Aus dem Tagebuch eines trockenen Fußball-Fans | 26. April 2020

SpVgg Greuther Fürth v Hamburger SV - Second Bundesliga
SpVgg Greuther Fürth v Hamburger SV - Second Bundesliga / DeFodi Images/Getty Images
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Das vorweg: Ich bin schon seit langem infiziert. Ne, ne, nicht mit dem Coronavirus. Das ist bislang, so hoffe ich doch, an mir vorbeigegangen. Jedenfalls habe ich keines der klassischen Symptome. Nein, es geht um einen Virus im ideellen Sinne. Es ist die Fußball-Begeisterung, die mich schon vor Jahrzehnten gepackt hat und mich auch nicht in dieser zwangsverordneten Pause loslässt. Im Grunde genommen fühle ich mich gerade, wie sich wohl auch ein Drogensüchtiger fühlen muss, wenn er auf kalten Entzug gesetzt wird. Ein Erlebnis-Bericht.

26. April 2020

Am nächsten Donnerstag beraten sich Bundeskanzlerin und die Sportminister der Bundesländer über das von der DFL vorgelegte Konzept für eine Rückkehr des Profi-Fußballs. Ich muss ehrlich sagen: Wenn ich vor zwei Wochen gefragt worden wäre, ob ich glaube, dass es Geisterspiele gibt, hätte ich ohne zu zögern mit "ja" geantwortet. Mittlerweile bin ich mir da nicht so sicher. Die vergangene Woche ging jedenfalls klar an die Fußball-Gegner.

Herrn Lauterbach hört man mittlerweile sowieso jede Woche, aber nicht nur seine Stimme war vernehmbar. Auch so abstruse Ideen wie eine Maskenpflicht für die Kicker wurden ernsthaft vorgeschlagen. Dann kam noch die Meldung eines angeblich mit dem Coronavirus in Zusammenhang stehenden Komafalls in der französischen Ligue 1. Kurzum: Es schien, als würden sich sämtliche Gegner des Neustarts im Fußball verabredet haben, um ihn zu verhindern.

Unterstützung gab es auch von Seiten der Polizeigewerkschaft, die schon vor längerer Zeit ihre Befürchtung darüber zum Ausdruck gab, dass sich bei den Geisterspielen im unmittelbaren Stadionbereich Gruppen von Fans versammeln könnten (womöglich noch nicht mal in schlechter Absicht).

Aber dann kam auf einmal Reinhard Merkel, weder verwandt noch verschwägert mit der Bundeskanzlerin, um die Ecke. Herr Merkel ist Rechtsphilosoph und Mitglied des deutschen Ethikrates. Und dieser Herr sprach auf einmal von einer Sonderrolle des Fußballs, und davon, ihn "anders zu behandeln", als andere Branchen. Argumentierte somit genau in derselben Richtung, wie ich es hier seit einigen Wochen tue. Nach einer Woche, in der in der öffentlichen Debatte über Für und Wider des Re-Starts des Profi-Fußballs vor allem die Anti-Fraktion mit Argumenten bedient wurde, war Merkels Vorstoß sozusagen der psychologisch wichtige Anschlusstreffer kurz vor der Halbzeit.

Dennoch würde ich die Chancen, dass am Donnerstag grünes Licht gegeben wird, auf maximal 50 Prozent beziffern, was sogar recht viel ist. Denn die, die es nicht so mit diesem Sport halten, wie unsereiner, haben sich in den letzten Tagen sehr viel Gehör verschafft. Da zudem gewisse Szenarien noch nicht hundertprozentig geklärt sind: Was geschieht, wenn sich ein Spieler während des Spielbetriebes infiziert? Warum muss dann nicht die ganze Mannschaft in Quarantäne, wie es Herr Lauterbach gestern nochmals, um der Gleichheit im Recht willen, gefordert hat, sondern nur der betroffene Spieler? Sollte die Politik in diesen Fragen nachhaken und keine zufriedenstellenden Antworten erhalten, wird sie ihre Erlaubnis für einen Neustart verweigern.