FC Bayern: Warum Kritik auf einmal wehtut

facebooktwitterreddit

Dass am großen FC Bayern München gerade in Schwächephasen kein gutes Haar gelassen wird, ist nichts Neues. In vergangenen Jahren blieben der Rekordmeister und sein Altherren-Duo - von der ein oder anderen wütenden Tirade des Präsidenten abgesehen - im Normalfall recht unbeeindruckt. Doch dieses Mal ist etwas anders - und das macht Hoeneß und Co. verwundbar. 

Großer Erfolg ist stets begleitet von einem genauso lästigen wie unvermeidbaren Phänomen: Neid. Und wenn der ​FC Bayern München in der Vergangenheit etwas in einem ähnlichen Maße hatte wie Erfolg, dann waren es die Neider. Eine Großzahl an missgünstigen Beobachtern, die aus der Ferne über den größten deutschen Fußballverein urteilten und sich schelmisch freuten, wenn ihm etwas misslang.

Kritik sind Uli Hoeneß (r.) und Karl-Heinz Rummenigge eigentlich gewohnt
Kritik sind Uli Hoeneß (r.) und Karl-Heinz Rummenigge eigentlich gewohnt /

So war es immer und jedem der Verantwortlichen auf Seiten der Bayern wurde und wird seit jeher beigebracht, wie mit dem Leben als wandelnde Zielscheibe umzugehen ist. Dabei gibt es eine Vielzahl an Reaktionen, aus denen die Betroffenen wählen können. Die Palette reicht von stoischer Ruhe über scheinbar arrogantes Lachen bis hin zu feurigen Gegenangriffen. Es ist auch diese harte Münchner Schule, die Uli Hoeneß, den Mann mit dem chronisch zu hohen Blutdruck, zu dem zynischen Choleriker hat werden lassen, den heute so viele in ihm sehen. 

Angriff ist die beste Verteidigung

Unüberlegte, irrationale und wutentbrannte Tiraden sind allesamt Teil einer Taktik, die dem Bayern-Präsidenten erlaubt, den großen Druck, dem er allzeit ausgesetzt ist, zu kompensieren. Eine Strategie, die dem 66-Jährigen über Jahre geholfen hat, sich - wenn schon nicht Respekt - wenigstens etwas Luft zu verschaffen. Getreu dem Motto "Wer am lautesten schreit, hat Recht" vermeidet der Vorstand des FCB auf diese Weise, sich ernsthaft mit Kritik von außerhalb auseinanderzusetzen. Der Erfolg vertuschte dabei lange Zeit damit einhergehende Versäumnisse. 

Nun jedoch, da Triumphe zumindest für den Moment ausbleiben, wird die Luft dünn für die Führungsetage der Bayern. Und weil auf der Suche nach Erklärungen Misserfolge immer häufiger auf die Patriarchen des Münchner Fußballs zurückkommen, befinden sich Uli Hoeneß und sein kongenialer Partner Rummenigge in einer Situation, die mangels bisheriger Notwendigkeit nie geprobt wurde. Wie geht man mit Kritik um, die aus den eigenen Reihen kommt? Schon vor der Jahreshauptversammlung des FC Bayern war klar, dass das Aufeinandertreffen von Vorstand und Mitgliedern dieses Mal ein anderes werden würde als in Jahren zuvor.

Kritik am Regime

Und da saßen sie nun, Hoeneß und Rummenigge und sprachen groß und breit über Jupp Heynckes und die vergangenen Erfolge, versprachen den Vereinsmitgliedern und sich selbst eine rosige Zukunft mit großen Investitionen. Alles, um sich möglichst lange nicht mit der unangenehmen Gegenwart auseinandersetzen zu müssen. 

Keine Frage, dass die sie dennoch schnell genug einholte. Bei der siebten Wortmeldung war es dann Johannes Bachmayr, der sich vorgenommen hatte, sämtliche Missstände und Fehler im und um die Chefetage seines Vereins anzuprangern. Von Sponsoring aus Katar über vereinsinterne Vetternwirtschaft hin zu Mängeln im Führungsstil ließ der Redner kein gutes Haar am Regime des ohnehin ein wenig alterskahlen Hoeneß. 

Dass eine so offene und scharfe Kritik, wie Bachmayr sie vortrug, beim FCB ein Novum darstellt, ist die eine Sache. Dass die Anschuldigungen des enttäuschten Mitglieds aber auch bei einer nicht geringen Zahl anderer Versammlungsbesucher für lautstarke Zustimmung sorgte, die andere. Auf einmal fand sich Bayern-Präsident Hoeneß in einer Situation, in der er weder kontern konnte noch wollte, weil ein verbaler Angriff zum gefühlt ersten Mal im Vorsitzenden-Dasein des ehemaligen Nationalspielers kein probates Mittel zu sein schien. So entschied sich der Angeklagte, das vom Laudator Gesagte als Unwahrheit abzutun, um sich daraufhin mit einem gestammelten lateinischen Sprichwort in den Augen der verdrossenen Vereinsgenossen endgültig ins Abseits zu schießen. 

Am Ende des Abends stand das Bild einer weiter wachsenden Zwietracht in Reihen des Rekordmeisters, bei dem sich das Wort "turbulent" längst nicht mehr nur auf die sportliche Leistung beschränkt, und ein laut eigener Aussage "sehr" getroffener Präsident, der Vieles, insbesondere sich selbst und seine Arbeit, schnellstens auf den Prüfstand stellen sollte.