Werders Ambitionen: Fernab der Realität oder genau richtig?
Von Janne Negelen
Dass der SV Werder Bremen nicht da steht, wo er sich selbst gerne gesehen hätte, ist allen Beteiligten klar. Die aktuelle Krise überschattet die großen und zum Teil auch berechtigten Ambitionen vor der Saison, die aktuell nur noch als Traum interpretiert werden können. Muss Werder den Kurs also endgültig ändern?
Das Thema Geduld ist bei vielen Vereinen in Schwächephasen mit großer Vorsicht zu genießen. Immer häufiger kommt es vor, dass die Verantwortlichen eines Teams nur wenig Zeit walten lassen, bevor ernsthafte Konsequenzen gezogen werden. Dementsprechend riskant ist es für einen Trainer immer wieder, den Lauf der Dinge über die Zukunft der Mannschaft entscheiden zu lassen.
Doch genau dies ist aktuell bei Werder Bremen der Fall. Übungsleiter Florian Kohfeldt genießt großes und begründetes Vertrauen, konnte seine Elf zuletzt aber nicht aus dem immer bedrohlich wirkenderen Sturm manövrieren. Die Zwischenbilanz spricht deshalb eine eindeutig Sprache, mit dem aktuellen Kurs könnte Werder im Verlauf der Saison große Abstiegssorgen bekommen.
Werder bleibt bei seinen Prinzipien
Doch soweit will es Kohfeldt nicht kommen lassen. Er reagiert - mit Vernunft und Kontinuität. Zwar drohte der 37-Jährige Konsequenzen an, auch ein Punkteziel soll bis zum Winter erreicht werden. Doch die Mannschaft bekam von den Verantwortlichen bisher nicht den Druck zu verspüren, den einige Anhänger bei anderen Vereinen schon längst gefordert werden. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass auch Kohfeldt selbst frei arbeiten kann und in seinen Ideen und Lösungsvorschlägen die nötige Rückendeckung bekommt.
Das Vertrauen des Klubs wirkt sich auf die Mannschaft auf; die Krise ist allen Profis bewusst, trotzdem ist der Abstiegskampf noch weit weg von der wahren Realität. Wie gefährlich diese Denkart sein kann, zeigte die Vergangenheit schon häufiger. Auch der SVW stand trotz eines stetigen Blicks nach oben schon kurz vor dem Abgrund, dennoch halten alle Beteiligten weiter an den großen Ansprüchen fest.
Vor der Saison wurde das Ziel "Europa" ausgegeben. Nach jahrelanger Abstinenz machte der Kader Hoffnungen, die Infrastruktur ist so stabil wie nie und mit einem ausgezeichneten Trainer an der Seitenlinie waren die Erwartungen umso größer. Was nach zwölf Spieltagen bleibt, ist trügerisch und doch banal: mit einer fitten Mannschaft stellt Werder weiterhin einen hervorragenden Kader, die Unterstützung der Fans und der Einsatz Kohfeldts haben ebenfalls keinen Abriss abbekommen.
Der schmale Grat zwischen Verlockung und Blendung
Nur weil das internationale Geschäft für die meisten Werderaner noch erreichbar scheint, lösen sich die Probleme der Grün-Weißen aber nicht in Luft auf. Klar ist, dass die Bremer die Konkurrenz bereits ziehen lassen mussten und vermutlich erst in den kommenden Wochen wieder Anschluss knüpfen könnten. Doch so bedrohlich es auch ist; das stetige Blicken auf die Zahlen und die Tabelle kann in der aktuellen Saisonphase nicht der richtige Weg sein.
Gibt die Führung das Ziel Klassenerhalt aus, wird für Bremen in dieser Saison kaum mehr möglich sein. Bleiben die Norddeutschen aber weiterhin bei ihrer Devise, das beste aus der Situation zu machen und darüber hinaus in die obere Tabellenregion zu schielen, wird die Motivation stets hoch bleiben. Sicher ist sich im Verein niemand, wie diese Saison wohl enden wird. Doch auf die Frage, ob ein erbitterter Kampf um die erste Liga oder den Abstieg gegen einen wiederholt enttäuschenden Mittelfeldplatz eingetauscht werden sollte, dürfte die Antwort eine klare Tendenz haben.
Die Bremer Fans dürsten nach Erfolgen und den guten alten Zeiten. Doch die Grenzen sind bekannt und diese kann der Verein (noch) nicht überwinden. Doch der Kampf, der Wille und die ewige Leidenschaft erhalten die Erinnerungen an die glorreichen Europaabende warm. Selbst wenn der SVW am 34. Spieltag gegen den 1. FC Köln um Platz 15 kämpfen sollte, bleibt das Ziel klar. Auch wenn es aktuell noch nicht so scheint, wollen alle Profis doch am Ende das selbe - triumphieren! Und die höchsten Gefühle kann nur der erreichen, der stets um das Bestmöglichste kämpft.