HSV: Diese Startelf sollte Polzin jetzt aufstellen
Von Lennart Fitzler

Nach dem 2:1-Heimerfolg gegen den 1. FC Heidenheim sind die Wogen in Hamburg erst einmal geglättet. Mit dem Sieg konnte der Hamburger SV aus dem Keller springen und steht derzeit mit vier Zählern aus vier Spielen, mit einem Punkt Vorsprung über dem rettenden Strich auf Rang 15. Richtig überzeugend war aber bisher noch keine Vorstellung der Rothosen.
Ist der Saisonstart also gelungen? Nach dem eher glücklichen Sieg gegen Bundesliga-Schlusslicht Heidenheim ist das schwer zu beurteilen. Vielmehr ist man beim HSV weiterhin auf der Suche nach Stabilität. Zum Saisonstart in Gladbach konnten die Hanseaten zwar noch mit Einsatz und taktischer Disziplin überzeugen (0:0), aber gegen Stadtrivale St. Pauli (0:2) und die mächtigen Über-Bayern (0:5) wurden sie spielerisch in die Schranken gewiesen. Gegen Heidenheim belohnte man sich dann endlich mit den beiden ersten Toren, aber auch dieses Spiel hätte durchaus anders ausgehen können.
Cheftrainer Merlin Polzin und sein Team scheinen bisher noch keinen funktionierenden Plan in ihrem Spielsystem gefunden zu haben. Der 34-Jährige rotierte seit der Niederlagen gegen St. Pauli in jedem Spiel die Startformation durch. Auch das System wurde mit dem Aufstieg in die Bundesliga verändert. Aus einem 4-3-3 mit schnellen Flügelstürmern und einem kopfballstarken Stürmer im Zentrum, mit welchem der HSV in Liga zwei sehr erfolgreichen Offensiv-Fußball präsentierte, wurde ein defensiv ausgerichtetes 3-4-3, was wiederum eher auf schnelle Konter ausgelegt wurde. Nur hat das bisher kaum gefruchtet. Selten lief bisher ein wirklich schneller und gut gespielter Konter in Richtung des gegnerischen Tors. Das Sturm-Trio, um Ransford Königsdörffer als Sturmspitze, lief bisher vielmehr dem Ball nur hinterher, als dass sie ihn selbst am Fuß hatten.
Die Offensive
Die aktuell wohl umstrittenste Personalie im Sturm des HSV ist eben jener Ransford Königsdörffer. Der 24-Jährige stand im Sommer kurz vor einem Wechsel nach Nizza, blieb aufgrund eines geplatzten Medizinchecks dann aber doch an der Elbe. Dass er seitdem alles gibt und sich für die Raute aufreibt, ist ihm hoch anzurechnen - das war es dann aber auch.
Königsdörffer konnte leistungstechnisch bisher nicht überzeugen, was durchaus auch am neuen Spielsystem der Hamburger liegt. Der Deutsch-Ghanaer läuft, Stand jetzt, nur dem Ball und seinen eigenen Erwartungen hinterher. In der letzten Saison galt er noch als Torgarant, in dieser Saison soll er die von Davie Selke hinterlassene Lücke in der Sturmspitze füllen, ist daran aber bisher kläglich gescheitert.
Viele Fans und HSV-Insider stellen sich deshalb seit einigen Wochen die Frage: Wieso bekommt Robert "Bobby" Glatzel keine Chance in der Startelf? Eine gute Begründung gibt es dafür bis jetzt nicht. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Heidenheim wurde Polzin auf seine Personalie angesprochen. Der HSV-Coach druckste daraufhin nur etwas herum und wich der Frage eher aus. "Er ist sehr fleißig dabei und versucht, die Dinge, die wir im Sommer auch sehr offen kommuniziert haben, bestmöglich umzusetzen. Er hat da definitiv seine Schritte gemacht."
Ob zwischen Trainer und Stürmer etwas vorgefallen ist oder ob Polzin seit dieser Saison ein persönliches Problem mit Glatzel hat, kann man nur vermuten. Faktisch gibt es keinen Grund für Polzin, nicht auf Glatzel zu setzen. Kapitän Yussuf Poulsen fällt abermals wegen einer Verletzung aus und Königsdörffer war für einen Startplatz in der Bundesliga bisher einfach nicht überzeugend genug. Feststeht: Glatzel hat sich eine Chance in der Startformation verdient.
Auf den Flügeln rotierten Polzin und seine Co-Trainer Loic Fave und Richard Krohn bisher am meisten. In den ersten Spielen ersetzte der junge Norweger Alexander Rössing-Lelesiit den angeschlagenen Jean-Luc Dompé, machte seine Sache auch überraschend gut, selbst gegen Bayern München und seinen gestandenen Gegenspieler Konrad Laimer. Klar sollte hier aber sein, dass an einem gesunden Dompé kein Vorbeikommen ist. Der Franzose ist immer für einige Genie-Streiche und besonders gefährliche Flanken gut.
Anders ist das auf der rechten Außenbahn. Dort durften sich bisher Emir Sahiti und die Neuzugänge Fabio Vieira und Rayan Phillipe versuchen. Letzterer war gegen Heidenheim sogar als Torjäger erfolgreich. Auf Basis der bisherigen Leistungen sollte Polzin auf dem rechten Flügel eher auf Juwel Rössing-Lelesiit setzen.
Das Mittelfeld
In der Hamburger Schaltzentrale gibt es auch noch so einige Fragezeichen. Immer gesetzt war bisher nur der Ex-Kieler Nicolai Remberg - und das weitestgehend auch zurecht. Der 25-Jährige konnte bisher als Abräumer vor der Abwehrkette durchaus überzeugen, nur am so wichtigen Spielaufbau mangelt es ihm. Einen festen Nebenmann im zentralen Mittelfeld hat Remberg auch noch nicht. Zuerst bekam sein Neuzugangs-Kollege Nicolas Capaldo eine Chance von Merlin Polzin. Als einer der drei neuen Kapitäne beim HSV und durch seine Vergangenheit bei RB Salzburg, rechneten sich HSV-Fans und -Verantwortliche einiges von dem Argentinier aus. Das wurde bisher aber überhaupt nicht bestätigt. Capaldo ging im Spielaufbau völlig unter, verfehlte vermehrt einfach Pässe und wirkte auch sonst eher fehl am Platz im HSV-Zentrum.
Besser lief es hingegen mit Fabio Vieira als kreative Achse neben Abräumer Remberg. Der Portugiese konnte zuletzt mit seinen technischen Fähigkeiten, seinem Spielverständnis und vor allem seinem Einsatz gegen Heidenheim überzeugen. Er ist auf jeden Fall im Zentrum zu Hause, weniger auf dem Flügel. Als Backup-Plan für Vieira kann Polzin außerdem weiterhin auf Sambi Lokonga oder Jonas Meffert zurückgreifen, auch wenn Meffert bei den Rothosen eher auf dem Abstellgleis steht.
Wenig Alternativen, aber dennoch keine Not, hatte Polzin bisher auf den Außenpositionen. Auf der linken Schiene ist nach wie vor Miro Muheim gesetzt, der langsam in der Bundesliga angekommen zu sein scheint und sich gegen Heidenheim nach zuletzt eher mäßigen Leistungen etwas akklimatisieren konnte. Auf der rechten Schiene hat sich wiederum Leih-Spieler Giorgi Gocholeishvili fest gespielt. Der Georgier machte seine Sache bisher ordentlich und verdrängte William Mikelbrencis.
Die Defensive
Die Abwehrreihe bleibt Merlin Polzins größte Baustelle - was aber auch nach dem Aufstieg in das deutsche Oberhaus zu erwarten war. Statt Greuther Fürth oder dem SC Paderborn stürmen in dieser Saison Bayern München, Borussia Dortmund und RB Leipzig auf das Hamburger Tor. Ganz andere Kaliber. Doch Polzin schien das bisher nicht zu beeindrucken, was sich als fataler Fehler herausstellte.
Gegen Bayern München entschied sich der HSV-Coach für eine veränderte Dreierkette und gab jungen Spielern wie Luka Vuskovic oder Aboubaka Soumahoro eine Chance. Das ging daneben! Der Hamburger Weg in der Defensive sollte die gute Mischung sein. Neben dem sehr konstanten Warmed Omari sollten Daniel Elfadli und der jüngere Vuskovic-Bruder Platz finden. Neuzugang Jordan Torunarigha dürfte nach seinen durchwachsenen Leistungen in den ersten Spielen wohl erstmal keine Rolle für die Startformation spielen.
Omari erwies sich bisher als wohl überzeugendster Neuzugang beim HSV und hat sich seinen Stammplatz absolut verdient. Elfadli lieferte ebenfalls überzeugende Leistungen, saß allerdings überraschend, und im Nachhinein auch fälschlicherweise, gegen die Bayern auf der Bank. Luka Vuskovic wirkte bei seinem HSV-Debüt in München zwischenzeitlich noch etwas überfordert. Der erst 18-jährige Verteidiger wollte dann gegen Heidenheim aber Verantwortung übernehmen und tat das auch, erzielte das erste HSV-Bundesliga-Tor seit sieben Jahren. Der Kroate hat definitiv noch viel Potenzial, was Polzin ihm in dieser Saison entlocken kann.
Die Torhüter
Es gibt in Hamburg nur eine Nummer Eins und das ist Daniel Heuer-Fernandes. Der Deutsch-Portugiese hat jegliche Spekulationen um eine Veränderung auf der Torwart-Position im Keim erstickt und seine Stammplatz-Qualitäten mit wirklich beeindruckenden Vorstellungen untermauert. "Ferro" bleibt die Konstante im Hamburger Tor.
In den sauren Apfel muss derweil Bayern-Leihgabe Daniel Peretz beißen. Der 25-Jährige lehnte angeblich Stammtorwart-Angebote aus Europa ab, um beim HSV zu spielen. Er hatte sich einen Bankplatz wohl nicht ausgerechnet. Aktuell gibt es für Merlin Polzin jedoch keinen Grund, den Torwart zu wechseln.
Fazit
Merlin Polzin und sein Trainer-Staff haben noch einiges an Arbeit vor sich, vor allem in der Defensive. Zudem sollte man sich beim HSV überlegen, sich ein defensiv stabileres Spielsystem auszuklügeln. Die Hamburger waren über die ausgerückten Innenverteidiger in der Dreierkette zuletzt oft anfällig für gegnerische Torchancen. Diese Elf sollte Polzin in der nächsten Partie auf den Platz schicken:
Heuer Fernandes - Omari, Vuskovic, Elfadli - Gocholeishvili, Remberg, Vieira, Muheim - Rössing-Lelesiit, Glatzel, Dompé
Was aber Hoffnung macht: Der Saisonstart wurde nicht vollkommen in den Sand gesetzt. Mit dem Sieg gegen Heidenheim hat der HSV bewiesen, dass er in der Bundesliga gewinnen kann. Wird die Arbeit ab sofort auf die Defensive Stabilität konzentriert und zudem ein konkreter Plan für das Angriffsspiel ausgearbeitet, mit fairen Chancen für Spieler, dann könnte der HSV zunächst einmal eine gute Hinrunde spielen.
Am Sonntagabend treffen die Rothosen auf Union Berlin (Anstoß 19:30 Uhr). Ex-Trainer Steffen Baumgart wird dem HSV aufgrund seiner Rot-Sperre nicht gegenüberstehen.
feed