Kommentar: Der BVB sollte noch nicht mit Niko Kovac verlängern

Niko Kovac kann bisher auf eine sensationelle Zeit beim BVB zurückblicken. Bezüglich einer Vertragsverlängerung sollten sich die Schwarz-Gelben allerdings nicht hetzen lassen. Ein Kommentar.
Niko Kovac leistet bisher einen exzellenten Job beim BVB
Niko Kovac leistet bisher einen exzellenten Job beim BVB / Rene Nijhuis/MB Media/GettyImages
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Oh, was wurde Borussia Dortmund belächelt, als sie im Februar Niko Kovac als die Lösung für die größte sportliche Krise seit über zehn Jahren präsentierten. Böse Zungen behaupteten sogar, dass der BVB nun auch auf der Trainerposition im absoluten Mittelmaß angekommen sei. Knapp vier Monate später sind die Kritiker verstummt, Kovac ist der Mann der Stunde.

Der 53-jährige Berliner hat der totgesagten Mannschaft nicht nur neues Leben eingehaucht, sondern eine frische, auf Disziplin und Fleiß ausgerichtete Leistungskultur etabliert. Etwas, an dem sich BVB-Trainer seit Jahren die Zähne ausbeißen. Auch der sportliche Erfolg lässt sich sehen: Kovac hat die Westfalen aus aussichtsloser Position heraus mit einem sensationellen Lauf in die Champions League geführt.

Statistiken belegen: Kovac kann Offensive

Dabei wird immer noch gerne übersehen, dass Kovac zudem alte Ressentiments abbauen konnte. Verschrien als Defensiv-Fanatiker, der wenig mehr im Baukasten hat, als Zement und eine harte Hand, hat Kovac den BVB in kürzester Zeit zu einer Offensiv-Maschinerie geformt. 16 Torschüsse gab der BVB im Durchschnitt unter Kovac ab. Damit übertreffen die Schwarz-Gelben sogar Bayer Leverkusen. Nur der FC Bayern gab mit 18 Torschüssen pro Spiel mehr Torschüsse ab. Unter Kovac gab es durchschnittlich außerdem 2,5 BVB-Tore - eine deutliche Steigerung zu dem Wert unter Vorgänger Nuri Sahin (1,8). Kovac konnte zudem die Defensive verbessern, sowie die Laufleistung der Mannschaft.

Niko Kovac hat den BVB in allen Belangen besser gemacht, die verloren geglaubte Champions-League-Qualifikation erreicht und zudem unter Beweis gestellt, dass er nicht nur traumhaften Offensiv-Fußball anzubieten weiß, sondern Top-Club kann - auch einen so empfindlichen wie den BVB.

Ein "weiter so", dem sich die Borussia vor einem halben Jahr noch vehement entgegenstellen wollte, ist mit Kovac plötzlich Programm. Ein neuer Vertrag ist da nur Formsache - oder doch nicht?

BVB plant "langfristig" mit Kovac

Im 'Doppelpass' betonte Sportdirektor Sebastian Kehl, dass der BVB "langfristig" mit Kovac plant. Vertragsgespräche sind vorerst aber nicht anberaumt. "Es wird der Moment kommen, an dem man sich zusammensetzt", sagte Kehl dazu. Die Verantwortlichen wären nun gut beraten, diesen Moment noch aufzuschieben.

Auf der Suche nach einer neuen Identität müssen beim BVB insbesondere zwei Devisen gelten. Erstens: Niemand ist größer als der Verein. Zweitens: Nachhaltiger Erfolg statt Achterbahnfahrt. Nach vier positiven Monaten mit Kovac den Vertrag zu verlängern, um Wertschätzung für seine großartige Leistung auszudrücken, würde beide Devisen untergraben und alte Muster festigen.

Um zu bewerten, ob der BVB auch langfristig mit Kovac erfolgreich sein kann, ist die Stichprobe zu klein. Zudem ist das Testfeld nicht wirklich aussagekräftig: Kovac kam als Feuerwehrmann, mit dem klaren Auftrag, die Mannschaft kurzfristig zu stabilisieren. Die ersten Monate des 53-Jährigen in Dortmund hatten beinahe Turnier-Charakter; das große Ganze wurde vernachlässigt, der vollständige Fokus lag maximal auf dem nächsten Spiel, Woche für Woche.

Neue Aufgaben für Kovac beim BVB

Diesen Auftrag hat Kovac mit Bravour umgesetzt. Jetzt muss der Berliner nachweisen, dass er auch auf anderen Ebenen erfolgreich arbeiten kann. Eine Mannschaft zusammenstellen, nachhaltige Strukturen etablieren, Alltag meistern. Und das alles ohne den Rausch, den die Aufholjagd in der Bundesliga unter Kovac sicher freigesetzt hat. Was an dieser Stelle nicht unbeachtet gelassen werden darf: der BVB hatte in den vergangenen Wochen nichts mehr zu verlieren und konnte befreit aufspielen. Das sieht nach der Sommerpause anders aus.

Die Uhren in BVB werden auf Null gestellt, die abgeschlossene Saison soll aufgearbeitet und dann ganz tief in den Akten vergraben werden. Kovac jetzt mit einem neuen Vertrag auszustatten, wäre ein Risiko ohne Not. Sollte der 53-Jährige bei der Klub-WM und in den ersten Wochen der neuen Saison seine bisher exzellente Arbeit bestätigen, steht einem neuen Vertrag nichts im Wege. Dann sind die Gespräche auch nur Formsache. Bis dahin sollte der BVB aber Ruhe bewahren und sich der Aufgabe widmen, eine neue Identität aufzubauen. Um nachhaltig erfolgreich zu sein, statt für einen Moment zu jubeln und die Fehler der Vergangenheit allzu schnell zu vergessen.


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