Transferzeugnis Sommer 2023: So hat sich der FC Bayern geschlagen
Von Dominik Hager

Der FC Bayern hat im Sommer-Transferfenster 2023/24 Pleiten, Pech und Pannen erlebt, jedoch auch den ein oder anderen Kracher verpflichtet. In Erinnerung bleibt der letztlich erfolgreiche Kampf um Harry Kane, aber auch das Fiasko am Deadline Day. Wir werfen nochmal einen Blick auf die Transferperiode und bewerten das Geschick der für diesen Sommer einberufenen Transfer-Taskforce auf dem Markt.
Zugänge:
Spieler | Ablöse | Abgebender Verein |
---|---|---|
Harry Kane | 100 Millionen Euro (+x) | Tottenham Hotspur |
Kim Min-jae | 50 Millionen Euro | SSC Neapel |
Daniel Peretz | 5 Millionen Euro | Maccabi Tel Aviv |
Konrad Laimer | Ablösefrei | RB Leipzig |
Raphael Guerreiro | Ablösefrei | Borussia Dortmund |
Die Priorität beim FC Bayern lag von Beginn an ganz klar darauf, einen neuen Mittelstürmer zu kaufen. Der Fokus galt dabei schnell Harry Kane, den man nach einem harten Kampf mit Tottenham-Boss Daniel Levy letztlich doch noch unter Vertrag nehmen konnte. Der Kostenpunkt von 100 Millionen Euro und wahrscheinlich noch etwas mehr (durch Boni), ist für einen 30-Jährigen aber schon enorm. Auf der anderen Seite haben die Münchner eine wichtige Lücke im Kader mit einem ganz großen Namen besetzt und in Europa ein Statement gesetzt. Zudem dürfte der Engländer auch als Führungsspieler wichtige Dienste leisten.
Deutlich leichter tat sich der FCB mit der Verpflichtung von Kim Min-jae. Der Südkoreaner, der in der letzten Spielzeit zum besten Serie-A-Verteidiger der Saison gewählt wurde, kam dank einer Ausstiegsklausel für 50 Millionen Euro von der SSC Neapel. Zwar offenbart der 26-Jährige noch leichte Defizite im Passspiel, überzeugt jedoch als gnadenlos guter Zweikämpfer. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Münchner mit Kim einen sehr guten und auch notwendigen Deal eingefahren haben, kann als hoch erachtet werden.
Viel diskutiert wurde in München auch über die Torhüter-Frage. Die Unsicherheit bezüglich Manuel Neuer hat einige Keeper ins Spiel bringen lassen. Anstelle von großen Namen wie Kepa, Bono oder de Gea fiel die Wahl jedoch auf Daniel Peretz. Der 23-Jährige ist mehr ein Invest in die Zukunft und reiht sich in der Hierarchie hinter Ulreich ein. Die Entscheidung gegen einen namenhaften Keeper ist vertretbar, weil Ulreich sehr solide hält und Neuer bald wieder fit sein soll. Ob der 37-Jährige dann aber auch performt, bleibt abzuwarten.
Mit Kondrad Laimer und Raphael Guerreiro kamen zudem zwei Spieler ohne Ablöse nach München. Hier hat der FCB wohl zweifellos einen guten Job gemacht. Laimer ist zwar nicht der Mittelfeld-Typ, den vor allem Tuchel sich gewünscht hatte, jedoch ist er als Option für das zentrale Mittelfeld und auch für die Rechtsverteidiger-Position äußerst relevant. Bei Raphael Guerreiro ist die Sache ähnlich. Der Portugiese kann im Mittelfeld spielen und Davies auf der linken Abwehrseite ersetzen. Angesichts seiner Verletzung aus der Saisonvorbereitung kann man über den Ex-Dortmunder im Bayern-Trikot noch wenig sagen, jedoch lohnt es sich immer einen solch guten Fußballer dabei zu haben.
Welche Verpflichtungen hätten noch stattfinden müssen?
Prinzipiell lesen sich die Transfers der Münchner gut, jedoch konnte man einige Problemstellen nicht lösen. Dringend gebraucht hätte es auf jeden Fall einen Abwehrspieler, der im Idealfall hinten rechts und innen verteidigen kann. Es fehlt schließlich ein Back-Up für Mazraoui und auch in der Innenverteidigung gibt es außer Kim, de Ligt und Upamecano keinen gestandenen Spieler, der im Notfall einspringen kann.
Zudem wirft der geplatzte Palhinha-Transfer einen Schatten über die Transferphase. Selbst wenn Thomas Tuchel sich schon während der gesamten Sommerpause klar geäußert hat, eine Holding Six haben zu wollen, sind die Bosse viel zu spät auf den Wunsch des Coaches eingegangen. Das Problem dann am letzten Tag lösen zu wollen, entpuppte sich als Himmelfahrtskommando.
Mit Rice, Walker und Palhinha hatte man Spieler an der Angel, die das Transferfenster nochmal deutlich besser hätten machen können. Nun ist der Kader auf Messers Kante genäht.
Abgänge:
Spieler | Ablöse | Aufnehmender Verein |
---|---|---|
Lucas Hernández | 45 Millionen Euro | PSG |
Ryan Gravenberch | 40 Millionen Euro | FC Liverpool |
Benjamin Pavard | 30 Millionen Euro (+x) | Inter Mailand |
Sadio Mané | 30 Millionen Euro (+x) | Al-Nassr |
Marcel Sabitzer | 19 Millionen Euro | BVB |
Yann Sommer | 6,75 Millionen Euro | Inter Mailand |
Daley Blind | Ablösefrei | FC Girona |
Joao Cancelo | Ablösefrei (nach Leihe) | FC Barcelona |
Verliehene Spieler: Josip Stanisic (Leverkusen), Paul Wanner (Elversberg), Arijon Ibrahimovic (Frosinone), Schenk (Münster), Malik Tillman (Eindhoven), Gabriel Vidovic (Zagreb)
In Sachen Verkäufe hat der FC Bayern prinzipiell vieles richtig gemacht. Besonders wichtig war den Bossen, den gut verdienenden Mané von der Gehaltsliste zu bekommen. Die Tatsache, dass Al-Nassr dann auch noch ungefähr den Einkaufspreis gezahlt hat, macht die Sache noch besser. Gutes Geld haben die Münchner auch für Lucas Hernández eingenommen. 45 Millionen Euro für einen solch verletzungsanfälligen Spieler sind absolut lukrativ. Zudem hat man den Franzosen durch Kim ersetzen können. Positiv zu bewerten ist außerdem der Abgang von Sabitzer, für den man auch gutes Geld erhalten hat. Die Abgänge von Yann Sommer und Daley Blind machen auch absolut Sinn.
Ein wenig kritischer ist die Situation bei Benjamin Pavard. Zwar war ein Verkauf wahrscheinlich die richtige Entscheidung, weil der Spieler absolut kein Bock mehr auf den FC Bayern hatte, jedoch hat man hier dennoch geschlafen. Es ist jedenfalls absolut unlogisch, dass die einzigen Menschen, die einen Pavard-Abgang nicht kommen sehen haben, ausgerechnet Tuchel und die Bayern-Verantwortlichen waren. Demnach haben sie gerade als die Gerüchte um Pavard heißer wurden, Josip Stanisic nach Leverkusen verliehen. Ein kapitaler Bock der Vereinsführung, mit dem man sich selbst eine Kaderlücke erschaffen hat, die man nicht mehr schließen konnte. Bei Cancelo muss man sich auch die Frage stellen, ob man nicht mehr für einen Verbleib hätte tun können. Medienangaben zufolge hat man am Deadline Day einen verzweifelten Versuch gestartet, den spielstarken Portugiesen doch für ein weiteres Jahr zu leihen, jedoch war sich dieser schon längst mit Barça einig.
Am Deadline Day verlassen hat die Münchner noch Ryan Gravenberch. 40 Millionen Euro für einen Ersatzspieler klingen erstmal gut, jedoch ist es schon auch irgendwie traurig, dass Tuchel und Co. mit dem Talent gar nichts anfangen konnten. Die Leihen von Ibrahimovic, Schenk, Tillman, Wanner und Vidovic erscheinen sinnvoll.
Welche Verkäufe hätten noch stattfinden sollen?
Selbstredend hätte der FC Bayern sich gerne noch von Bouna Sarr getrennt. Der Senegalese wird seinen Vertrag bis 2024 aber aussitzen. Ansonsten gibt es keinen Spieler, den man einfach so ersatzlos hätte gehen lassen sollen.
Fazit:
Eigentlich ist für den FC Bayern extrem viel richtig gelaufen. Mit Kane und Kim konnte man sich Top-Spieler sichern, die eine Verstärkung darstellen dürften und auch mit Laimer und Guerreiro kamen kostenlos brauchbare Akteure hinzu. Auf der anderen Seite konnte man einige Verkaufskandidaten wie Mané und Sabitzer teuer abgeben und hat auch für Hernández eine große Summe erwirtschaftet.
Alles war eigentlich angerichtet dafür, dass man von einer fast perfekten Transferphase sprechen konnte. Der Deadline Day hat mit dem verpassten Palhinha-Deal und der gescheiterten Suche nach einem Pavard-Ersatz für einen unschönen Wendepunkt gesorgt. Zwar kann man bis zur Winterpause vielleicht auch mit einem schmalen Kader durchkommen, jedoch war der Plan eigentlich ein ganz anderer. Beim FC Bayern war jeder darauf aus, einen schlagfertigen Kader zu erstellen, der in Deutschland und Europa ab sofort alles abräumen kann. Nun befindet man sich aber in einer Situation, in der es eher so wirkt, als müsse man sich bis zum nächsten Transferfenster irgendwie schadlos durchschleppen.
Der Deadline Day war ein Stimmungskiller und dürfte insbesondere Tuchel böse aufgestoßen sein. Diese psychologische Kompoente könnte folgenreicher sein, als das Fehlen der zwei Verstärkungen. Hinzu kommt eben, dass man sich mit seiner verzweifelten Last-Minute-Suche gewissermaßen lächerlich gemacht hat. Den Respekt, den man sich durch die Kane-Verpflichtung gesichert hat, ging so ganz schnell wieder flöten. Der FC Bayern hat es verpasst, eine Top-Transferperiode hinzulegen, was eigentlich möglich gewesen wäre. Demnach fällt das Urteil letztlich auch nicht ganz so positiv aus.
Bewertung: 5/10
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