Erkenntnisse zu Bayerns Saisonauftakt: Die WM scheint verdaut

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Die Generalprobe für die kommende Saison ist geglückt: Im Supercup besiegte Meister Bayern München den Pokalsieger Eintracht Frankfurt klar und verdient mit 5:0 - besonders einige WM-Fahrer der Bayern, die beim Turnier in Russland enttäuschten, zeigten sich bereits wieder in einer guten Frühform. Mann des Spiels war Robert Lewandowski, der einen Hattrick schnürte. Aber auch Einwechselspieler Kingsley Coman und der umworbene Spanier Thiago konnten sich für einen Stammplatz empfehlen. 

Aus taktischer Sicht lieferte der Supercup noch wenige Erkenntnisse, wohin Neu-Trainer Niko Kovac den ​FC Bayern entwickeln möchte. Denn zum einen ließ Kovac die Bayern in dem von Jupp Heynckes bekannten 4-2-3-1 auflaufen, sodass Javi Martinez wieder im defensiven Mittelfeld zum Einsatz kam. Während der Vorbereitung hatte der Spanier noch des Öfteren als zentraler Verteidiger in einer Dreierkette agiert. Sollte Jerome Boateng den FC Bayern noch verlassen und kein neuer Verteidiger mehr kommen, dürften sich die Bestrebungen einer Dreierkette mit dann nur mehr Mats Hummels und Niklas Süle als gelernte Innenverteidiger im Kader allgemein vorerst erledigt haben. 

Noch viel Heynckes unter Kovac

Zum anderen blieb auch die spielerische Ausrichtung der unter Ex-Trainer Heynckes sehr ähnlich, was nicht zuletzt aber auch am Spielverlauf, dem frühen 2:0 und der insgesamt schwachen Leistung der ​Frankfurter Eintracht lag. So konnten die Bayern über weite Strecken das bekannte Ballbesitzspiel aufziehen. Auffällig war allerdings, dass Kovac seine Spieler situativ deutlich aggressiveres Pressing spielen ließ, indem die Mannschaft geschlossen aufrückte und zum Ball verschob. Unter Heynckes und auch Carlo Ancelotti hatte es nicht selten Anlaufmomente gegeben, in denen nur einzelne Spieler attackierten, die Pressinglinie leicht überspielt wurde und so die defensive Ordnung aus dem Gleichgewicht geriet. Im Offensivspiel stach heraus, dass der Rekordmeister trotz Franck Ribery und Arjen Robben in der Startelf stark auf Flanken - auch aus dem Halbfeld - setzte. Exemplarisch dafür stand das 1:0 von Lewandowski nach Flanke von Joshua Kimmich. Insgesamt 15 Flanken schlugen die Bayern in dem Spiel.

Über Form und Leistung der Defensivspieler lässt sich nach dem Supercup wenig sagen. Während die Außenverteidiger Kimmich und David Alaba vor allem in der Offensive in Erscheinung traten und je ein Tor vorbereiteten, musste sich die Innenverteidigung wenig auszeichnen. Während Niklas Süle allerdings erneut eine große Ruhe ausstrahlte und gute Chancen hat, als Stammspieler in die neue Saison zu gehen, wirkte Mats Hummels ab und an unsicherer und kam in einigen Zweikämpfen zu spät - wie beim Foul gegen Gacinovic, als sich der Nationalspieler auch über Rot wegen einer Notbremse nicht hätte beschweren können. Manuel Neuer absolvierte sein erstes Pflichtspiel für die Bayern seit fast einem Jahr und blieb weitestgehend beschäftigungslos - nur ein Frankfurter Schuss auf sein Tor stand am Ende zu Buche. Einziger Wermutstropfen ist die Verletzung von Alaba kurz vor Abpfiff: Der Linksverteidiger zog sich ​nach Angaben des Vereins eine schwere Knieprellung zu.

Thiago und Coman nutzen ihre Chance

Im zentralen Mittelfeld machten die Spanier Martinez und Thiago ein souveränes Spiel. Während Martinez das mannschaftliche Verschieben koordinierte, lief der Großteil des Spielaufbaus über Thiago. Der 27-Jährige war sichtlich motiviert, wie immer ballsicher und sich auch für keinen Defensivzweikampf zu schade - und belohnte sich durch sein Tor zum 5:0 für seine Leistung. In dieser Form wäre ein Wechsel von Thiago absolut ein Verlust. Thomas Müller spielte im offensiven Mittelfeld meist halbrechts hinter der Spitze und zeigte eine ordentliche Leistung. Der "Raumdeuter" hatte wenige entscheidende Szenen, bereitete aber das 3:0 durch einen Steilpass auf Lewandowski vor. 

Auf den Flügeln bekamen die Routiniers Ribery und Robben den Vorzug, waren ins Offensivspiel eingebunden, konnten aber wenige Akzente setzen. Es bleibt die Beobachtung, dass das Spiel der beiden Flügelstürmer ohne die nötige Grundschnelligkeit zu berechenbar ist. Die meisten gefährlichen Aktionen entstanden deshalb folgerichtig, wenn Alaba und Kimmich aufrückten und bis auf die Grundlinie überliefen. Oft war zu beobachten, dass Bayern die Überzahl auf den Außen ausspielte und dann über Flachpässe in den Rückraum Abschlüsse suchte.

Überzeugen konnte nach seiner Einwechslung aber vor allem Kingsley Coman, der nach überstandenem Syndesmosebandriss in Topform scheint. Gegen müde Frankfurter wurde es bei Comans schnellen Antritten immer wieder gefährlich - der Franzose erzielte das 4:0 und bereitete das 5:0 stark vor. In dieser Verfassung ist der 22-Jährige definitiv ein Kandidat für die Startelf. 

Mittelstürmer Robert Lewandowski hat seine enttäuschende WM mit Polen derweil anscheinend bereits hinter sich gelassen und erzielte gegen nicklig agierende Frankfurter einen Dreierpack. Nachdem die Bayern-Verantwortlichen klar machten, dass man Lewandowski nicht abgeben werde, scheint sich der Mittelstürmer mit seinem Verbleib abgefunden zu haben. 

Insgesamt zeigte der FC Bayern unter Neu-Trainer Niko Kovac knapp zwei Wochen vor dem ​Bundesligastart eine gute Frühform, wurde allerdings von einer Eintracht in der Findungsphase auch nicht entscheidend gefordert. Interessant dürfte werden, welche Bayern-Elf sich zu Beginn der Saison vor allem im zentralen Mittelfeld herauskristallisiert. Denn neben Weltmeister Corentin Tolisso war auch Kolumbiens James Rodriguez beim Supercup noch nicht im Kader. Für Trainer Kovac wird es darum gehen, die Mannschaft bis in die entscheidende Saisonphase zu perfektionieren.