Kurven-Porträt zur Werder-Partie gegen St. Pauli

Volle Bude: Alle Werder-Ultras sind zurück
Volle Bude: Alle Werder-Ultras sind zurück / Stuart Franklin/GettyImages
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Endlich wieder volle Hütte: Der 12. Spieltag der 2. Bundesliga aus Sicht eines Werder-Fans. Ein Kurven-Porträt zur Werder-Partie gegen St. Pauli (1:1).


7.45 Uhr. Der Wecker klingelt. Draußen ist es noch dunkel. Als Student zugegebenermaßen ein seltener Anblick. Aber: Wie heißt es so schön? Alles für den SVW! Schal einpacken und auf zum Treff. Um 8.30 Uhr das erste Bierchen in der Kneipe. Ein halbes Stündchen später Abfahrt nach Bremen.

Mit dem Fanclub-Bus am Osterdeich angekommen, steigt die Euphorie ins Unermessliche. Erstmals seit Beginn der Pandemie und dem 0:2 gegen Borussia Dortmund am 22. Februar 2020 ist die Hütte gänzlich ausverkauft. 42.100 Fans im Weserstadion, darunter 4.000 Gäste aus Hamburg. Packende Partie gegen Pauli. Mehr geht nicht. Stadion-Vollauslastung und aktiver Fansupport auf beiden Seiten. Auch das gab es (deutschlandweit) zuletzt im März 2020.

IN BREMEN WURDE GESCHICHTE GESCHRIEBEN! ?? Erstes Spiel seit März 2020 im deutschen Profifußball mit möglicher...

Posted by WIR sind 100% Werder Bremen on Sunday, October 31, 2021

In der Ostkurve angekommen, scheint alles noch wie früher - und doch so neu. Zu lange ist er her, der letzte Kurvenbesuch. Ein Plakat mit der Aufschrift "Willkommen zurück, Brüder" zeigt in Richtung Stehplätze. Das obligatorische Haake-Beck samt Bratwurst vor dem Anpfiff und schon rollt der Ball.

Torjubel: Wenn Fremde Freunde werden

Minute 24 und es klingelt. Friedl hat getroffen. Gefühlte zehn Liter Bier huschen über die gerade erst gewaschene Jacke und mindestens fünf (zuvor fremde) Werder-Fans werden glücklich umarmt. 1:0 für Werder? Pustekuchen. Treffer zählt nicht. Bis das alle verstanden haben, vergeht ein Augenblick. RIP, liebes Bier - aber: vermisst hat man diese Art der Dusche trotzdem irgendwie.

Die Atmosphäre im Weserstadion ist einzigartig. Die Connection zwischen Werder- und Pauli-Fans macht sich anhand verschiedenster Mini-Choreos bemerkbar. Auf den Rängen herrscht kein gegenseitiger Hass, sondern absolutes Wir-Gefühl. "Scheiß HSV"-Wechselgesänge hallen durch das Stadion. Nach dem 1:0 durch Marvin Ducksch direkt vor den Augen der Bremer Ostkurve endlich die nächste Bierdusche - dieses Mal gerechtfertigt.

Der anschließende Ausgleich wirft die Bremer Fans keineswegs aus der Bahn. Die Arme ragen gen Himmel: "Auf geht's Werder kämpfen und siegen" heißt es. Am Ende bleibt es beim Unentschieden. Auch, weil der Treffer durch Simon Makienok in der Nachspielzeit wegen eines Handspiels per Videobeweis zurückgenommen wird. Glück für Grün-Weiß. "Scheiß DFB"-Rufe gibt es trotz der Entscheidung zugunsten der Bremer. Der VAR ist und bleibt ein Emotionskiller.

Ein schöner Fußballtag nimmt sein Ende. Keines der beiden Fanlager schlendert traurig nach Haus. Es ist erst der Startschuss für weitere packende Begegnungen auf den Rängen. Denn endlich sind sie zurück, die Fans. Und damit genau jene, die den Fußball erst zu dem machen, was er ist: Volkssport und Zuschauermagnet. Fußball lebt durch seine Fans!