5:3 nach 0:3 - Als Werder Bremen gegen Anderlecht ein Spiel in 24 Minuten drehte!

Soccrates Images/Getty Images
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Der SV Werder Bremen hat in seiner langen Geschichte viele spektakuläre Spiele absolviert. In diesen fußballlosen Wochen stellen wir euch die besten davon vor. Heute: das Champions-League-Gruppenspiel gegen den RSC Anderlecht in der Saison 1993/94.

In der Spielzeit 1993/94 nahm der SV Werder Bremen zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte an der Champions League teil. Diese war - als Nachfolgewettbewerb des Europapokals der Landesmeister - erst ein Jahr zuvor aus der Taufe gehoben worden. Nach zwei Hauptrunden, die die Norddeutschen gegen Dinamo Minsk und Lewski 1913 Sofia schadlos überstanden, wurden zwei Gruppen à vier Mannschaften gebildet, aus denen die jeweils zwei Bestplatzierten ins Halbfinale kamen.

Die Grün-Weißen (Gruppe B) erwischten mit dem Vorjahresfinalisten AC Mailand, dem FC Porto und dem RSC Anderlecht eine etwas schwierigere Konkurrenz als in der Parallelgruppe (mit dem FC Barcelona, AS Monaco, Galatasaray und Spartak). Nach einer 2:3-Auftaktniederlage in Porto standen die Werderaner am 8. Dezember bei ihrem Heimspiel gegen den belgischen Meister schon erheblich unter Zugzwang.

Nach einer halben Stunde führt RSC mit 3:0!

Die Belgier hatten in ihrem ersten Gruppenspiel zuhause immerhin dem AC Mailand, einem der Favoriten auf den Gesamtturniersieg, ein 0:0 abgetrotzt. Mit entsprechend viel Selbstvertrauen gingen die Brüsseler dann auch in die Partie im Weserstadion. Die 32.000 Zuschauer rieben sich jedenfalls zunächst ungläubig die Augen. Es spielten - und trafen - nur die lila-weißen Gäste. 16. Minute: 0:1 durch Philippe Albert. Kaum hatte sich Werder von dem Schock erholt, erhöhte Danny Bofin auf 2:0 für die Seinen (18.), und eine weitere Viertelstunde später war die Begegnung praktisch schon entschieden. Erneut hatte Bofin getroffen.

0:3 nach gut einer halben Stunde! Was war bloß mit Werder los? Das Beste an diesem ersten Durchgang war noch, dass es "nur" bei diesem 0:3 blieb. Denn die Belgier hätten bei konsequenterer Chancenverwertung durchaus mit einem höheren Vorsprung in die Kabine gehen können.

Otto Rehhagel beließ es zur Pause trotzdem bei nur einem Wechsel (Wolter kam für Herzog). Werder kam wütend und bemüht aus der Halbzeitpause. Dennoch stand es noch bis Mitte der zweiten Hälfte 3:0 für die Gäste. Zwar hatten die Bremer in den vergangenen Jahren für aufsehenerregende Aufholjagden (gegen Spartak Moskau und BFC Dynamo) gesorgt - doch an diesem Dezemberabend glaubte wohl keiner mehr im Stadion an die Wende.

Werders fantastische Aufholjagd binnen 24 Minuten

Bis zur 66. Minute zumindest. Da traf Wynton Rufer zum 1:3, und auf einmal ging ein Ruck durch die Mannschaft. Angepeitscht von den zuvor fast schon erstarrten Werder-Fans ließ die Mannschaft nun eine Angriffswelle nach der nächsten auf das von de Wilde gehütete Tor branden. Sechs Minuten nach Rufers Tor gelang Rune Bratseth der 2:3-Anschlusstreffer. Jetzt glaubte auch der Letzte im Stadion an ein neuerliches Wunder. Welches wiederum acht Minuten später, zumindest in Teilen, erreicht war: Bernd Hobsch erzielte das vielumjubelte 3:3. Binnen 14 Minuten hatten die Bremer aus einem 0:3 ein 3:3 gemacht!

Und sie wollten mehr. Jetzt waren es die Belgier, die wie gelähmt über den Platz liefen. Und es kam, wie es kommen musste: drei Minuten nach dem Ausgleich ging Werder durch Marco Bode zum ersten Mal in diesem Spiel in Führung. Die bis zum Schluß nicht mehr aus der Hand gegeben wurde. Abermals Rufer besorgte in der Schlussminute sogar noch das 5:3. Der SV Werder Bremen hatte sich sprichwörtlich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen.

Am Ende jedoch verpassten die Hanseaten den Einzug in das Halbfinale. Sieger des Wettbewerbs wurde der AC Mailand, der in einem denkwürdigen Finale das favorisierte Dream Team von Cruyff's FC Barcelona mit 4:0 bezwang.