Kommentar: Nein, das neue PSG ist nicht besser als das alte

Bei allem Lob für die neu gewonnene Teamchemie, die Arbeit von Trainer Luis Enrique und den atemberaubenden Kombinationsfußball darf eins nicht vergessen werden: Der Champions-League-Sieg von PSG ist immer noch der Triumph eines Milliardenprojekts.
Ousmane Dembele und Achraf Hakimi am Jubeln.
Ousmane Dembele und Achraf Hakimi am Jubeln. / Justin Setterfield/GettyImages
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Paris Saint-Germain hat es geschafft. 14 Jahre nach der Übernahme durch den katarischen Staatsfond hat PSG die Champions League gewonnen. Das Ziel, für das das Projekt überhaupt ins Leben gerufen wurde - es ist erreicht.

Und das in einer Saison, zu deren Beginn wohl so wenige wie selten seit der Übernahme den Parisern den großen Wurf zugetraut haben. Mit Kylian Mbappé hatte auch der Letzte des einstigen Superstartrios den Klub verlassen, Neymar und Lionel Messi waren bereits ein Jahr zuvor gegangen.

Lobeshymnen für neuen Weg

Die Ironie, dass die Mannschaft nach den Abgängen der Weltstars besser spielt, bestimmt dieser Tage die Berichterstattung. "Das ist das neue PSG. Ohne Beckham, Ibrahimovic, Messi, Neymar, Mbappé, Cavani, di Maria und Co", stimmte ZDF-Kommentator Oliver Schmidt bereits kurz vor der Halbzeit die Lobeshymnen an.

Die FAZ titelt in einem Vorbericht zu dem Endspiel: "Paris Saint-Germain glänzt ohne Stars." Der SID schreibt, dass PSG den Titel "ganz ohne Superstars" eingefahren habe. Und die Zeit setzte noch einen obendrauf und erklärte den Finaleinzug zu einem Triumph der Fußballromantik. "Das müsste den Romantikern doch gefallen", liest sich dort eine Überschrift.

Katar-Geld immer noch der größte Erfolgsgrund

Angesichts solcher Zitate könnte man den Eindruck bekommen, da wird gerade eine Außenseitergeschichte geschrieben. Die Mannschaft von Luis Enrique, der niemand etwas zugetraut hat, wächst über sich hinaus und kann endlich die große Sehnsucht stillen. So oder so ähnlich. Doch die Realität ist eine andere: Genauso wie in den Jahren zuvor ist auch das PSG dieser Tage eine zusammengekaufte Startruppe. Der Hauptgrund für den Erfolg: weiterhin das Investment aus Katar.

Ja, noch nie war die Elf von PSG so sehr eine Mannschaft wie in dieser Saison. Trainer Luis Enrique hat es geschafft, dass alle Spieler füreinander arbeiten und sich gegenseitig besser machen. Dafür verdient der Spanier Anerkennung, keine Frage. Doch man sollte nicht beschönigen, wie der Klub diesen Kader zusammengestellt hat.

Immer noch ein großes Transferminus

240 Millionen Euro gab Paris in dieser Saison für Transfers aus, 110 Millionen Euro mehr, als der Klub einnahm. Das Transferminus ist das fünfthöchste in Europa. Zum Vergleich: Der FC Bayern verzeichnet ein Transferminus von 65 Millionen Euro. Nimmt man die Vorsaison hinzu, gab sogar nur der FC Chelsea mehr aus als Paris.

Seit der Übernahme Katars 2011 liegt das Transferminus PSGs sogar bei ganzen 1,4 Milliarden Euro. Der FC Bayern kommt nicht einmal auf die Hälfte (582 Millionen Euro). Der französische Hauptstadt-Klub hat gegenüber seiner Konkurrenz finanziell einen alles entscheidenden Vorteil. Das wird auch am diesjährigen Kader deutlich.

Finalheld Desiré Doué war im Sommer ebenfalls bei den Bayern im Gespräch. Die Münchener hatten der Bild zufolge 50 Millionen Euro plus Boni geboten. Die Chancen standen nicht schlecht. Doch dann schlug Paris zu. Für 60 Millionen Euro wechselte der 19-Jährige zu PSG. Eine Summe, die der deutsche Rekordmeister nicht mitgehen wollte.

PSGs Fehler bleiben ohne Konsequenzen

Der Teenager hatte zu diesem Zeitpunkt zwei Saisons im Profifußball auf dem Buckel und hatte dabei in 57 Einsätzen 13 Scorerpunkte gesammelt. 60 Millionen Euro für einen solchen Spieler auszugeben ist ein enormes Risiko. Für einen Verein wie den FC Bayern, der sich Sorgen darum machen muss, wie er den Deal refinanziert. Für einen Klub wie PSG eben nicht.

Durch das Geld aus Katar können die Franzosen viel sorgenfreier auf dem Transfermarkt agieren als die meisten anderen Anwärter auf den Henkelpott. 95-Millionen Mann Randal Kolo Muani floppt komplett? Halb so wild. Dann wird der eben im Winter in die Serie A verliehen und der beste Spieler des Tabellenführers der italienischen Liga kommt im Gegenzug.

Es ist immer Geld da

Khvicha Kvaratskhelia verzichtete im Januar auf den Titelkampf mit der SSC Neapel, um nach Paris zu wechseln. Am Vesuv hätte der Georgier mit einem zweiten Meistertitel - den Napoli nun auch ohne ihn holte - mit Diego Maradona gleichziehen können und wäre endgültig unsterblich geworden.

"Kvaradona" ging jedoch lieber in die deutlich prestigeärmere Ligue 1. Zu dem Zeitpunkt war auch noch nicht abzusehen, dass er mit seinem neuen Team um den Henkelpott spielen würde. Als der Deal offiziell wurde, stand PSG auf Platz 25 der Champions-League-Tabelle. Das direkte Aus nach der Ligaphase drohte.

Warum entschied sich Kvaratskhelia also für den Wechsel? Die Antwort ist einfach. In Paris soll der 24-Jährige 16 Millionen Euro im Jahr verdienen. In Neapel waren es dem Vernehmen nach zwei. 70 Millionen Euro machte PSG locker, um den Flügelspieler unter Vertrag zu nehmen. Die Summe zu stemmen - kein Problem. Trotz des Kolo-Muani-Debakels und des ablösefreien Abgangs von Mbappé.

Mbappé-Abgang verkraftbar

Das ist die andere Seite der Mbappé-Geschichte. Ja, die Memes sind lustig. Aber es sollte kritischer darüber geredet werden, dass ein ablösefreier Verlust eines Weltstars PSG nicht schmerzt. Obwohl der Klub einst 180 Millionen Euro für ihn ausgegeben hat.

Der ehemalige italienische Serienmeister Juventus Turin erholt sich bis heute von den finanziellen Folgen des Ronaldo-Deals. Und hat noch lange nicht zu alter Stärke zurückgefunden. Juve kann eben nicht mit staatlichem Geld agieren.

Triumph durch Wettbewerbsverzerrung

Und so muss man festhalten: Das Modell Paris Saint-Germain ist und bleibt Wettbewerbsverzerrung. Und dann haben wir noch gar nicht über die moralischen Aspekte einer Beteiligung des Staates Katar an einem Fußball-Klub geredet. Über dessen Verfehlungen sollte spätestens seit der WM 2022 jeder Bescheid wissen. Der Champions-League-Sieg soll nun dazu dienen, das Image des autoritäten Regimes zu verbessern.

Fußballromantik sucht man bei diesem Trimuph also vergebens. Die Pariser haben sich mit der neuen Strategie sportlich enorm verbessert. Das hat diese Saison eindrucksvoll gezeigt. Von einem neuen PSG, das sich im Vergleich zum alten PSG positiv abhebt, kann und sollte aber dennoch nicht die Rede sein.


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