Lügt die Tabelle? Hier gehört der BVB wirklich hin

Die Tabelle lügt nicht – sagt man. Doch im Fall von Borussia Dortmund lohnt sich ein zweiter Blick. Platz drei nach elf Spieltagen, sieben Gegentore – auf den ersten Blick liest sich das ordentlich. Doch ein 1:1 gegen einen Aufsteiger sorgt für Kritik, die längst nicht nur emotional zu erklären ist.
Wer ist Schuld - Trainer oder Kader?
Wer ist Schuld - Trainer oder Kader? / Jürgen Fromme - firo sportphoto/GettyImages
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Beim 1:1 in Hamburg ging der BVB zwar in Führung, doch danach stellte man das Offensivspiel nahezu komplett ein. Gegen einen Aufsteiger im Abstiegskampf reichte es am Ende nicht für den Sieg – ein Problem, das sich durch die gesamte Saison zieht. Während Leverkusen Heidenheim mit 6:0 zerlegt, die Bayern den HSV mit 5:0 abschießen und Leipzig Augsburg mit 6:0 vom Platz fegt, schafft Dortmund es nicht, den eigenen Anspruch in Tore umzumünzen.

Dabei hat die Defensive durchaus Format: Nur sieben Gegentreffer sprechen für eine stabile Organisation. Doch die Offensive bleibt das große Fragezeichen. Woran liegt es?

Kovac hat die Mentalität, aber nicht die Durchschlagskraft

Lange wurde in Dortmund die mangelnde Mentalität beklagt. Dieses Problem scheint Niko Kovac im Griff zu haben. Kämpferisch tritt die Mannschaft geschlossen auf, die Stabilität stimmt. Aber: Das allein reicht nicht.

Kritik an Kovac gibt es schon seit Jahren – nicht wegen fehlender Kompetenz, sondern wegen seines Offensivansatzes. Dabei ist das Dortmunder Spiel keineswegs ideenlos. Mit gezielten Überladungen, tiefen Läufen oder cleveren Bewegungen von Offensivakteuren werden Räume geöffnet. Nur fehlt es an den passenden Spielern, um diese Räume auch effektiv zu nutzen.

Kovac oder Kader – wo liegt das Problem?

Die Optionen im Eins-gegen-eins sind überschaubar. Karim Adeyemi oder Maximilian Beier verfügen zwar über Tempo, aber nicht über das Durchsetzungsvermögen im Dribbling, das es braucht, um festgefahrene Defensiven zu knacken. Genau das ist aber immer häufiger gefordert, denn Gegner stellen sich zunehmend tief gegen den BVB. Spieler wie Carney Chukwuemeka konnten die Lücke bislang nicht füllen.

Auch Julian Brandt, einer der wenigen echten Kreativspieler im Kader, schwankt in seiner Form. Fehlen er, oder auch Serhou Guirassy, gibt es im offensiven Zentrum schlicht zu wenige Alternativen, die ein Spiel mit individueller Klasse auflösen können. Selbst Hoffnungen auf einen Spieler wie Rayan Cherki, den Dortmund mehrfach umwarb, zerschlugen sich letztlich. Es fehlt nicht nur an Durchschlagskraft, sondern auch an kreativen Überraschungsmomenten.

Ein Blick auf die Statistik von Fotmob zeigt das Problem deutlich: Bei den Expected Goals liegt Dortmund ligaweit nur auf Platz acht, bei Torschüssen auf dem elften Rang, bei Großchancen sogar nur auf Platz 13. Für ein Team mit einem Kaderwert von über 500 Millionen Euro ist das schlicht zu wenig. Zumal sich ähnliche Muster auch in den direkten Duellen mit Schwergewichten zeigen: Gegen Juventus und Leipzig reichte es nur zu Unentschieden, gegen Bayern und Manchester City setzte es jeweils deutliche Niederlagen. Und der Spielplan? Der bringt mit Stuttgart und Leverkusen in den kommenden Wochen zwei Gegner, die sich aktuell mindestens auf Augenhöhe mit dem BVB bewegen.

Immerhin: Gegen Frankfurt setzte man sich im Pokal nach Elfmeterschießen durch – auch wenn es nach 90 Minuten ebenfalls nur ein Remis war. Beim Duell mit Juventus war es ausnahmsweise nicht die Offensive, die Anlass zur Kritik gab. Stattdessen offenbarte das Spiel, dass auch die sonst so stabile Defensive der Dortmunder anfällig sein kann.

Opta glaubt an Platz zwei – aber reicht das?

Defensiv bleibt der BVB stark: Nur 0,7 Gegentore pro Spiel und lediglich 9,5 xG gegen sich – das ist Platz zwei hinter Bayern. So lange man hinten nichts zulässt, kann man vorne auch mit einem Treffer gewinnen. Doch in einem Spitzenduell oder auf europäischer Bühne reicht das oft nicht.

Opta sieht Dortmund dennoch aktuell mit 40 Prozent Wahrscheinlichkeit auf dem zweiten Platz. Die Tabelle lügt nicht – aber sie erzählt auch nicht die ganze Wahrheit. Wer ernsthaft mit dem FC Bayern konkurrieren will, braucht mehr als nur defensive Ordnung.

Ein optisch ansprechender Sieg gegen einen Gegner auf Augenhöhe wäre nicht nur ein Zeichen an die Liga, sondern auch ein wichtiges Signal an die eigenen Fans. Vielleicht muss Dortmund sich endlich wieder trauen, mehr zu wollen – und nicht nur genau so viel zu machen, wie nötig.


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