"Das war der schlimmste Tag": EM-Fahrerin Rebecca Knaak spricht über ihre Erfahrungen

Im Podcast "SeitenweKKsel" lässt EM-Fahrerin Rebecca Knaak das Turnier Revue passieren, spricht über die Herausforderungen und den Hass auf Social Media.
Rebecca Knaak erlebte ein krasses Turnier in der Schweiz
Rebecca Knaak erlebte ein krasses Turnier in der Schweiz / Eurasia Sport Images/GettyImages
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Rund zwei Wochen ist es nun schon her, dass der Titeltraum der DFB-Frauen bei der EM in der Schweiz im Halbfinale gegen Spanien auf dramatische Art und Weise in der Verlängerung beendet wurde. DFB-Innenverteidigerin Rebecca Knaak stand bei allen fünf Partien der Nationalmannschaft auf dem Rasen. So ganz verarbeitet habe sie das Turnier noch nicht: "Es war schon echt eine Wahnsinnsreise", erklärt die 29-Jährige in der neusten Episode des Podcasts 'SeitenweKKsel'.

"Alle Erwartungen gesprengt"

Knaak sei selbst schon "eine geraume Zeit" im Fußball der Frauen unterwegs, habe vieles erlebt und auch die Entwicklung mitmachen dürfen. "Aber dieses Turnier hat alle Erwartungen gesprengt", so die Abwehrspielerin. Sie habe Bilder von den Fanwalks gesehen, die Stadien waren voll und Leute haben verzweifelt Tickets gesucht - "all solche Dinge kannte ich so noch nicht". Zwar habe es immer mal wieder Highlightspiele gegeben, "aber dass dieses Highlight über Wochen so durchgeht und auch eher zu- anstatt abnimmt, das war schon sehr besonders". Ein besonderes Lob verteilte Rebecca Knaak auch an die Schweiz als Ausrichtungsort, die ein superorganisiertes Turnier auf die Beine gestellt hat. "Es war nicht das schlechteste erste Turnier für mich", erklärte Knaak schmunzelnd.

Die Europameisterschaft war für die DFB-Frauen eine emotionale Achterbahnfahrt, die ihren Tiefpunkt im letzten Gruppenspiel gegen Schweden fand. Das ganze Turnier war laut Aussagen der Spielerinnen von Harmonie und Teamgeist geprägt. Doch wie sieht das Ganze nach sportlichen Niederlagen aus? "Gekracht hat es in der Mannschaft nach dem Schweden-Spiel nicht", machte Knaak deutlich. Das Team sei schon zuvor mit der spielerischen Leistung nicht zufrieden gewesen. Eigentlich haben sich die DFB-Frauen gegen Schweden vorgenommen, dass sie gut in die Partie kommen und spielerisch ein besseres Bild abgeben. "Das lief ja dann super am Anfang und auf einmal ist ja dann alles zusammengefallen. Für mich persönlich war das mit das schlimmste Spiel und der schlimmste Tag", erinnert sich die 29-Jährige.

Rebecca Knaak, Kosovare Asllani
Das Spiel gegen Schweden war für Rebecca Knaak (rechts) das schlimmste / Daniela Porcelli/GettyImages

Weiter sagt sie: "Wenn ich jetzt sage, dass alles in diesem Team so toll war, dann meine ich das alles damit mit. Ich meine damit nicht, dass jeden Tag Friede, Freude, Eierkuchen war. Es waren auch harte Phasen dabei und das Schweden-Spiel war sicher ein ganz besonders wichtiger Moment, weil es hat gekracht im Sinne von: Die Medien, wir selbst als größte Kritikerinnen und das Trainerinnenteam – aber alles immer noch sehr lösungsorientiert". Die Spielerinnen haben versucht, sich gegenseitig aus den unterschiedlichen Löchern zu ziehen. Knaaks Loch sei "ziemlich tief" gewesen. Doch die deutsche Nationalmannschaft schaffte es, sich wieder aufzubauen. "Der Druck von außen war schon schlimm genug, aber der Druck, den wir uns selber machen – das wissen viele gar nicht – der ist noch viel höher".

Der Viertelfinal-Krimi gegen Frankreich

Nach dem Viertelfinale gegen Frankreich lösten die DFB-Frauen eine große Euphorie in Deutschland aus, das Feedback war überwiegend positiv. "Wären wir nach dem Schweden-Spiel ausgeschieden, hätte ich mich eine Woche lang versteckt", so Knaak. Die Innenverteidigerin sei stolz auf ihre Mannschaft und vor allem, dass jede gebraucht wurde und auch ihren Job erfüllt habe. Das lag unter anderem auch an den zwei Platzverweisen, die es gegen Schweden und Frankreich gab.

Während Knaak gegen Schweden wusste, dass "uns dieser Moment in dem Spiel komplett gekillt hat", entwickelte sich gegen Frankreich eine andere Dynamik: "Erst war ich total sauer und wusste gar nicht, was los war". Sie hätten ihre Wut dann auf das Schiedsrichterinnen-Team projiziert, die Rote Karte habe sie besser gemacht. "In jeder einzelnen Sekunde habe ich mir gesagt, dass uns das Spiel niemand mehr nehmen kann und es nicht gegen uns laufen wird. In jeder kleinen Pause haben wir uns angeschrien und gesagt: Dieses Spiel nehmen die uns nicht weg. Die kann machen, was sie will. Die kann noch 50 Freistöße für die pfeifen, aber die nimmt uns das nicht weg", erinnerte sich Rebecca Knaak an das Viertelfinale.

"Auf einmal war alles weg"

Vier Tage nach diesem Krimi war dann in Zürich alles blitzschnell vorbei: "Um 1.15 Uhr sind wir mit dem Bus vom Stadion abgefahren und dann hieß es nur: bis 1.30 Uhr bitte die Abreise ausfüllen. Wohin? Wie? Mit wem? Wann? Ich weiß noch, ich saß im Bus und dachte mir: Ich trage jetzt mal Köln ein und alles weitere schauen wir dann. Dann haben wir einfach unsere Taschen gepackt, hatten am nächsten Morgen um 10 Uhr unsere Abschlussbesprechung und danach hat man sich Tschüss gesagt."

Es sei ein komisches Gefühl gewesen, eine Mischung aus Hangover, Enttäuschung und Leere. "Am nächsten Morgen haben ganz viele in die Gruppe geschrieben: Oh Gott, ich sitze hier alleine beim Frühstück, wo seid ihr alle? Man hat wirklich diese Routinen über Wochen aufgebaut und auf ein Mal war alles weg. Es ist schon so, dass diese Blase einfach komplett zerplatzt", so Knaak

"Noch keine perfekte Lösung" gegen den Hass

Rebecca Knaak beschäftige natürlich auch der Hass, der ihr selbst, den Mitspielerinnen wie Sydney Lohmann oder anderen Spielerinnen wie Jess Carter entgegenschlug. "Ich habe mehrmals überlegt, ob ich die sozialen Medien komplett meiden soll", gab Knaak zu. Hass-Kommentare treffen bei der Nationalspielerin auf Unverständnis: "Mich macht das sehr sauer. Wir alle hätten uns am liebsten gestellt und gefragt: Was soll das? Was ist der Sinn dahinter? Man kann es einfach nicht verstehen. Das Einzige, was hilft, ist positiver Zuspruch, also mit den Personen sprechen und zeigen, dass alle, die es gut meinen oder konstruktiv kritisieren, eigentlich in der Überzahl sind. Nur diese Kommentare und Personen, die ihren puren Hass aussprechen, überlagern das oft.  Das ist was ganz Schlimmes und ich finde es auch schwierig."

Sie selbst habe auch "noch keine perfekte Lösung" dafür. Knaak beruhige sich immer mit dem Wissen, dass das Problem bei den Menschen selbst irgendwo liege. "Da liegt irgendwo etwas ganz im Argen und deswegen ist es die eigene Unzufriedenheit, die projiziert wird", macht die 29-Jährige deutlich.