Der toxische Hass auf den Fußball der Frauen - ein Kommentar

In einer Woche beginnt die Frauen-Europameisterschaft in der Schweiz. Dann misst sich Crème de la Crème des europäischen Frauenfußballs und kämpft rund einen Monat lang um den begehrten Titel. Während es genug interessante Geschichten im Vorfeld des Turniers gäbe, die berichtenswert sind, dominiert gerade eine Meldung die Nachrichten: Die Schweizer Frauennationalmannschaft hat ein Trainingsspiel gegen die U15-Junioren des FC Luzern verloren. Bei dieser News kribbelt es bei einigen Usern in den Fingern, endlich können sie wieder Hass-Kommentare über den Fußball der Frauen vom Stapel lassen.
Denn leider ist ein solches internationales Turnier auch immer automatisch die Zeit für verstärkte Frauenfeindlichkeit in den Kommentarspalten - man möchte sich gar nicht vorstellen, dass Frauen im Jahr 2025 Fußball spielen... Doch daran ist nicht nur die fragile Männlichkeit schuld, denn auch bestimmte Medien fördern diese wahrlich besondere Form des Engagements regelrecht. "Frauen EM: Schweizerinnen um Alisha Lehmann verliert gegen U15-Bubis mit 1:7", titelte beispielsweise die SportBild und auch viele andere Media-Outlets springen auf den Hate-Hype-Train auf.
Ausbaufähige Berichterstattung
Dafür ist dann der Fußball der Frauen gut genug, für eine ernstzunehmende Berichterstattung über die EM reicht es aber nicht. Diese Artikel werden nicht geschrieben, um zu informieren, sondern um alte Klischees aufrechtzuerhalten: dass Frauen nicht wissen, wie man Fußball spielt.
Testspiele gegen Juniorenteams sind alles andere als unüblich - und ja, oft verlieren die Frauenteams dabei. Das liegt aber hauptsächlich an der geschlechterbedingten unterschiedlichen Leistungsfähigkeit. Wer das nicht anerkennen will, verschließt die Augen vor der Realität. Apropos Realität: Zu der gehört im Beispiel der Schweizer Nati auch, dass sie im Laufe der drei Halbzeiten insgesamt 26 Spielerinnen einsetzten.
In keiner anderen Sportart wird die weibliche Leistung so diffamiert wie im Fußball. Die Vorurteile sind hier besonders groß. Es fühlt sich schon fast so an, als würden viele Männer den Fußball der Frauen regelrecht fürchten. Anders lässt sich die Emotionalität und Toxizität, mit der die Diskussionen und Kommentare geschrieben werden, kaum verstehen. Niemand wird gezwungen, sich den Frauenfußball anzusehen. Es gibt auch viele Sportarten, die ich selber nicht feiere. Niemals würde ich aber auf die Idee kommen, meine Zeit zu investieren und Sportlerinnen oder Sportlern ihre Leistung abzuschreiben.
Die Equal-Pay-Thematik
"Und die wollen Equal Pay" ist auch ein beliebter Kommentar im Repertoire der Hater, der eigentlich unter fast jeder Spielszene aus dem Fußball der Frauen zu finden ist. Die Annahme, dass Spielerinnen selbst eine gleiche Bezahlung wie die Männer fordern, hält sich fast so hartnäckig wie die Diskussionen rund um Handelfmeter. Tatsächlich wollen aber viele Profi-Fußballerinnen gar nicht so viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen, da auch ihnen das Konzept der Wirtschaft geläufig ist. "Ich sehe die Welt des Fußballs auch kritisch. Ich würde mit dem Frauenfußball gar nicht dahin wollen, wo der Männerfußball jetzt gerade ist", erklärte Nationalspielerin Laura Freigang erst vor wenigen Tagen im Podcast "UNMATCHED" - und von solchen Aussagen lassen sich noch viele weitere finden.
Als Frauenfußball-Supporter ist es schon fast langweilig, Hass-Kommentare zu lesen, da immer dieselben drei Sprüche aus der Schublade gekramt werden. Ein bisschen Originalität würde wenigstens etwas Abwechslung in die Sache bringen (Ironie off).
Während manche Männer (ja, es sind überwiegend Männer. An der Stelle ein Shout-Out an die, die Liebe verteilen) ihre fragilen Egos also immer noch mit Hate-Kommentaren pushen müssen, ist der Frauenfußball weiterhin auf dem Vormarsch: Laut einer internationalen Studie von Nielsen Sports und PepsiCo soll die Reichweite des Frauenfußballs innerhalb der nächsten fünf Jahre um 38 Prozent steigen. Schon jetzt zählt die Sportart zu den zehn beliebtesten weltweit – und könnte laut Studie bis 2030 sogar in die Top fünf aufsteigen. Besonders Sponsoren sehen darin großes Potenzial, eine wohlhabende und wachsende Zielgruppe zu erreichen. Bei solchen Nachrichten treibt es den ein oder anderen wahrscheinlich gerade Schweißperlen auf die Stirn, denn Frauenfußball interessiert doch eigentlich niemanden.
Frauenfußball trotzt den Vorurteilen
Es gibt doch eigentlich nichts Peinlicheres, als Frauen im Jahr 2025 vorschreiben zu wollen, nicht Fußball zu spielen, nur weil einem selbst das Tempo zu langsam oder die Schüsse zu schwach sind. Kleiner Funfact nebenbei: Eine Studie, veröffentlicht im Fachmagazin Sport Management Review von Forschern aus Zürich und Stavanger, zeigte, dass Männerfußball nur dann als qualitativ hochwertiger bewertet wird, wenn die Zuschauer wissen, dass Männer spielen. Sind Geschlecht und Identität der Spielenden jedoch nicht erkennbar, unterscheiden sich die Einschätzungen der Spielzüge und Tore nicht – in diesem Fall wird Frauenfußball als ebenso attraktiv wahrgenommen wie Männerfußball.
Noch mal: Niemand muss sich den Fußball der Frauen ansehen! Aber ein bisschen Respekt gegenüber der erbrachten Leistung hat noch niemanden geschadet. An der Stelle muss aber auch mal gesagt sein, dass sich die Lage im Vergleich zu vor ein paar Jahren deutlich gebessert hat. Alle anderen dürfen sich auf eine Europameisterschaft freuen, die neue Maßstäbe setzen wird. Nahezu alle Partien sind nach Angaben der UEFA ausverkauft, ein neuer Zuschauerrekord ist nur noch eine Frage der Zeit - trotz Sexismus und einer Vielzahl an leidenschaftlichen Hatern.
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