Zwei Vollzeit-Jobs sind einer zu viel: Staat streicht Chantal Hagel das Gehalt

Christof Koepsel/GettyImages
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Die Europameisterschaft hat diesen Sommer nicht nur viele ZuschauerInnen begeistert und neue Fans für den Fußball der Frauen gewonnen. Auch hat das Turnier ein längst überfälliges Schlaglicht auf strukturelle Missstände und Ungerechtigkeiten geworfen. Vor allem die Bezahlung der Spielerinnen ist um ein Vielfaches schlechter als die der männlichen Profis. Jüngst stieß deswegen Bundeskanzler Olaf Scholz eine Debatte um Equal Pay bei den deutschen Nationalmannschaften an. Der Fall der Bundesliga-Spielerin Chantal Hagel zeigt jetzt, dass auch an anderen Fronten Verbesserungsbedarf herrscht.

Die Mittelfeldspielerin der TSG Hoffenheim arbeitet nebenbei als Referendarin an einer Grundschule. Notwendig ist der zweite Vollzeit-Job, da sie mit dem Fußball nur rund 2.500 Euro im Monat (Quelle: Bild am Sonntag) verdient. Aus ähnlichen Gründen bauen sich zahlreiche Bundesliga-Spielerinnen, auch bei den beiden Top-Vereinen, neben der Sportkarriere ein zweites Standbein auf. Die Mehrheit studiert neben dem Fußball-Betrieb oder geht einer Ausbildung nach. Im Hinblick auf die Gehälter ist ihnen bewusst, dass sie, anders als männliche Profis, nach ihrer aktiven Laufbahn finanziell nicht ausgesorgt haben.

Chantal Hagel
Chantal Hagel ist Fußball-Profi und angehende Lehrerin / Alex Grimm/GettyImages

Chantal Hagel möchte eines Tages als Lehrerin die Fächer Deutsch und Sport unterrichten. Schon jetzt arbeitet sie seit Februar 13 Wochenstunden als Referendarin. Hinzu kommen die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, sowie diverse Fortbildungen, an denen sie teilnimmt.
Parallel dazu läuft der normale Spiel- und Trainingsbetrieb bei Hoffenheim, in den Hagel voll eingebunden ist. Für den zweiten Job an der Schule stünden der 24-jährigen etwa 1.500 Euro monatlich zu.

Doch diese Summe wird ihr jetzt gestrichen. Das Land Baden-Württemberg beruft sich dabei auf den Paragrafen 83 des Landesbesoldungsgesetzes. Dieser lautet wie folgt: "Erhält ein Anwärter ein Entgelt für eine andere Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes, wird das Entgelt auf die Anwärterbezüge angerechnet, soweit es diese übersteigt. Dies gilt auch, wenn der Anwärter einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf ein Entgelt für eine in den Ausbildungsrichtlinien vorgeschriebene Tätigkeit hat."

Chantal Hagel
Hagel im Trikot der deutschen Nationalmannschaft / Harriet Lander/GettyImages

Gegenüber Bild am Sonntag erklärte die dreifache Nationalspielerin: "Natürlich würde es mich freuen, wenn ich auch für meine Leistungen abseits des Fußballplatzes entsprechend be- und entlohnt würde, aber deshalb weniger Motivation für meine Tätigkeit aufzubringen, kommt für mich nicht infrage.“

Die Frauen-Bundesliga ist bis heute nicht vollständig professionalisiert, weswegen auch die Gehaltsunterschiede zwischen den Vereinen weit auseinander klaffen. Andere Ligen in Europa sind da bereits weiter. In England (Women's Super League), Spanien (Primera Iberdrola) und Italien (Serie A Femminile) müssen die Klubs garantieren, den Spielerinnen einen Mindestlohn zu zahlen. Auf der Basis dieser Vorgabe ist es verboten, dass die Profis einer anderen Tätigkeit außerhalb des Fußballs nachgehen.