Warum gibt es eigentlich keine Netto-Spielzeit?

Die Anzeigetafeln in Deutschland zählen in der Regel nur die reguläre Spielzeit - mit der Netto-Spielzeit würde das auch reichen
Die Anzeigetafeln in Deutschland zählen in der Regel nur die reguläre Spielzeit - mit der Netto-Spielzeit würde das auch reichen / ODD ANDERSEN/Getty Images
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Im Relegationsspiel zwischen dem FC Ingolstadt und dem 1. FC Nürnberg gab es mal wieder große Aufregung rund um die Themen Zeitspiel und Nachspielzeit, die in einem solch wichtigen Spiel eine unnötig große Rolle eingenommen haben. Mit der so genannten Netto-Spielzeit müsste man über so etwas nicht sprechen - also wieso gibt es sie eigentlich nicht?

"Der Ball ist Rund und ein Spiel dauert 90 Minuten " - diesen Satz des ehemaligen Bundestrainers Sepp Herberger hat wohl jeder Fußball-Fan schon einmal gehört. An der Form des Balles soll und wird sich auch nichts ändern, den zweiten Teil des Satzes sollte der Fußball dagegen endlich einmal ernsthaft gründlich überdenken.

Denn immer wieder gibt es Diskussionen über Zeitspiel und Nachspielzeit, auf den Gipfel getrieben wurde es beim Relegations-Rückspiel des FC Ingolstadt gegen den 1. FC Nürnberg. Ingolstadt führte nach 90 Minuten 3:0 und war aufgestiegen, Nürnberg brauchte noch ein Tor. Das fiel schließlich in der sechsten Minute der Nachspielzeit - wobei nur fünf vom Schiedsrichter angezeigt wurden. "Für fünf Minuten Nachspielzeit gab es keinen Grund. Dann gab es am Ende der Nachspielzeit noch mal Nachspielzeit", schimpfte Ingolstadts Trainer Thomas Oral bei Sport 1.

Ingolstadts Trainer Thomas Oral beschwerte sich nach dem verpassten Aufstieg vehement über den Schiedsrichter
Ingolstadts Trainer Thomas Oral beschwerte sich nach dem verpassten Aufstieg vehement über den Schiedsrichter / Christian Kaspar-Bartke/Getty Images

Dabei hat der Coach freilich vergessen, dass die Nachspielzeit immer im Ermessen des Unparteiischen liegt und die angezeigte Anzahl an Minuten nicht in Stein gemeißelt ist. Da seine Mannschaft zudem während der vorherigen fünf Minuten keine Gelegenheit ausließ, um an der Uhr zu drehen, hatte Schiedsrichter Christian Dingert durchaus das Recht, länger spielen zu lassen. Sich dann aufzuregen ist zwar verständlich, trotzdem ist es unsinnig.

Ebenso unsinnig übrigens wie die Tatsache, dass es so etwas wie die Nachspielzeit noch immer gibt. Diese elenden Diskussionen darüber, wie viele Minuten denn jetzt angemessen sind und wann der Schiedsrichter abpfeift und auch das Zeitspiel, welches wohl das nervigste Element im Fußball ist, könnten mit der Netto-Spielzeit ganz einfach verbannt werden.

Die Netto-Spielzeit, offiziell "effektive Spielzeit", ist ganz einfach: Die Uhr hält an, wenn der Ball nicht im Spiel ist. So, wie das in anderen Sportarten längst üblich ist oder nie anders war. Das Spiel würde dann von 90 Minuten auf 60 verkürzt werden, denn der Ball rollt in einem durchschnittlichen Fußballspiel tatsächlich nur eine gute Stunde.

Netto-Spielzeit sorgt für faireren Wettbewerb

Die Netto-Spielzeit sorgt für einen faireren Wettbewerb für alle. Von vornherein ist klar: Ist die Zeit abgelaufen, ist Feierabend. Dann ist es auch egal, ob eine Mannschaft im Angriff ist oder noch eine Ecke bekommen müsste oder was auch immer. Wälzt sich ein Spieler am Boden, steht die Uhr. Schleicht ein Auswechselspieler vom Rasen, steht die Uhr. Muss sich ein Torwart nochmal dringend die Stollen abklopfen, bevor er abschlägt, steht die Uhr. Die Nachspielzeit ist Geschichte. Jeder weiß von Beginn an, wie viel Zeit er hat und der Schiedsrichter ist komplett aus der Schusslinie.

Was für Argumente gibt es also dafür, dass die jetzige Art der Zeitnahme besser ist? Wohl nur eines: Es war halt schon immer so. Der Fußball hasst Veränderungen, vor allem derartig gravierende. Da bleibt man lieber in der Steinzeit. 2017 hat die FIFA die Initiative "Play Fair" ins Leben gerufen, mit der unter anderem die Netto-Spielzeit getestet werden sollte. "Mehr Infos in Kürze" steht drei Jahre später noch immer auf der Homepage.

Das einzige, was stattdessen zuletzt passiert ist, um das Zeitspiel einzudämmen, ist die Regel, dass ausgewechselte Spieler das Feld an jeder Stelle verlassen dürfen. Weltbewegend. Ansonsten wird noch eine zweite Variante der Netto-Spielzeit getestet, wobei nur die letzten fünf Minuten der ersten und zehn Minuten der zweiten Halbzeit mit gestoppter Uhr gespielt werden. Dies wäre wieder eine halbgare und unbefriedigende Lösung wie die gesamte Umsetzung des Video Assistant Referees. Aber mehr darf man wohl leider nicht erwarten.