Gladbacher Ultras agieren gegen die Borussia - Eberl schämt sich für die "Hornochsen"
Von Christian Gaul
Als vor der Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und der TSG Hoffenheim eine Schweigeminute für die Anschläge von Hanau abgehalten wurde, konnte man im Borussia Park eine Stecknadel fallen hören.
Umso lauter waren dann die Pfiffe und Proteste von der überwiegenden Mehrheit der Zuschauer zu vernehmen, als kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit eine Handvoll Selbstdarsteller in der Nordkurve mit einem Spruchband und einem Plakat die von der Borussia verkörperten Werte und Ansichten konterkarierte. Während Max Eberl nach dem Spiel deutliche Worte für diese Art von "Anhängern" fand, sollte sich die Mehrzahl der Ultras fragen, neben wem sie in der Kurve stehen und welche Aktivitäten sie unterstützen.
Die Schweigeminute vor der Partie im Gedenken an die Opfer von Hanau wurde, im Gegensatz zu den Ereignissen von Frankfurt, von allen anwesenden Zuschauern mustergültig eingehalten. Nach einem Moment der Stille gab es warmen Applaus von den Rängen und das Spiel wurde in einem großartigen Gefühl der Zusammengehörigkeit angepfiffen. Zur Pause führte die Borussia mit 1:0 durch ein frühes Tor von Matthias Ginter und war auf dem besten Weg, ihren neunten Heimsieg in Serie zu feiern.
Fünf Minuten nach Wiederanpfiff sorgte jedoch ein winzig kleiner Teil der Gladbacher "Fans" für einen Eklat, der nicht nur zu einer Spielunterbrechung führte, sondern im Anschluss auch für ein aufgebrachtes Publikum und ein immens zerfahrenes Spiel sorgte, da sich die aufgeladene Stimmung auf den Rängen nachvollziehbarerweise auch auf die Mannschaften auf dem Rasen übertrug.
Geschmacklose Pöbelei
In der 50. Spielminute präsentierten Teile der Gladbacher Ultras ein Plakat mit dem Konterfei von TSG-Mäzen Dietmar Hopp im Visier eines Fadenkreuzes. Darunter war auf einem Banner zu lesen: "Hurensöhne beleidigen einen Hurensohn und werden von Hurensöhnen bestraft."
Der wenig intelligente und noch weniger kreative Protest richtete sich gegen die zweijährige kollektive Verbannung der Fans von Borussia Dortmund seitens des DFB bei Auswärtsspielen in Sinsheim, da Teile dieser wiederholt mit Anfeindungen übelster Art gegen Dietmar Hopp aufgefallen waren - unter anderem mit dem gleichen Fadenkreuz-Plakat.
Der Unparteiische Dr. Brych unterbrach daraufhin die Begegnung und gab damit Max Eberl sowie Lars Stindl die Gelegenheit, sich persönlich nach dem geistigen Gesundheitszustand der verantwortlichen Krawallbrüder zu erkundigen.
Ultras von Borussia Dortmund mit der Blaupause für die Gladbacher Chaoten
Laut einvernehmlichen Berichten der umliegenden Blocks wurde vor allem Manager Eberl von den eigenen "Anhängern" für seinen Schlichtungsversuch beleidigt und angepöbelt. Nach mehreren Minuten und dem Einsatz von mutigen Ordnern bequemten sich die Gesellen zum Entfernen der Transparente und das Spiel konnte fortgesetzt werden.
Doch während nicht nur die Zuschauer sich fortan weniger auf das Geschehen auf dem Rasen fokussierten und in erster Linie ihren Unmut gegenüber den eigenen Ultras ausdrückten, zerfiel das Spiel in eine Serie von hektischen Aktionen und regelmäßigen Unterbrechungen. Der vor der besagten Kurve durch Alassane Plea verschossene Hand-Elfmeter war genauso sinnbildlich, wie der Hoffenheimer Ausgleich zum 1:1-Endstand in der Nachspielzeit.
Eberl schämt sich für die "Hornochsen"
"Wir haben Werte, sind gegen Rassismus und Ausgrenzung - und dann halten 50 Hornochsen ein solches Plakat hoch. Dafür schäme ich mich", sagte Eberl nach dem Spiel gegenüber Sky und fand damit recht deutliche Worte - auch wenn der geneigte Anhänger des Fussballs sicher wesentlich drastischere Formulierungen auf der Zunge zu liegen hat.
Doch Eberl legte nach und forderte die Fans richtigerweise auf, sich auf die Seite des Vereins und dessen Werte zu stellen: "Natürlich hoffen wir, dass wir diese Menschen finden und ausschließen. Und wenn nicht wir sie finden, dann vielleicht andere in der Fankurve. Menschen, die andere identifizieren und sagen, der war es", nutzte Eberl in seinem Statement eine passende Formulierung: "Mensch".
Vermummte Gladbacher Stadiongänger profilieren sich gegen Hoffenheim
Dietmar Hopp ist ein Mensch, Max Eberl ist ein Mensch, Hoffenheimer und Leipziger Spieler sind Menschen, andere Menschen mit Fadenkreuzen zu versehen und als "Hurensöhne" zu beleidigen hat nichts mit freier Meinungsäußerung oder sportlicher Rivalität zu tun. Es ist schlichtweg infantil, anmaßend und hat allem voran nichts, aber auch gar nichts mit dem zu tun, weshalb die Leute ins Stadion kommen - Fussball.
Wenn diese Aktion eine positive Folge hatte, dann die Reaktion der sportinteressierten Zuschauer an diesem Tag, die mit voller Wucht gegen diesen Müll protestierten. "Ich fand schön, wie der Rest des Stadions, wie 99 Prozent der Stadionbesucher, darauf reagiert hat, wie die Fans das nieder gepfiffen haben. Es ist wichtig, dass wir alle dagegen aufstehen", befand auch Eberl und stellt sich damit weiter gegen die Unruhestifter in den eigenen Reihen.
Interne Aufarbeitung nötig
Auch unabhängig von dem Kontext der Vorfälle in Hanau will so eine Aktion kein friedliebender Mensch im Borussia Park oder in irgendeinem anderen Stadion sehen. Die Heuchelei im Bezug auf die Schweigeminute vor dem Spiel ist nur die Krönung der von Selbstironie durchtränkten neuerlichen Profilierung von einigen Chaoten.
Der Eklat gegen Hoffenheim reiht sich in ein in die seit Monaten immer offensichtlicher werdende Spaltung der Gladbacher Anhänger. Der Großteil der Ultras wird von einer kleinen Gruppe von Pseudo-Alphas für deren Agenda gegen "die Kapitalisierung des Fussballs" oder "den Verfall von Tradition" missbraucht - für Besucher von Spielen einer Mannschaft mit dem Postbank-Logo auf der Brust eine bigotte These.
Der stetig herangeführte positive Aspekt der "Stimmungsmache" der Ultras im Stadion ist mittlerweile auch nicht mehr tragbar. Abgesehen vom spielunabhängigen Sing-Sang mit gegen den 1. FC Köln, RB Leipzig oder den DFB gerichteten Inhalten, werden anderweitig angestimmte Anfeuerung niedergebrüllt und bei wiederholtem "Ungehorsam" Repressalien angedroht.
"Beschämend" denkt sich auch Raffael
"Starkes Zeichen für Fairplay. Danke an Schiedsrichter Felix Brych, Max Eberl, Lars Stindl und die große Mehrheit der Gladbacher Fans." Während sich die Hoffenheimer mit diesen Worten bei Twitter dankbar zeigten für die Allianz gegen diesen Auswuchs menschlicher Einfältigkeit, muss zwingend auch ein Umdenken in den eigenen Reihen stattfinden.
"Banner war (grob formulierte) Kritik an Hopp, dem DFB und der Strafe diese Woche. Fadenkreuzgrafik ist das Symbol, wegen derer die Strafe gegen BVB ausgesprochen wurde", versucht die "Fanhilfe Mönchengladbach" mit einem Tweet diesen Unsinn zu rechtfertigen.
Zur Stunde tagt eine Gruppe aus Gladbacher Verantwortlichen und Vertretern der Fanprojekte im Borussia Park zu den Vorfällen. Es ist zu hoffen, dass man sich auf die Lösung einigt, den Kern dieser Chaoten ausfindig zu machen und lebenslang aus den Stadien zu verbannen.