VAR noch unter Quarantäne - was geht ab im Kölner Keller?

DeFodi Images/Getty Images
facebooktwitterreddit

Das leidige Thema Video Assistant Referee begleitet die Fußballfans auch nach der Wiederaufnahme der Saison in der Bundesliga - oder besser gesagt: Besonders nach dem Restart gab es mehrere fragwürdige Entscheidungen, gerade wenn es um Elfmeter ging. Hat der Kölner Keller aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen auf Notbetrieb geschaltet oder sorgen die ausbleibenden Fanreaktionen im Stadion für ein Laissez-faire des VAR?

90min begibt sich auf Spurensuche.

An den bisherigen drei Spieltagen nach der Zwangspause konnten sich die Anhänger bereits über mehrere strittige Szenen aufregen. Exemplarisch werden im folgenden fünf Beispiele genannt, die alle etwas gemeinsam haben - bei keiner dieser Situationen wurde auf Strafstoß entschieden und ebenso wenig wurden die Szenen auf dem Feld überprüft, zudem gab es keine Einblendung aus dem ominösen Keller - existiert dieser überhaupt noch?

  • Borussia Dortmund - FC Bayern München (28.Spieltag): Es lief die 58. Spielminute. Ein Schuss des Dortmunders Erling Haaland wurde von im Strafraum am Boden liegenden Münchener Jerome Boateng mit dem nicht angelegten Oberarm entscheidend abgefälscht. Schiedsrichter Stieler pfiff den möglichen Elfmeter nicht und eine sichtbare Überprüfung fand nicht statt.
  • Borussia Dortmund - FC Bayern München (28. Spieltag): In der Nachspielzeit wird der Münchener Robert Lewandowski von Manuel Akanji im Dortmunder Strafraum klar per Bodycheck zu Fall gebracht. Stieler pfiff nicht, der Keller blieb erneut stumm.
  • Werder Bremen - Borussia Mönchengladbach (28. Spieltag): In der ersten Hälfte wurde der Bremer Davy Klaassen auf der Gladbacher Strafraumgrenze von seinem Gegenspieler Christoph Kramer per unabsichtlichem Fußtreffer zu Fall gebracht. Für den Schiedsrichter Gräfe war dies nach menschlichem Ermessen nicht zu sehen - eine Überprüfung durch den VAR blieb jedoch aus, obwohl die nächste Spielunterbrechung erst 90 Sekunden später erfolgte.
  • Werder Bremen - Borussia Mönchengladbach (28. Spieltag): Im selben Spiel rammte der Bremer Klaassen nach einer Gladbacher Ecke beide Fäuste an den Hals des aufgerückten Matthias Ginter. Auch diese Szene konnte dem Unparteiischen ob des Getümmels entgangen sein, doch auch hier gab es keine Überprüfung durch den VAR.
  • Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen (27. Spieltag): In der 54. Minute wird der Gladbacher Marcus Thuram bei und nach seinem Abschluss aus kurzer Distanz vom Leverkusener Verteidiger Aleksandar Dragovic klar gehalten, Schiedsrichter Storks entschied auf Weiterspielen - es gab keine Überprufung des VAR.

Wenn ihr Personalmangel habt, dann sagt doch einfach bescheid

Nur zur Klarstellung: Es soll hier nicht darum gehen, dass all diese Szenen zwingend einen Elfmeter nach sich ziehen müssen. Allerdings ist die aktuelle Stille des Kölner Kellers bedenklich. Mutmaßlich sorgt die momentane Einschränkung des zur Verfügung stehenden Personals auch für Engpässe im Bereich der Video-Überwachung. Aber dann sollte dies auch so kommuniziert werden - die Fans hätten Verständnis dafür.

Mal kurz Kaffee holen oder noch unter Quarantäne? - leere Sitze im Keller
Mal kurz Kaffee holen oder noch unter Quarantäne? - leere Sitze im Keller / INA FASSBENDER/Getty Images

Unerklärliche Probleme in der Umsetzung - Zeit für ein Umdenken

Eventuell brauchen aber auch die Bildschirm-Kontrolleure etwas Zeit, sich wieder in die nötigen Abläufe einzugrooven, doch die Anzahl der zuletzt versäumten Eingriffe ist inakzeptabel. Wie bei der Einführung des VAR in der Bundesliga, geben die Unparteiischen momentan kein gutes Bild in diesem Bereich ab. Unerklärlich bleibt, wieso der VAR bei der Weltmeisterschaft 2018 hervorragend funktionierte, jedoch in der heimischen Liga immer wieder für Probleme sorgt - selbst wenn man davon absieht, dass es regelmäßig zu uneinheitlichen Entscheidungen kommt. So bekam Leverkusen nach erfolgtem Abschluss den Elfer, Gladbach im Derby beim 1. FC Köln nicht - obwohl beide Szenen exakt baugleich waren und auf dem Feld betrachtet wurden - von der Handspiel-Thematik ganz abgesehen.

Möglicherweise sollten die zuständigen Entscheidungsträger über eine Anpassung der Schiedsrichteransetzungen für den Keller diskutieren. Statt einen Schiedsrichter pro Partie an den Erdgeschoss-Monitor zu fesseln, sollte man über eine für alle Spiele eines Spieltages zuständige Kleingruppe nachdenken. Dass auf mehreren Plätzen zeitgleich eine Überprüfung benötigt wird, ist besonders im Hinblick auf die momentan an den Tag gelegte Zurückhaltung der TV-Richter unwahrscheinlich. Zudem hätte man dann zumindest an einem Tag eine einheitliche Regelauslegung.

Aus technischer Sicht sollte dies kein Problem darstellen, liefert doch jeder tibetische Livestream innerhalb von Sekunden alle 23 Kameraeinstellungen strittiger Szenen. Statt dann die üblichen fünf Minuten den Schiedsrichter auf dem Feld bei seinem Gang zum Monitor, im Gespräch mit seinem Kollegen im Souterrain und beim gestenreichen Vertreiben der aufgebrachten Kleinkindermeute zu beobachten, könnte dieses kleine Tribunal die entsprechende Situation kurz analysieren, auswerten und via Headset dem Ausführenden auf dem Platz und den Fernsehzuschauern per Einblendung mitteilen - länger als fünf Minuten würde das auch nicht dauern.