Lampenfieber: Dortmunds Versagen in den wichtigsten Spielen
Von Janne Negelen
Nach der so bitteren Pleite im Revier-Derby gegen Schalke 04, droht nun die ganze Saison von Borussia Dortmund zu scheitern. Wieder einmal konnte man ein Schlüsselspiel nicht gewinnen, ein roter Faden, der sich sowieso schon durch die komplette Spielzeit zieht. Trotz einer optimalen Ausgangslage, scheint der BVB in den wichtigen Duellen die Nerven zu verlieren - was eine weitere Saison ohne Titel zur Folge haben könnte.
Was ist das nur für eine Saison von Borussia Dortmund? Nach einer teils furiosen Hinrunde mit etlichen Toren, einem wahnsinnig spielfreudigen Kader und der Hoffnung auf mehr als nur einen Titel, scheinen sämtliche Mühen in diesem Jahr verschwendet gewesen zu sein. Nach der 2:4-Niederlage gegen Erzfeind Schalke 04, rückt nämlich auch die Meisterschaft wieder in weite Ferne.
Woran liegt also das Scheitern der Dortmunder in den wichtigen Spielen? Das generelle Dortmunder Konzept hat damit weniger zu tun. Immerhin spielt man punktemäßig schon jetzt die beste Saison seit 2016 und die Mannschaft trat über weite Strecken der Saison auf einem Weltklasse-Niveau auf. Der Kader besticht nicht nur durch unglaublich talentierte Einzelspieler wie Jadon Sancho, sondern hat mit Akteuren wie Marco Reus, Axel Witsel und Roman Bürki auch sehr erfahrene und eingespielte Stars.
Dortmund spielte eine furiose Hinrunde
Auch musste man in dieser Saison keine großen Verletzungen der absoluten Schlüsselspieler beklagen. Vor allem in der Offensive konnte daher oftmals eine sehr eingespielte Mannschaft auflaufen. Trainer Lucien Favre konnte immer auf viele Stammkräfte setzen und spielte somit lange einen erfolgreichen Fußball. Allerdings gab es einen Punkt in der Saison, als sich das Blatt allmählich zu wenden schien.
Dortmund baut mental immer weiter ab
Bis zum Februar hielt man sich in allen Wettbewerben eigentlich schadlos. In der Bundesliga thronte man von Platz Eins mit sechs Punkten Vorsprung auf den Verfolger aus München. Im DFB-Pokal stand man im Achtelfinale und auch in der Champions League zog man als Gruppenerster in die nächste Runde ein. Für die Fans und den Verein bahnte sich eine Saison an, die in die Geschichtsbücher eingehen könnte. Mit diesem Kader und der aktuellen Form könnte man schließlich alles erreichen.
Vielleicht war sich der ein oder andere Akteur zu dieser Saisonphase schon zu sicher, denn die Ausgangsposition machte eben so vieles möglich. Dann folgte aber der erste Rückschlag, zuhause schied man im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen hochmotivierte Bremer erst im Elfmeterschießen aus, der bittere Anfang der allmählichen Talfahrt der Borussia. An sich war das Ausscheiden im Pokal noch kein Weltuntergang, doch die Mannschaft kam nicht so wirklich mit dieser Niederlage klar.
Im DFB-Pokal erlebte man den ersten, herben Rückschlag
Nach einem weiteren Unentschieden in der Liga wurde der Druck nun langsam größer, denn das Achtelfinale der Champions League stand auf dem Plan. Auch dort machte man sich gegen die vermeintlich schwächeren Tottenham Hotspur große Hoffnungen, die nach einer 0:3-Niederlage auf der Insel aber sofort erloschen. Die deftige Niederlage war nicht nur ein Debakel, sondern verpasste den Dortmunder auch einen mentalen K.O., von dem man sich so schnell nicht wieder erholen sollte.
Der Fakt, dass man innerhalb von wenigen Tagen zwei Wettbewerbe verspielte, setzte die Dortmunder einem enormen Druck aus. In der Folge ließ man auch in der Liga immer mehr Punkte liegen. Die über die Saison extrem hohe Belastung zollte so langsam ihren Tribut und auch die Spieler wirkten teilweise übermüdet. Trotzdem galt es, die volle Konzentration auf die Bundesliga zu richten, um sich im Meisterschaftsrennen gegen den FC Bayern mindestens einen Titel zu sichern.
Der Saisonhöhepunkt wurde zum Albtraum
Was allerdings am 06. April in der Allianz-Arena stattfand, glich einer Kapitulation. Vor dem Spiel konnte man sich erneut voll fokussieren, das dachte man zumindest. Gegen den FC Bayern München setzte es dann aber eine schallende Ohrfeige in Form einer 0:5-Niederlage. Das Spiel, das im Kampf um die Meisterschaft den Unterschied für die Dortmunder hätte machen können, wurde zur absoluten Katastrophe.
Die Konzentration war nach dem ersten Gegentreffer kaum noch vorhanden, die Defensive wurde in der ersten Halbzeit komplett überrollt. Trainer Lucien Favre versuchte seine Schützlinge von außen immer wieder anzutreiben, die richtigen Antworten hatte er aber nicht parat. So endete eine der deutlichsten Hälften eines Spitzen-Spiels und die Dortmunder konnten nur noch auf ein Wunder hoffen.
In München erschreckte man vor der eigenen Chancenlosigkeit
Die Leidenschaft und der spielerische Witz aus der Hinrunde waren aber einfach nicht mehr da. Die Erinnerungen an den furiosen 7:0-Sieg gegen Nürnberg oder das packende 3:2 gegen den amtierenden Meister aus dem vergangenen Jahr gerieten in Vergessenheit und den Spielern mangelte es immer mehr an Selbstvertrauen. Dazu kam der Fakt, dass man vor dem Spiel stets mindestens genauso viele Punkte auf dem Konto hatte, wie die Münchner. Nach der Niederlage war das erstmals seit dem 6. Spieltag nicht mehr der Fall.
Trotzdem kämpfte die Borussia unermüdlich und sicherte sich weitere wichtige Punkte in der Liga. Doch der nächste Tiefpunkt in dieser schier endlosen Achterbahnfahrt war nun das Revier-Derby. Verlieren war nicht nur im Blick auf die Meisterschaft verboten, alles andere als ein Sieg gegen die kriselnden Schalker wäre eine weitere deftige Enttäuschung. Doch Dortmund wirkte in der Rückrunde wie ein Boxer, der sich von Runde zu Runde kämpft, aber nach heftigen Schlägen immer angezählter wirkt.
Eine Mannschaft, die nie aufgibt und trotzdem immer schwächer wird
Mit jeder wichtigen Niederlage folgte allerdings Unsicherheit, das Selbstbewusstsein nahm immer weiter ab. So verzweifelte man schließlich auch an sich selbst, als Marco Reus und Marius Wolf sich im Spiel gegen Schalke 04 wegen jeweils einer üblen Grätsche eine glatte Rote Karte abholten. Es war vielleicht die schockierende Gewissheit, dass die gesamte Saison in diesem Spiel endgültig verloren schien.
Mit jedem wichtigen Duell, das auf den BVB zukam, wurde das Lampenfieber größer und so dachte man schon vor diesen Spielen immer auch ans Verlieren. Einer Profi-Mannschaft wie der Borussia darf dies aber nicht passieren, Partien vor dem Anpfiff überhaupt schon abzuschreiben erst recht nicht. Vielleicht brach Dortmund unter der Belastung und dem mentalen Druck, vielleicht aber auch einfach an sich selbst. Am Ende fehlte der Glaube an das eigene Können oder ganz einfach: Der Mut zur eigenen Courage.