Kommentar zum FC Liverpool: Geld schießt keine Tore
Von Fabian Küpper

487 Millionen Euro –eine Summe, für die man sich so einiges kaufen kann. Zum Beispiel ein SpaceX-Ticket für 40 Millionen, einen Bugatti La Voiture Noire für elf Millionen und eine der teuersten Villen der Welt: die Villa Leopolda an der Cote d'Azur mit insgesamt 19 Schlafzimmern, diversen Pools und einem acht Hektar großen Garten. Kostenpunkt: 350 Millionen. Und selbst dann hätte man immer noch 86 Millionen Euro übrig.
Man kann es jedoch auch wie der FC Liverpool machen und diese Summe in sechs Spieler investieren, darunter die zwei teuersten Transfers der Premier-League-Geschichte. Doch wie Otto Rehhagel schon einst wusste: Geld schießt keine Tore. Das lernen sie aktuell an der Merseyside auf die harte Tour.
Das Ende einer Serie
Denn gegen Galatasaray ging das vor der Saison so hochgelobte Team mit 0:1 baden, es war das erst zweite Spiel in der Ära von Arne Slot, in dem die Reds kein eigenes Tor erzielen konnten. Die Premiere? Am dritten Spieltag der letzten Saison gegen Nottingham Forest am 14. September 2024.
Es ist angesichts der ganzen kostspieligen Zugänge im Sommer ein alarmierendes Signal, schließlich tat man sich auch schon bei der Niederlage gegen Crystal Palace schwer und hatte zuvor bereits etliche Spiele, in denen man erst kurz vor Schluss einen Treffer erzielen konnte. Aber warum hat Liverpool seine Balance verloren, wie Jamie Carragher sagen würde. Das hat mehrere Gründe.
Das Problem mit Isak und Frimpong
Der offensichtlichste Grund ist die aktuelle Formkrise von Florian Wirtz und Alexander Isak. Ja, der Deutsche bekommt zur Zeit die Hauptkritik ab, doch auch Isak wartet noch immer auf seinen Premierentreffer für die Reds. Zwar kommt er aus einer Verletzung, aber ein Stürmer von seinem Format, der die Premier League kennt, muss schneller auf Betriebstemperatur sein, allein schon wegen des Preisschilds von 145 Millionen Euro. Doch der Schwede wirkt zuweilen immer noch wie ein Fremdkörper, sein Konkurrent Hugo Ekitike ist da schon deutlich weiter und aktuell sogar Top-Torjäger des Teams.
Apropos Bundesliga: Aus dieser kam neben Ekitike und Florian Wirtz auch Jeremie Frimpong zum amtierenden englischen Meister. Und hier ist die vielleicht größte Veränderung im Vergleich zur letzten Saison. Denn Frimpong ist ein gänzlich anderer Außenverteidiger als es Trent Alexander-Arnold war. Der Engländer rückte bei eigenem Ballbesitz als Falseback ins zentrale Mittelfeld auf, um eine zusätzliche Anspielstation zu schaffen. Frimpong hingegen klebt förmlich auf seiner Seite, seine Tiefenläufen haben noch nicht den Effekt wie einst bei Leverkusen. Das liegt auch daran, dass er wieder in einer Viererkette verteidigen muss, er ist jedoch mehr Wingback als klassischer Außenverteidiger.
Seine Stärken kommen am besten in einer Formation mit Dreierkette zur Geltung. Frimpong ist nun mal ein Spieler mit unheimlichen Offensivdrang, seine Schwächen in der Defensive sind hinlänglich bekannt. Das weiß auch Arne Slot, der ihn für die Niederlage bei Crystal Palace verantwortlich machte. "Einer unserer Spieler hat beschlossen, rauszulaufen, weil er einen Konter starten wollte, was aber sinnlos war, da die Zeit abgelaufen war“, schimpfte Slot nach dem Spiel. Frimpong hatte sich vom Torschützen Eddie Nketiah entfernt, obwohl er dem Palace-Profi in der Situation zugeteilt war. Dabei war der Niederländer in jenem Spiel auch erst für Connor Bradley eingewechselt worden, einen Stammplatz hat er aufgrund jener defensiven Defizite nicht. Dass Slot gegen Galatasaray aber lieber Dominik Szoboszlai als Rechtsverteidiger spielen, wirkt da wie der metaphorische Schlag ins Gesicht für Frimpong. Noch deutlicher hätte Slot ihm nicht zeigen können, wo er aktuell in der Hackordnung steht.
Die Wirtz-Frage
Szoboszlai ist dabei ein gutes Stichwort. Der Ungar ist aktuell der wichtigste Kreativspieler der Reds und hat den Platz auf der "Zehn" eigentlich gepachtet. Und genau das ist ein Grund für die Anpassungsschwierigkeiten von Florian Wirtz. Der 22-Jährige ist ein klassischer Zehner bzw. ein offensiver Achter. Allerdings muss er aufgrund von Szoboszlai stets im linken offensiven Halbraum agieren, eine für ihn ungewohnte Position. Dort kann er seine Stärken nicht so gut ausspielen. Wirtz ist dann am besten, wenn er sich aufdrehen kann, wenn er das Feld vor sich hat und selbst entscheiden kann, ob er den Pass spielt oder selbst zum Abschluss kommt. In diese Situationen kommt er noch zu selten, was wie angesprochen mit der ungewohnten Position zu tun hat.
Es ist bezeichnend und zugleich ironisch, dass von allen hochgelobten Offensivspielen neben Ekitike und Mohammed Salah aktuell Federico Chiesa am verlässlichsten knipst und seine Leistungen bringt. Jener Chiesa, den sie im Sommer eigentlich verkaufen wollten und ihn zunächst auch nicht für die Champions League meldeten.
Blind eingekauft?
Es wirkt daher bislang so, als habe Liverpool im Sommer viele Spieler eingekauft, einfach "weil sie es können". Hier muss man die Fenway Group, die Eigentümer Liverpools, kritisieren, es verfestigt sich der Eindruck als hätten sie nur nach Namen und nicht Kompatibilität eingekauft. Frimpong etwa passt nicht ins System und ist nicht der Typ Außenverteidiger, den Arne Slot bevorzugt. Gleichzeitig hat man mit Florian Wirtz und Dominik Szoboszlai zwei ähnliche Spielertypen im Kader, die am besten auf derselben Position sind. Die Leidtragenden sind aktuell Isak und Ekitike, die zu wenig Bälle bekommen. So ist es auch kein Wunder, dass Liverpool trotz der hochkarätigen Neuzugänge aktuell sogar torungefährlicher ist als letzte Saison (2,00 xGoals zu 2,26 xGoals). Zumindest Ekitike scheint jedoch angekommen, es spricht für seine Qualität, dass er trotz der offensiven Probleme bereits bei drei Saisontoren in der Premier League steht. In seinem Fall gilt also wirklich: Geld schießt Tore. Für die restlichen 392 Millionen Euro gilt das allerdings nicht.
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