Kommentar: Mit diesem System gewinnt der BVB keinen Blumentopf

Borussia Dortmund startet holprig in die neue Saison. Die ersten Eindrücke bereiten Sorgen, vor allem bezüglich der Kaderplanung und der taktischen Ausrichtung.
Niko Kovac' Dreierkette geht beim BVB nicht auf
Niko Kovac' Dreierkette geht beim BVB nicht auf / Lars Baron/GettyImages
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Es gab am Samstagabend, im Rahmen des ersten Bundesliga-Spieltags, einen Satz von Niko Kovac, der bemerkenswert war: "Wir haben aus unseren Qualitätsspielern das Maximum rausgeholt", analysierte ein unzufriedener Kovac am Sky-Mikrofon. Das reicht bei Borussia Dortmund in Summe dann für ein glückliches Unentschieden am Millerntor. Und es zeigt: der BVB ist abhängig von der individuellen Qualität, weil das System ein Nullsummenspiel ist.

Niko Kovac hat beim BVB auf Dreier-, respektive Fünferkette umgestellt. Dieses System kann grundsätzlich funktionieren, entweder als defensive Variante und der offensiven Auslegung auf Konter, oder als offensives Überlastungssystem, bei dem die Schienenspieler extreme Torgefahr mitbringen. In Perfektion hat das etwa Bayer Leverkusen unter Xabi Alonso gespielt.

Baustellen auf den Außen und im defensiven Mittelfeld

Beim BVB hat man weder das eine, noch das andere. Die beiden Schienenspieler, aktuell Yan Couto und Daniel Svensson, sind extrem offensiv ausgerichtet, dafür aber entweder nicht ausgebildet oder nicht gut genug. In der Rückwärtsbewegung hat vor allem Couto enorme Probleme. Mit Julian Ryerson klappt das besser, der Norweger ist allerdings fußballerisch limitiert; als Flügelspieler funktioniert er nicht.

Hinzu kommt das Fehlen einer Holding Six, eines defensiven Staubsaugers im Mittelfeld. Den soll Kovac gefordert haben, die Verantwortlichen erfüllten ihm den Wunsch aber nicht. Mit Felix Nmecha habe man einen solchen Spieler. Nmecha glänzt allerdings mit seinen offensiven Qualitäten; in der Rückwärtsbewegung fehlen dem verletzungsanfälligen 24-Jährigen oft ein paar Meter, auch aufgrund fehlender Bereitschaft, sie wirklich zu gehen. Die Defizite eines Spielers, der offensiv und nicht defensiv denkt.

Was also will, was also kann dieser Kader? Im Zentrum mangelt es an kombinatorischen Fähigkeiten. Pascal Groß und Marcel Sabitzer, die aktuell gesetzt sind, rücken nicht - zumindest kaum - in das letzte Drittel vor. Groß tut das auf dem rechten Flügel, wo er dann Ryerson oder Couto auf den Füßen steht. Und der Zehner im System von Kovac, aktuell Jobe Bellingham oder Julian Brandt, wird alleine gelassen und soll gegen zwei, drei, vier Gegenspieler etwas kreieren.

Zwangsläufig wird der Ball daher auf Außen gespielt. Dort fehlt es aber an offensiv begabten Flügelspielern. Daniel Svensson hat seine Momente, ist aber alles andere als ein dribbelstarker Offensivspieler. Der BVB hat viel Laufkraft auf den Außen, das reicht für dieses System aber nicht. Die Gegner können die Räume auf den Schienen getrost offen lassen und das Zentrum verdichten, da von Außen keine Gefahr ausgestrahlt wird. Da fehlen, wie in den Vorjahren etwa bei Bayer Leverkusen, Spieler des Kalibers Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong.

Stürmer verhungern: Vorne kommt beim BVB nichts an


Im Zentrum stehen sich die BVB-Stars eigentlich nur auf den Füßen rum, da im Raum zwischen Mittelfeld und Sturm die Optionen fehlen. Vorne wartete die Doppelspitze, bestehend aus Serhou Guirassy und wahlweise Karim Adeyemi und Maximilian Beier, verzweifelt darauf, endlich gefüttert werden. Guirassy kann mit Einzelaktionen glänzen und hat sowohl in Essen, als auch am Millerntor aus dem Nichts zwei Treffer erzielt. Damit ist - wie Kovac sagt - das Maximum der Qualitätsspieler ausgeschöpft.

Das System Kovac kann grundsätzlich funktionieren, doch braucht es dafür anderes Spielermaterial. Auf den Flügel fehlt offensive Qualität, in der Mittelfeldzentrale ein klarer Sechser. Dafür muss Kovac einen weiteren Zentralen opfern, damit die Mitte dicht ist. Die Offensive kommt somit zum Erliegen. Und in der Abwehr schieben sich die drei Verteidiger den Ball zu, ohne Plan und Idee, wohin der Ball eigentlich kommen soll. Daraus resultiuert oftmals viel Ballbesitz ohne Raumgewinn.

Der Kader funktioniert nicht - jetzt muss die Mentalität herhalten

Was man dem BVB unter Kovac zugute halten muss: die Defensivarbeit hat sich verbessert, grundsätzlich schafft die Dreierkette eine defensiv stabilere Grundordnung und scheint der Mannschaft Sicherheit zu geben.

Woran es fehlt, ist ein offensiver Plan. Und nach den ersten beiden Pflichtspielen der Saison fehlt auch die Fantasie, wie aus diesem Kader eine funktionierende Offensive entstehen soll. Mit Carney Chukwuemeka wird das verbleibende Budget nun in einen weiteren Zehner, bzw. Zentralen gesteckt, der den Kollegen auf den Füßen stehen wird. Das klappt hinten und vorne nicht.

Worauf der BVB nun setzen muss, ist Kampf, Disziplin und Leidenschaft. Kovac'sche Tugenden, die in der Rückrunde der abgelaufenen Saison zu einer irren Siegesserie geführt haben, die dem BVB in Essen und am Millerntor aber komplett abgingen. Beim BVB geht es vorerst aber nur über die Mentalität und über die Qualitätsspieler - taktisch gewinnen die Schwarz-Gelben derzeit nämlich keinen Blumentopf.


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