Warum hat Deutschland gegen Japan verloren? 6 Gründe für die Niederlage
Von Dominik Hager
Die WM für Deutschland scheint schon fast wieder vorbei zu sein - dabei hatte sie gerade mal begonnen. Mit der Niederlage gegen Japan hat sich das DFB-Team einen schweren Patzer eingehandelt, der nur mit einen Sieg gegen Spanien zu eliminieren ist. Im Duell gegen die Asiaten ging aus deutscher Sicht alles schief, was schief gehen konnte. Wir nennen sechs Gründe, die zur Niederlage geführt haben.
1. Binden-Streit
Die ganze WM in Katar ist im Endeffekt eine riesengroße Politik-Debatte. Wer hat sich denn vor dem Japan-Spiel über Aufstellungen, Taktiken und weitere sportliche Aspekte gekümmert? Die einzigen vorherrschenden Themen der Medien waren politisch angehaucht. Kurz vor dem WM-Start sorgte insbesondere die One-Love-Binde für Furore. Der gewaltige Shitstorm, den die Entscheidung, die Binde nicht zu tragen, ausgelöst hat, ließ sicherlich auch bei den DFB-Akteuren die Köpfe rauchen. Zwar sind Fußballer politische Instrumente, aber letztlich dann doch Sportler und keine Politiker. Den ein oder anderen dürfte all das ein wenig überfordert haben.
Der Fokus auf das Sportliche ging womöglich im Zuge der Debatte zu sehr verloren. Dies passiert leicht, wenn auf jeder PK darüber Fragen gestellt werden und das Thema sicher auch in der Kabine heiß diskutiert wird. Vor dem Spiel gegen Spanien sollte man sich nun ausschließlich um den Fußball kümmern - so wichtig politische Themen auch sein mögen. Geht das Spanien-Match schief, kann man sich gegen Costa Rica immer noch mit Pauken, Trompeten und Regenbogenfarben verabschieden.
2. Keine WM-Euphorie in Deutschland
In kaum einem Land dürfte die WM-Stimmung so schlecht sein wie in Deutschland. Das DFB-Team hat es in den ach so unwichtigen Vorbereitungsspielen und der Nations League verpasst, die Leute wieder ins Boot zu holen. Der letzte Test gegen Oman war zum Beispiel ein absoluter Grottenkick. Dabei hätte man gerade da die Stimmung noch etwas aufheitern können. Dies wäre wichtig gewesen, da mehrere Faktoren diese ohnehin schon gedämpft hatten. Hierbei spielen natürlich vor allem der Austragungsort und die Austragungszeit eine Rolle. Kaum jemand hat Bock auf die WM und die deutsche Mentalität, alles negativ zu sehen, spielt zudem mit rein.
Man hat aktuell das Gefühl, dass 60 Prozent der Bürger die WM nicht interessiert oder boykottiert, 35 Prozent die Niederlage eher als witzig, denn als traurig abgestempelt haben und sich gerade mal fünf Prozent, die noch hinter der Mannschaft stehen, über das Ergebnis ärgern.
Eine solche Stimmung im Land kommt natürlich auch bei den Spielern an und wirkt sich nicht gerade positiv auf die Leistung aus. Sieht man sich dagegen die afrikanischen Teams an, ist einfach eine ganz andere Begeisterung zu spüren, die von den Spielern zu den Fans und genauso umgekehrt wirkt. In Deutschland ist man vielmehr in einem Negativ-Strudel gefangen.
3. Verpasste Chancen vor Ausgleichstreffer
Das Spiel der deutschen Nationalmannschaft sah über weite Strecken nicht schlecht aus. Tatsächlich hatte das DFB-Team mit dem 1:0 im Rücken zahlreiche Chancen, den Deckel drauf zu machen. Denken wir zum Beispiel an die Solo-Aktion von Musiala, den Latten-Kracher von Gnabry oder den Pfosten-Schuss von Gündogan, bei dem er eigentlich Gnabry bedienen muss. Zudem hatte auch Hofmann eine Top-Chance und Gnabry eine weitere Doppel-Chance. Am Ende verzeichnete das DFB-Team 26 Schüsse. Gebracht hat es nichts. Wie man so schön sagt: Wer selbst die Tore nicht schießt, fängt sie sich hinten ein.
4. Unterirdische Defensiv-Performance in der Schlussphase
Das DFB-Team hatte das Spiel eigentlich 70 Minuten lang komplett unter Kontrolle. Abgesehen vom japanischen Abseitstor in der Anfangsphase, kamen die Asiaten eigentlich überhaupt nicht vor das deutsche Tor. Das Unheil deutete sich dann jedoch mit der Doppel-Chance an, bei der Neuer klasse pariert, und fand dann seine Fortführung im 1:1 und 1:2.
Es ist schon erschreckend, wie die eigene Abwehrleistung bei einer Führung von jetzt auf gleich so zusammenbrechen kann. Sei es Süle, der das Abseits aufhebt, Schlotterbeck, der gegen Asano nicht hinterherkommt und den Zweikampf verweigert oder Neuer, der die kurze Ecke aufmacht. Wie Gündogan nach dem Spiel wütete, war das 1:2 eines der simpelsten WM-Tore aller Zeiten.
5. Katastrophale Wechsel
Je mehr Hansi Flick wechselte, desto mehr ging im deutschen Spiel kaputt. So überraschend der Startelf-Einsatz von Gündogan auch war, muss man sagen, dass mit seiner Herausnahme vieles den Bach runter ging. Noch fataler war es jedoch, Jamal Musiala runter zu nehmen. Der Bayern-Youngster wäre der einzige Individualist gewesen, der nach dem 1:2 noch mit einer Aktion alles hätte ändern können. Ein solcher Spieler muss einfach 90 Minuten auf dem Platz stehen, vor allem wenn es brenzlig wird. Mit Serge Gnabry nahm Flick dann auch noch einen weiteren torgefährlichen Spieler runter, als es drauf ankommt. Die ganze Welt fragt sich: Warum geht in dieser Phase ein Offensivspieler und nicht etwa ein Verteidiger?
Am Ende hatte Deutschland mit Götze, Hofmann, Moukoko und Füllkrug vier Spieler auf dem Platz, die sich überhaupt nicht kennen. Keiner der Akteure hat im Verein zusammen gespielt, abgesehen von Hofmann & Götze, die 2012/13 gemeinsam im BVB-Kader standen. In der Nationalmannschaft sind Moukoko und Füllkrug Neulinge, während Götze in den Jahren außen vor war, in denen Hofmann nominiert wurde. Außer der kurzen WM-Vorbereitungszeit kennen sich die Spieler also kein bisschen. Einen eingespielten Block auszuwechseln und eine solche Kombination an zusammengewürfelten Spielern aufzubieten ist fatal, unlogisch und wurde böse bestraft.
6. Falsche Taktik in der Schlussphase
Nach dem 2:1 für Japan hatte man eigentlich nicht unbedingt den Eindruck, dass Deutschland einen Treffer erzielen muss - und zwar möglichst schnell. Immer wieder schob man sich den Ball im Mittelfeld zu und versuchte, sich gegen dicht stehende Japaner dem Tor zu nähern. Währenddessen verdaddelte man Unmengen an Zeit.
In einer solchen Phase gilt eigentlich nur noch ein Konzept: Die Bälle hoch und weit in den Strafraum spielen. In der Luft wären die Japaner durchaus zu knacken gewesen, weshalb die beinahe grundsätzliche Weigerung, solche Bälle zu spielen, überhaupt keinen Sinn ergeben hat. In der Schlussphase muss der Strafraum brennen und die Spieler vor Leidenschaft und Emotionen platzen. Was man hingegen viel zu viel sah, war ein lethargisches Hin- und Herschieben des Balles.