Die Lehre aus der Krise: Vereine brauchen wieder mehr Macht
Von Christian Gaul
Die aktuelle Situation um die Corona-Pandemie fördert die seit Jahren nur symptomatisch behandelten Probleme der Profiklubs im Fußball zutage. Gerade finanziell stehen viele Vereine derzeit an ihrer Belastungsgrenze, da sie sich ohne die Einnahmen von Sponsorenverträgen, Medienrechten und Eintrittsgeldern nicht über Wasser halten können. Der jetzt bei vielen Mannschaften solidarisch verkündete "Gehaltsverzicht" ist zwar ein tolles Signal an die "normalbezahlten" Arbeitnehmer, jedoch zeigt er auch, dass dringend notwendige Reformen nicht nur jetzt diskutiert, sondern auch
umgesetzt werden müssen.
Schon vor der Krise wurde zuweilen überdeutlich, dass sich der Spitzenfußball in eine fragwürdige Richtung entwickelt. Ablösesummen in Höhe von dreistelligen Millionenbeträgen, Spieler wie Aubameyang oder Dembele, die sich aus ihren bestehenden Verträgen streiken, mit Gold überzogene Steaks auf dem Speiseplan von Ribery oder Milliardeninvestitionen von wohlhabenden Einzelpersonen und deren Strohfirmen - all diese Dinge sind Indizien für eine klare Fehlentwicklung. Die durch die Corona-Pandemie erzwungene "Denkpause" sollte genutzt werden, um ein wenig Ordnung in dieses absurde Chaos zu bringen.
Weg mit den Ablösesummen - her mit der Gehaltsobergrenze!
Der Sportdirektor von Juventus Turin, Fabio Paratici, warf ein Transfermodell ähnlich der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA in den Raum, um wenigstens das kommende Transferfenster zu gestalten. Statt in der wirtschaftlich schwierigen Lage horrende Ablöseforderungen zu bedienen, sollten die Klubs auf ein in den US-Ligen übliches Trade-System bauen. Dabei würden Spieler "getauscht", statt ver- oder gekauft. Verbunden mit einer Gehaltsobergrenze für die Vereine, würde dies viele Vorteile mit sich bringen.
Will, dass sich an der NBA orientiert wird - Fabio Paratici
Erstens würde man damit erreichen, dass in naher Zukunft nicht der erste Profi für über eine Milliarde Euro den Verein wechselt, was bei der aktuellen Entwicklung der Ablösesummen nicht unrealistisch wäre. Die Beträge sind mittlerweile für keinen Menschen mehr nachvollziehbar.
Zweitens würde man dafür sorgen, dass die Zeit der Scheich- und Oligarchenklubs vorbei wäre, denn eine Obergrenze für das dem jeweiligen Verein gestatte Gehaltsvolumen hätte zur Folge, dass die momentanen Weltauswahlen wie Real Madrid, Manchester City oder Paris Saint-Germain in der Form nicht mehr realisierbar wären - zumindest offiziell. Jeder Verein müsste sich genau überlegen, für welche Stars er bereit ist, sein Limit zu nutzen. Elf Spieler von Weltklasse würden dann kaum in einem Verein spielen, somit wären die auf Rendite aufgrund sportlichen Erfolgs designeten Modelle viel zu riskant.
Drittens brächte diese Maßnahme endlich eine überfällige Wettbewerbsgleichheit in die Ligen zurück. Denn während aktuell die reichsten Klubs mit den bestbezahlten Spielern regelmäßig in den selben Duellen gegen ihre Artgenossen um Titel spielen und dabei immer größere Einnahmen erzielen, verlieren andere Klubs den finanziellen Anschluss.
Mehr Macht für die Vereine gegenüber den Spielern
Der wichtigste Aspekt wäre jedoch, dass Spieler-Eskapaden wie bei Aubameyang oder Dembele grundlegend erschwert würden. Die Vereine hätten die Zügel in der Hand und könnten sich zudem nicht im Gehaltspoker um 16-Jährige überbieten. Denn wenn die Spieler um die wenigen freien höchstdotierten Plätze in einem Kader wissen, dann wären Maßnahmen wie ein Verhaltenskodex oder Gehaltskürzungen in Krisenzeiten leichter umzusetzen.
Grundlegend hätten die Klubs auch eine höhere Planungssicherheit, denn exorbitante Schwankungen in Ausgaben und Einnahmen von Spielertransfers wären dann Geschichte.
Die Spieler selbst werden auch nach dieser Reform noch Millionen verdienen, manche von ihnen eventuell sogar mehr als im Moment. Doch muss den ständig steigenden Summen endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Das dann freiwerdende finanzielle Potenzial kann unter anderem als Rücklage für Krisen angelegt werden, ein Vorgang, der in Anbetracht der momentanen Schieflage vieler Klubs wohl in der Vergangenheit eher ungenügend vollzogen wurde.