Werder Bremen redet sich den Abstiegskampf schön: Naiv und extrem gefährlich
Von Yannik Möller
Nach der 0:3-Niederlage gegen die TSG Hoffenheim steht Werder Bremen weiterhin auf dem Relegationsplatz, nur zwei Zähler vor den direkten Abstiegsplätzen. Obwohl man inmitten eines für Bremen enorm gefährlichen Abstiegskampfes steckt, scheinen Teile der Mannschaft die Situation noch immer nicht wahrhaben zu wollen - das ist sehr naiv und extrem riskant. Ein Kommentar.
Die Tragik des aktuellen Saisonverlaufs für Werder Bremen kann man schnell erkennen. Mit einem jungen und aufstrebendem Trainer, der einen augenscheinlich motivierten und lernwilligen Kader zur Verfügung hatte, wollte man die europäischen Plätze angreifen. Ein Ziel, was vor Saisonbeginn nicht vermessen oder unwahrscheinlich erschien. Der dürftige Liga-Start, mitsamt der (noch immer existierenden) großen Verletzten-Misere und den acht sieglosen Spielen zwischen Mitte September und Anfang Dezember haben die zuvor optimistische Aussicht allerdings gänzlich verschwinden lassen. Man befindet sich im knallharten Abstiegskampf.
Klaassen leistet sich Offenbarungseid - Bremen zeigt Parallelen zum Schalker Abstiegskampf
Dass sich die Situation, in der sich die Mannschaft und der Verein befinden, um 180 Grad gedreht hat, scheint jedoch nicht bei allen Spielern angekommen zu sein. Die 0:3-Niederlage vor den heimischen Fans am Sonntag - so unverdient dieser Sieg für Hoffenheim auch gewesen sein mag - hätte eigentlich reichen müssen, um dem noch so desinteressierten Kiosk-Betreiber vor dem Stadion klarzumachen, wie bedrohlich die Lage für den Verein ist. Dass ein Führungsspieler und Kapitän Davy Klaassen nach dem Spiel sagt, er sehe weder "Grund zum Zweifeln oder zur Panik" (via Bild), ist ein Offenbarungseid, der den Werder-Fans vermutlich Angst bereiten wird. Wer, wenn nicht die Spieler selbst, muss denn die brenzlige Situation erkennen, annehmen und sich gegen sie aufrichten?
Trainer Florian Kohfeldt hatte sich in der Hinrunde zwar auch länger gegen den Terminus des Abstiegskampfes gewehrt. Seit Wochen jedoch erklärt er die Lage vor den Kameras passend und sinnig - da muss man sich doch fragen, ob intern anders kommuniziert wird, oder ob der eine oder andere Spieler schlicht nicht wahrhaben will, was womöglich bevorstehen könnte.
In der letzten Saison war es Schalke 04, das nach der überraschenden Vizemeisterschaft ebenso überraschend in den Abstiegskampf geriet. Auch in Gelsenkirchen wehrte man sich lange gegen die Realität. Sowohl bei den Vereinsverantwortlichen, als auch bei den Fans regte sich lange der Gedanke, dass man früher oder später wieder auf die Beine finden und den Anschluss an die obere Tabellenhälfte finden könnte. Erst zum 33. Spieltag war man schließlich sicher, und das zum Teil auch nur, weil die Konkurrenten so schwach waren, wie selten zuvor. Auch dort hätte die fehlende Einsicht und die fehlende Klarheit den Verein beinahe zum Absturz gebracht. Parallelen kann man von außen zur derzeitigen Bremen-Situation erkennen. Für die Werder-Fans wäre es zu hoffen, dass sie nicht so lange auf den erlösenden Spieltag warten müssen - oder gar den Schritt in die zweite Liga gehen müssen.
Die Krise schönreden ist gefährlich und der Lage sicherlich nicht angemessen
Dabei hilft es auch nicht mehr, sich auf etwaige gute Leistungen oder gute Statistiken zu berufen, wie Leihspieler Kevin Vogt es nach dem Duell gegen seine Hoffenheimer tat: "Wenn ich sehe, wie oft wir zum Abschluss gekommen sind, wie oft wir aus der zweiten Reihe abgeschlossen haben durch unsere Ballgewinne, dann war das gut." Auch wenn es plump klingen mag: Am Ende standen null eigene Tore und null Punkte, und somit ein weiterer Rückschlag, der auch den Trainer in immer größer werdende Gefahr bringt.
Im Abstiegskampf ist es so wichtig, dass man die Krise erkennt, sie auch ehrlich annimmt, und versucht, sich dagegenzustemmen. Es zählen Punkte, und keine hohen Balleroberungen oder Torabschlüsse. Natürlich ist Panik nie ein guter Ratgeber, aber "keinen Grund zum Zweifeln" zu sehen ist angesichts der tabellarischen Lage Bremens schlicht Wahnsinn: Rechnerisch ist es möglich, dass man nach dem nächsten Spieltag die rote Laterne übernehmen muss. Schließlich sind derSC Paderborn und Fortuna Düsseldorf nur schlappe zwei Punkte hinter der Kohfeldt-Truppe; nach oben wird der Abstand langsam aber sicher auch immer größer - man droht, auf den letzten drei Plätzen zu versinken. Ein erster, enorm wichtiger Schritt wäre es, als Kollektiv (!) zu erkennen, wie brisant und bedrohlich diese Krise eben ist. Nur so kann man sich als Mannschaft, zusammen mit dem Trainer, wehren und diese mittlerweile große Hürde nehmen.