vereinsverantwortlicher ehrlich zu machen. Schließlich wäre der Verein wohl nicht so dringend in Geldnot, wenn die dafür zuständigen Leute (auch Peters ist seit über 20 Jahren im Amt) seit Jahrzehnten gute Arbeit leisten würden. Das gehört zur Wahrheit dazu.