Warum pfeift ein Argentinier bei der Europameisterschaft?

Darf heute das Achtelfinale zwischen Frankreich und der Schweiz leiten: Fernando Andrés Rapallini
Darf heute das Achtelfinale zwischen Frankreich und der Schweiz leiten: Fernando Andrés Rapallini / Paul Ellis - Pool/Getty Images
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Dass die EURO 2020 ein ganz besonderes Turnier ist, liegt nicht nur an ihrer pandemiebedingten Verschiebung vom eigentlich vorgesehenen Austragungsjahr 2020 auf 2021, und der Tatsache, dass sie in elf verschiedenen Ländern ausgetragen wird. Auch in puncto Schiedsrichter weist diese europäische Kontinentalmeisterschaft Besonderheiten auf.


Denn bei den Vorrunden-Begegnungen Ukraine vs. Nordmazedonien (Gruppe C) und Schottland vs. Tschechien (Gruppe D) pfiff mit dem Argentinier Fernando Rapallini erstmals ein südamerikanischer Referee bei einer Europameisterschaft.

Und auch die Achtelfinal-Partie zwischen Frankreich und der Schweiz (21.00 Uhr) wird der in Buenos Aires geborene 43-Jährige leiten.

Kooperation zwischen UEFA und CONMEBOL

Die Aktion ist Teil eines Austauschprogramms zwischen dem europäischen Fußballverband UEFA und dessen südamerikanischem Pendant CONMEBOL. In diesem Rahmen ist Rapallini nun einer von 19 Schiedsrichtern, die bei dieser EURO pfeifen dürfen.

Im Gegenzug wurde der Spanier Jesús Gil Manzano für die gleichzeitig in Brasilien stattfindende Copa América abberufen.

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin über diese Kooperation (via Sportschau): "Der Fußball in Europa und Südamerika zeichnet sich durch eine hohe Qualität und lange Tradition aus. Das gilt auch für das Schiedsrichterwesen. Diese Kooperationsvereinbarung wird uns dabei helfen, unsere Wettbewerbe weiter zu verbessern."

Früherer Top-Schiri Meier ist skeptisch

Der langjährige Schweizer Top-Schiedsrichter Urs Meier sieht das Ganze jedoch ein wenig skeptischer.

Urs Meier
Sieht die Berufung eines nicht-europäischen Referees eher kritisch: Schiri-Legende Urs Meier / Lennart Preiss/Getty Images

Mit dem Namen Fernando Rapallini konnte der 62-Jährige zunächst so gar nichts anfangen (via bluewin.ch): "Über jeden Schiedsrichter hätte ich dir etwas erzählen können, nicht aber über ihn. Ich setze da ein Fragezeichen. Kommt er mit der europäischen Mentalität zurecht? Das ist die große Frage."

Vor allem in der Interaktion mit den Spielern könnte es, laut Meier, zu Problemen kommen. "Die Spieler kennen ihn nicht und wissen nicht, wie er sich verhält. Vielleicht reagiert er plötzlich auf eine Geste und es gibt Rot statt Gelb", so Meiers Befürchtungen.

Sein Rat an die Kicker ist deshalb: Zurückhaltung! "Vorsichtig reingehen, nicht zu viel reklamieren und keine Konfrontation mit dem Schiedsrichter suchen."

Gamal Al-Ghandour: Gute Performance bei der EM 2000 - zwei Jahre später persona non grata in Spanien!

Der erste nicht-europäische Unparteiische, der ein EM-Spiel leitet, ist Rapallini indes nicht. Bereits bei der Europameisterschaft 2000 in Belgien und Holland durfte mit dem Ägypter Gamal Al-Ghandour ein Nicht-Europäer zwei Spiele (Norwegen vs Spanien und Tschechien vs Dänemark) leiten.

Referee Gamal Ghandour
Leitete bei der EM 2000 zwei Spiele: Gamal Al-Ghandour / Ben Radford/Getty Images

Damals bekam Ghandour für seine Leistungen durchweg gute Kritiken. Auch von spanischer Seite. Die Iberer unterlagen nämlich überraschend den Norwegern mit 0:1 - was aber an diesem Tag nicht an Ghandour lag.

Zwei Jahre später jedoch, bei der WM 2002 in Japan und Südkorea, sollten sich die Wege des Nordafrikaners und der furia roja erneut kreuzen.

Spain coach Jose Antonio Camacho restrains his players from arguing with referee Gamal Ghandour
Die aufgebrachten spanischen Spieler konnten nach dem Spiel nur mit Mühe von ihrem Trainer Camacho zurückgehalten werden / Shaun Botterill/Getty Images

Und diesmal sorgte Ghandour mit einer durchaus diskutablen Leistung im Viertelfinale zwischen Spanien und Co-Gastgeber Südkorea (3:5 n. E.) dafür, dass in Spanien sein Name noch heute den bitteren Zorn der Fans heraufbeschwört, die sich damals schlichtweg um den ersten Einzug in ein WM- Halbfinale betrogen sahen.

Bleibt zu hoffen, dass Señor Rapallini dieses Schicksal in Zukunft erspart bleibt.