Borussia in der Krise: Gladbach-Legenden mit vernichtendem Urteil
Von Simon Zimmermann

Die sportlich fetten Jahre am Niederrhein sind längst vorbei. Seit Roland Virkus als Sportchef bei Borussia Mönchengladbach übernommen hat, landeten die Fohlen in den vollen Virkus-Spielzeiten auf den Rängen zehn, 14 und zehn.
Aktuell sieht die Lage noch deutlich düsterer aus. Saisonübergreifend ist Gladbach seit zwölf Bundesliga-Spielen ohne Sieg. Der Negativrekord aus der Saison 2006/07 ist damit eingestellt. Damals landete die Borussia am Ende auf dem 18. Platz - und stieg mit 26 Punkten sang- und klanglos ab.
Aktuelle Krisenstimmung als Entwicklung der letzten Jahre
Letzter ist Gladbach auch in der Aktualität. Der zarte Aufschwung nach dem Trainerwechsel und dem Last-Minute-Remis in Leverkusen wurde mit dem 4:6 gegen die Eintracht wieder eingerissen. Zwischenzeitlich stand es 0:6 aus Sicht der Fohlen.
Selbst beim letzten Anhänger ist die Krisenstimmung akut angekommen. Nicht nur die Mannschaft, vor allem auch die Verantwortlichen müssen sich hinterfragen. Denn klar ist: Die negative Entwicklung des Traditionsklubs hält nun schon jahrelang an. Statt sich wieder ins obere Drittel vorzukämpfen, heißt die bittere Realität: graue Bundesliga-Maus - maximal.
Seoane hat keinen "geilen Job gemacht"!
Da ist es wenig förderlich, wenn Präsident Rainer Bonhof sich am DAZN-Mikrofon hinstellt und zum gerade freigestellten Seoane sagt: "Gerardo hat einen geilen Job gemacht."
"Im Falle von Trainer Gerardo Seoane hat man im Endeffekt gefühlt 1,5 Jahre nicht gewusst, ob er der Richtige ist."
- Lothar Matthäus (Sky)
Zwei Jahre und drei Monate war der Schweizer als Fohlen-Coach im Amt. Mit seinem Punkteschnitt von 1,22 pro Partie sind sportliche Sprünge nach vorne utopisch. Lothar Matthäus bringt es in seiner Sky-Kolumne gut auf den Punkt: "Im Falle von Trainer Gerardo Seoane hat man im Endeffekt gefühlt anderthalb Jahre nicht gewusst, ob er der Richtige ist."
- Lese dazu: Die Seoane-Tabelle der Bundesliga
Zwischen 'kurz vor dem Aus' und 'baldige Vertragsverlängerung' ging es bei Seoane häufig hin und her. Warmgeworden sind viele Gladbach-Fans mit dem Schweizer aber nie. Bis auf wenige Phasen stimmten Ergebnisse und Leistungen unter Seoane selten und vor allem nicht konstant.
Zögern bei Polanski fördert Unsicherheit
"Sie müssen jeden Stein umdrehen, alles muss hinterfragt werden", meint Matthäus weiter. Eine klare Entscheidung brauche es auch bei der Trainerfrage. Eugen Polanski hat für Seoane "bis auf Weiteres" übernommen. Das Gladbacher Eigengewächs soll die Wunschlösung sein, auch langfristig. Allerdings scheint er bisher auf Bewährung zu arbeiten. Nur wenn die Ergebnisse stimmen, will sich Virkus wohl trauen, fest auf den bisherigen U23-Coach zu setzen.
"Das ist natürlich auch eine Frage, die Gladbach schnellstmöglich beantworten muss. Solange da nicht das Bekenntnis zu ihm besteht oder ein neuer Trainer da ist, wird es diese Diskussionen geben. Die Mannschaft ist schon genügend verunsichert und strotzt ganz sicher nicht vor Selbstvertrauen. Deswegen gilt es für den Verein, jetzt kein Chaos aufkommen zu lassen", so Matthäus.
Rundumschlag von Kleff: "Schlaftablette" Seoane & Kritik an Einkaufspolitik
"Der Kerl ist ehrlich, klar, leidenschaftlich und bringt was rüber. Also genau das Gegenteil von der Schlaftablette, die da vor ihm da war."
- Kleff über Polanski (Bild)
Unterstützung erfährt der Rekordnationalspieler von einer Fohlen-Legende. Ex-Torhüter Wolfgang Kleff (Welt- und Europameister, viermal mit Gladbach Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und zweifacher UEFA-Cup-Sieger) wählte im Gespräch mit der Bild noch drastischere Worte.
"Torwart und Trainer sind zurzeit die ärmsten Schweine. Die sollen um Gottes willen Eugen den Job jetzt auch machen lassen! Der Kerl ist ehrlich, klar, leidenschaftlich und bringt was rüber. Also genau das Gegenteil von der Schlaftablette, die da vor ihm da war", so Kleff.
Wen er mit "Schlaftablette" meint, ist klar: Seoane! Der Schweizer hätte seiner Meinung nach viel früher gehen müssen. Schon zum Ende der vergangenen Saison, als Gladbach eine gute Ausgangsposition noch verspielte. "Seoane hat hier nie an den Niederrhein gepasst, er konnte die Menschen nicht begeistern, hatte keine Emotionen und hat sie unterdrückt. Aber ich muss doch dem neuen Trainer die Saisonvorbereitung geben und ihn am Kader mitwirken lassen - so ist es katastrophal!", lautet Kleffs vernichtendes Urteil.
"20 Mio. Euro einfach sinnlos verbrannt - was soll so etwas?"
Ähnlich schlecht sieht er auch den aktuellen Kader: "Das ist leider alles hausgemacht. Wenn ich die Einkaufspolitik der vergangenen Jahre sehe, dann sind das in der großen Mehrheit Leute für viel Geld, aber leistungsmäßig für die 2. und 3. Liga. Cvancara? Omlin, obwohl man genügend Klassekeeper im eigenen Stall hatte? 20 Millionen Euro einfach sinnlos verbrannt - was soll so etwas? Und ich sage das auch ganz deutlich: Meine Borussia muss ganz schwer aufpassen, dass sie diese Saison nicht absteigt!"
Zwangsläufig bringt das auch Roland Virkus in die Kritik. "Don Rollo", wie der Sportchef spätestens nach dem Mallorca-Video von Florian Neuhaus von vielen spöttisch genannt wird, muss sich hinterfragen. Welche Fehler wurden in der Kaderplanung gemacht? Warum handelte und handelt man auch derzeit wieder in der Trainerfrage so zögerlich?
Virkus muss Konsequenzen ziehen
"Es ist doch auch klar, dass ich im Hintergrund auch meine Situation regle, im Sinne des Klubs", meinte Virkus nach der Heimniederlage gegen Frankfurt am Sonntag im Sport1-'Doppelpass'. Was genau das bedeuten soll, ließ der Geschäftsführer Sport offen.
Schon länger wird am Borussia-Park über eine weitere Person spekuliert, die Virkus in den sportlichen Planungen unterstützen könnte. In diesem Zusammenhang steht vor allem Nils-Ole Book im Fokus. Der 39-Jährige ist seit 2018 Sportchef bei der SV Elversberg und liefert beim aktuellen Zweitligisten hervorragende Arbeit. Insbesondere was sein Händchen für Spielertransfers betrifft - mit sehr beschränkten Mitteln.
Dieses Händchen kann man Virkus nicht wirklich attestieren. Tim Kleindienst ist da eher die leuchtende Ausnahme, denn die Regel...
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