Kann der FC Bayern nicht richtig verkaufen?
Von Leonard Schmidt

Was die Aktivitäten auf dem Transfermarkt angeht, galten die Bayern lange als ruhiger Kandidat mit wenigen Top-Transfers. Selten beteiligte man sich am Wettbieten um die großen Superstars, und bis heute gab es keine Ablösesumme über 100 Millionen Euro. Harry Kane kam mit 95 Millionen am nächsten heran. Doch während man bei den Zugängen vereinzelt Akzente setzen konnte, wirkt man bei den Abgängen komplett unauffällig.
Der Rekordabgang ist noch immer Matthijs de Ligt für 45 Millionen Euro. Ein Spieler, der das Potenzial zum Weltklasse-Verteidiger hatte. Allein der BVB hat sieben Verkäufe, die mehr einbrachten. Der FC Barcelona verkaufte Neymar für 222 Millionen Euro, Real Madrid Cristiano Ronaldo für 117 Millionen Euro und der FC Liverpool Philippe Coutinho für 135 Millionen Euro.
Selbst mit wenig Wissen über den Transfermarkt stellt sich die Frage: Kann Bayern nicht richtig verkaufen?
Bayerns Top-Transfers im Überblick
Um diese Frage zu beantworten, muss man einige der Abgänge einordnen. De Ligt zum Beispiel ging für 45 Millionen Euro nach Manchester, nachdem man ihn für 67 Millionen Euro verpflichtet hatte. Die Leistung war nicht das Problem, vielmehr wollte man die Gehaltsstruktur entlasten. Lucas Hernández verließ Bayern ebenfalls für 45 Millionen Euro Richtung PSG, nachdem man 80 Millionen Euro bezahlt hatte. Gründe für den Abschied: Verletzungen und eher durchschnittliche Leistungen im Verhältnis zur Transfersumme.
An diesen Beispielen erkennt man gut, dass bei einem Verkauf und der Wertbestimmung eines Spielers viele Faktoren eine Rolle spielen. Man kann also nicht einfach sagen, dass Bayern seine Spieler grundlos für wenig Geld abgibt. Dennoch fallen bei den Abgängen der letzten Jahre immer wieder bestimmte Probleme auf.
Drei merkbare Probleme bei Bayern-Abgängen
Das erste Problem ist ein Trend, der sich bei vielen Transfers zeigt: Spieler kommen für viel Geld und mit hohen Erwartungen. Werden diese Erwartungen nicht erfüllt, sinkt der Marktwert. Unabhängig davon, ob der Spieler weiterhin solide spielt. In der beigefügten Tabelle erkennt man an ausgewählten Beispielen deutlich, wie viele Top-Transfers unter ihren Marktwert fallen. Das Umfeld der Bundesliga, zu hohe Ablösen beim Kauf und die hohen Erwartungen des Bayern-Umfeldes sorgen dafür, dass Spieler selten an Wert gewinnen.
Name | MW bei Kauf | MW bei Verkauf | Verlust |
|---|---|---|---|
Matthijs de Ligt | 70 Mio. Euro | 58 Mio. Euro | - 12 Mio. Euro |
Lucas Hernández | 70 Mio. Euro | 45 Mio. Euro | - 25 Mio. Euro |
Sadio Mané | 70 Mio. Euro | 25 Mio. Euro | - 45 Mio. Euro |
João Palhinha | 55 Mio. Euro | 30 Mio. Euro | - 15 Mio. Euro |
Das zweite Problem ist die Einschätzung der Bayern-Bosse beim Verkauf. Viele Spieler, die man intern als überflüssig einstufte, explodierten in einem anderen Umfeld. Ryan Gravenberch ging für 40 Millionen Euro nach Liverpool und ist inzwischen 90 Millionen Euro wert. Joshua Zirkzee wurde (dank einer Verkaufsbeteiligung) für insgesamt 27,5 Millionen Euro verkauft und erreichte zwischenzeitlich 50 Millionen Euro. Während das Bayern-Umfeld den Wert seiner eigenen Spieler drückt, schaffen andere Klubs es, ihre Neuzugänge aufzubauen. Auch hier zeigt die Tabelle ausgewählte Beispiele für Wertsteigerungen nach einem Bayern-Abgang.
Name | Verkauft für | MW nach Verkauf | Wachstum |
|---|---|---|---|
Ryan Gravenberch | 40 Mio. Euro | 90 Mio. Euro | + 50 Mio. Euro |
Toni Kroos | 25 Mio. Euro | 80 Mio. Euro | + 55 Mio. Euro |
Pierre-Emile Højbjerg | 15 Mio. Euro | 45 Mio. Euro | + 30 Mio. Euro |
Malik Tillman | 12 Mio. Euro | 35 Mio. Euro | + 23 Mio. Euro |
Das dritte Problem: Andere Topklubs verkaufen ihre angesehenen Spieler weit über Marktwert. Coutinho wechselte für 45 Millionen Euro über seinem Wert, Ronaldo für 17 Millionen Euro, Neymar sogar für 122 Millionen Euro darüber. Natürlich hat jeder Transfer eigene Faktoren, doch Bayern gelingt es selten, sich in Verhandlungen dominant zu positionieren oder Spieler über Wert zu bewerben und zu verkaufen.
Dazu kommt auch ein ungünstiges Timing. Spieler laufen viel zu oft ins letzte Vertragsjahr, ohne rechtzeitig verkauft oder verlängert zu werden. Dayot Upamecano, Leon Goretzka und Serge Gnabry sind Beispiele für möglicherweise verlorenes Geld. Letzte Saison hätte man sie problemlos verkaufen, oder ohne Druck eine Verlängerung ausmachen können. Jetzt sitzen sie und potenzielle Käufer am längeren Hebel.
Was muss Bayern besser machen?
Wäre es leicht, gäbe es das Problem nicht. Die Herausforderungen sind weit komplexer, als die aufgeführten Rechnungen vermuten lassen. Ein richtiger Schritt wäre aber, den eigenen Spielern eine Bühne zu geben, die international Wirkung hat. Das Image der Bundesliga hinkt hinter Premier League und La Liga hinterher.
Doch Bayern hat eine einfache Chance: junge Spieler. Pavlovic, Musiala, Bischof und Karl haben enorme Entwicklungskurven hingelegt und erzeugen somit beeindruckende Wertsteigerung. Mit Michael Olise gelang Max Eberl ein Transfer eines hochveranlagten Spielers, der in München den Schritt zur Weltklasse geht und seinen Marktwert entsprechend steigert.
Gelingt es Bayern, diese Talente weiter aufzubauen, notwendige Transfers frühzeitig zu erkennen und gleichzeitig sportlich in Europa stabil zu bleiben, könnten schon bald ganz neue Rekordablösen nach München überwiesen werden.
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