Gladbacher Ultras gehen auf den Verein zu und positionieren sich gegen Rechts
Von Christian Gaul
Nachdem 90min bereits ausführlich über die Situation bei Borussia Mönchengladbach nach den problematischen Protesten von Teilen der Ultras im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim berichtet hat, meldet sich jetzt die führende Vereinigung "Sottocultura" zu den Vorfällen und den Folgen ihrer Aktion zu Wort. Dabei macht sie einen großen Schritt auf den Verein zu und distanziert sich explizit von rechtem Gedankengut. In ihrer Verlautbarung gesteht die Gruppierung eigenes Fehlverhalten ein und zeigt sich gesprächsbereit.
Auf ihrer offiziellen Homepage veröffentlichte die Ultra-Gruppierung "Sottocultura" ein ausführliches Statement zu ihren Protesten gegen den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp, genauer gesagt gegen das "Konstrukt Hoffenheim" in Gänze, wofür das Konterfei Hopps ihrer Auffassung nach Symbolcharakter besitzt. Einleitend erklären sie den Zusammenhang zu der aktuell verhängten DFB-Kollektivstrafe für Auswärtsfans von Borussia Dortmund in Sinshem und führen ihre Vermummung während der Proteste auf drohende Sanktionen zurück.
Erklärung der Beweggründe
"Die Wiedereinsetzung der Kollektivstrafen sowie die Sanktionierung von Fanprotesten sind ein Dammbruch, den man in unseren Augen nicht unbeantwortet lassen darf. Um eine klare Anspielung auf den Fall Dortmund herzustellen, haben wir deshalb die gleiche Abbildung gezeigt, die für die Kollektivstrafe sorgte", beleuchtet die Gruppierung ihre Intention und die Form der Proteste.
Vermummung als Schutz vor Sanktionen
Zum Thema Vermummung äußert sich die Vereinigung folgendermaßen: "Dies hätten wir noch vor ein paar wenigen Jahren nicht getan, sehen uns wegen einer zunehmenden Kriminalisierung von Äußerungen in der Kurve jedoch bei gewissen Inhalten dazu gezwungen." Wie sie selbst das gewählte "visuelle Zitat" in Form von Dietmar Hopp im Fadenkreuz bewertet, darf kritisch hinterfragt werden: "Für uns ist es lediglich eine Symbolik der Ablehnung – (..) einen tatsächlichen Aufruf zur Gewalt, gar Mordaufruf oder diskriminierenden Inhalt verbinden wir damit definitiv nicht." Zumindest für das "Opfer" ist ein Portrait im Fadenkreuz sehr wohl diskriminierend, egal ob es dabei um eine Einzelperson oder das Symbol für einen ganzen Verein darstellt - hier wäre für die Zukunft die Wahl einer weniger martialischen Form mehr als anzuraten.
Klare Distanzierung und ein Eingeständnis
Zu dem zeitlichen Kontext der Anschläge von Hanau und deren vorschnelle und unsinnige Verquickung mit den Protesten seitens einiger Zuschauer, des Sicherheitssprechers und einiger Medien bekennt die Gruppe: "Einen Zusammenhang zum rechtsterroristischen Anschlag in Hanau herzustellen kam uns vor dem Spiel nicht ansatzweise in den Sinn, auch im Nachgang finden wir diesen Gedankengang schlicht falsch. Wir halten das für grob falsch und eine Verharmlosung der Ereignisse in Hanau. Hier werden Opfer eines Mordanschlags instrumentalisiert um ein als falsch empfundenes Fanbanner zu thematisieren."
Hopp im Fadenkreuz - schlechter Stil, noch schlechterer Zeitpunkt
Dass man jedoch in diesem Rahmen mehr Empathie an den Tag hätte legen können, sieht die Gruppierung ein: "Eingestehen müssen wir uns an dieser Stelle, dass wir im Vorfeld über die Hintergründe der Aktion hätten informieren müssen. Damit geht einher, dass wir auch den Vorwurf, dass man aufgrund der zeitlichen Nähe mehr Fingerspitzengefühl hätte zeigen müssen, nachvollziehen können." Wenn die Form selbst nicht Grund genug war, dann hätte man spätestens im Bezug auf die Anschläge in Hanau von der Aktion absehen sollen.
Zeit für Deeskalation
Einer drohende Eskalation der Problematik im Borussia Park wirkt "Sottocultura" mit der Verlautbarung einer klaren Gesprächsbereitschaft entgegen und stellt eine Kollektiv-Verurteilung aller Ultras von Borussia Mönchengladbach nicht zur Debatte: "Kritik ist absolut in Ordnung, wir unterschreiben kritische Äußerungen aus diesem Grund auch nicht umsonst mit "Sottocultura"‘ statt "Nordkurve" oder "Borussia-Fans", um keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Stellvertretertum zu erheben."
Nehmen die komplette "Schuld" einzig auf sich - Sottocultura
Fraglich ist, wie dieses Statement nun von den Verantwortlichen und Fans von Borussia Mönchengladbach aufgefasst wird. Man kann "Sottocultura" einräumen, dass sie sich in vielen Punkten einsichtig zeigt und zukünftige Aktionen hoffentlich mit mehr Bedacht und Stil planen wird. Keinesfalls will sich die Gruppierung zudem von anderen Borussen-Ultras abgrenzen:
"Als Initiator der Aktion ("Gemeinsam für Borussia", Anm.d.Red.) stehen wir ganz selbstverständlich weiter hinter dem dort propagierten Gedanken, trotz und vielleicht auch gerade weil man in einer so großen, heterogenen Fanszene mal geteilter Meinung über eine Protestform ist. Sowohl beim kommenden Spiel in Augsburg, als auch beim Heimspiel gegen Dortmund (und grundsätzlich sowieso immer) stehen wir für Gespräche im Sinne dieses Gedankens zur Verfügung."
Man kann in den nächsten Tagen auf die Reaktionen des Vereins und der anderen Ultras gespannt sein und eventuell schon beim Spiel in Augsburg weitere Fortschritte im Hinblick auf die Beseitigung dieses zur absoluten Unzeit stattfindenden Nebenkriegsschauplatzes erkennen lassen.