Lina Magull über ihre Depressionen: "Sah keinen Sinn im Leben mehr"
Von Florian Rümmele

Lina Magull, langjährige Bundesliga-Spielerin in Freiburg, Wolfsburg und beim FC Bayern und aktuell in Diensten von Inter Mailand, hat im Podcast 'Wie geht's' mit Nationalspieler Robin Gosens erstmals ihre Depressionen öffentlich gemacht. Magull machte in dem Gespräch deutlich, dass sie nach der erfolgreichen Europameisterschaft 2022 Motivationsprobleme im Bundesliga-Alltag hatte.
Ausgelaugt nach Karriere-Höhepunkt: Magull im Sommer 2022
"Ich konnte nicht mehr dieselbe Motivation finden wie für dieses Turnier", erklärte Magull die Zeit nach der Finalniederlage gegen England. "Ich war ausgelaugt von dem Turnier." Die kurze Pause zwischen Turnier und Vorbereitungsstart beim FC Bayern hätte nicht gereicht, um das Erlebte zu verarbeiten. Wieder in München angekommen, musste Magull sich zudem neuen sportlichen Herausforderungen stellen: Mit Alexander Straus hatte der FCB einen neuen Trainer verpflichtet, neue Spielerinnen sorgten für einen größeren Konkurrenzkampf. Auch das Kapitänsamt wurde für Magull nach eigener Aussage zur Belastung: "Mir wurde das zu viel, ich war nicht mehr so locker drauf wie früher."
Die 77-fache Nationalspielerin wollte es als Spielführerin allen recht machen und war zudem das Gesicht des Frauenfußballs in Deutschland. Eine Person, auf die sich vieles projiziert, auch der Hype der Fans und der Medien. Zu viel Druck für Magull, die sich in der Folge nur selten mit dem eigenen Spiel zufrieden zeigen konnte. "Ich habe immer das gesehen, was nicht gut war, da war ein Fehlpass, da habe ich einen Zweikampf verloren. Das war immer etwas, womit ich zu kämpfen hatte."
Zweifel nach der verkorksten Weltmeisterschaft
Die Inter-Spielerin setzte sich nach eigener Aussage immer mehr selbst unter Druck und legte als erste Konsequenz nach der Saison 2022/2023 das Kapitänsamt beim FC Bayern nieder. Die Mittelfeldspielerin erlebte nach der auch persönlich enttäuschenden Weltmeisterschaft 2023 ein großes Tief und fühlte sich sowohl im Verein, als auch in der Nationalmannschaft nicht mehr gut genug. Zweifel, die sie auch abseits des Platzes beschäftigten: "Da geht es gar nicht mehr darum: Bin ich nicht mehr gut genug als Fußballerin? Sondern du hinterfragst dich dann auch: Bin ich allgemein kein guter Mensch mehr?'"
Zurück in München, bemerkte die Kreativspielerin bald, dass sie eine Veränderung braucht. Im Januar 2024 hieß es dann für Magull: Raus aus München, raus der Komfortzone. Ein Schritt, der für Magull sich anfangs als "Kulturschock" darstellte. Die Deutsche Meisterin zeigte sich nach eigener Aussage überfordert mit der Situation und wähnte sich in Mailand am falschen Ort. "Ich habe kaum noch geschlafen, ich habe gemerkt, ich kann meine Gedanken nicht mehr kontrollieren. Ich hatte Panikattacken."
Magull berichtet weiter von einem Kontrollverlust über ihren Körper und ihren Kopf. Obwohl sie sich vielen Menschen anvertraute und öffnete, trat keine Besserung der Situation ein. Niemand - auch sie selbst nicht - wollte die Erkrankung benennen. Nach der ersten Halbserie in Mailand reiste Magull in die Heimat nach Dortmund und begab sich nach einem Urlaub in ärztliche Behandlung.
"Sah keinen Sinn mehr im Leben" - Magull lässt sich behandeln
Die Anmeldung in einer Privatklinik sei der schwierigste Schritt in ihrem Leben gewesen, so Magull im Gespräch mit den Moderatoren. Ein wichtiger Schritt, da Magull zu diesem Zeitpunkt nach eigener Aussage keinen Sinn mehr im Leben sah und eine Veränderung erzwingen musste. Ein schwieriger Schritt aber auch, da Magull die Behandlung anfangs abbrechen wollte: "Ich konnte nicht akzeptieren, dass ich da bin."
Nachdem Magull aber ihre Erkrankung akzeptierte, kehrte Besserung ein. Nach sechs Wochen Behandlung konnte die 30-Jährige die Klinik schlussendlich verlassen. Am meisten hätten ihr rückblickend die Kunsttherapie und die viele Einzelgespräche mit Betroffenen und Therapeuten geholfen.
Zurück in Mailand am "richtigen Ort": Magull schafft Comeback
Die Rückkehr nach Mailand war allerdings nicht ohne Risiko. Gemeinsam mit den Ärzten hätte man aber entschieden, es nochmal zu probieren. Magull lobt in diesem Zusammenhang ihren Arbeitgeber, der sie besonders unterstützte und ohne jegliche Vorbereitung zwei Wochen vor dem ersten Saisonspiel zurück im Team integrierte. Magull abschließend: "Es ging ganz schnell und ich habe gemerkt - das ist der richtige Ort."
Mit Inter Mailand schaffte Magull in der abgelaufenen Saison Historisches: Erstmals qualifizierten sich die Blau-Schwarzen für die UEFA Women's Champions-League-Qualifikation. Magull steuerte sechs Tore und drei Vorlagen zum Erfolg bei.
Weitere Frauenfußball-News lesen:
feed