Transfersperre als Glücksfall: Warum Chelsea der größte Corona-Profiteur ist

Mit Timo Werner darf sich Chelsea-Coach Frank Lampard (Foto) offenbar über den zweiten namhaften Neuzugang freuen
Mit Timo Werner darf sich Chelsea-Coach Frank Lampard (Foto) offenbar über den zweiten namhaften Neuzugang freuen / Mike Hewitt/Getty Images
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Für den FC Chelsea entpuppt sich die Transfersperre der FIFA als Glücksfall. Während andere Klubs aufgrund der Corona-Krise sparen müssen und deshalb Abstand von teuren Transfers nehmen, stehen die Blues dank ihrer bereits gesparten Gelder vor dem zweiten Coup: Nach Hakim Ziyech soll auch Timo Werner verpflichtet werden. Chelsea ist der größte Corona-Profiteur, muss das Geld aber trotzdem geschickt einsetzen.

Die Verantwortlichen des FC Chelsea wussten bereits Ende 2018, welche Sanktion auf den Verein zukommen würde. In 29 Fällen wurde gegen das bestehende Reglement für die Verpflichtung minderjähriger Spieler verstoßen, der Weltfußballverband FIFA sprach deshalb im Februar 2019 eine Transfersperre für den Zeitraum von Sommer 2019 bis Sommer 2020 aus. Die Klub-Bosse mussten also geschickt vorgehen und neues Spielermaterial frühstmöglich verpflichten. So geschehen beim Ex-Dortmunder Christian Pulisic: Für den Flügelspieler legte Chelsea im Januar 2019 eine Ablösesumme in Höhe von 64 Millionen Euro auf den Tisch, jedoch wurde er noch bis Saisonende an den BVB verliehen.

Der darauffolgende Sommer war trist an der Stamford Bridge. Weil lediglich Mateo Kovacic fest verpflichtet werden konnte - der Mittelfeldspieler war in der Saison 2018/19 von Real Madrid ausgeliehen und daher bereits im Verein registriert -, war man gezwungen, sich neu zu erfinden. Der wichtigste Schritt folgte dabei auf der Trainerbank: Frank Lampard übernahm den frei gewordenen Trainerposten und wechselte nach einer Saison bei Derby County zurück zu seinem Herzensverein, für den er von 2001 bis 2014 aktiv war.

Jugend forscht: Wie Lampard Chelsea neu erfindet

Mit Lampard ging ein Kurswechsel in der Klubphilosophie einher. Der 41-Jährige setzt auf junge Spieler und gibt vielen Talenten eine Chance; ein cleverer Schachzug, denn nur mit dem hauseigenen Nachwuchs hatte Chelsea die Möglichkeit, sich auf die Zukunft vorzubereiten. In einer Saison mit Höhen und Tiefen belegt die Mannschaft vor dem geplanten Re-Start den vierten Tabellenplatz in der Premier League, zudem wurde das Achtelfinale in der Champions League erreicht.

In vorderster Front überraschen die Shootingstars Tammy Abraham (22) und Mason Mount (21), auch in Callum Hudson-Odoi (19) und selbstverständlich auch in Pulisic (21) setzen die Verantwortlichen große Hoffnungen. In der Defensive zählen derweil Fikayo Tomori (22) und Reece James (20) zu den Überraschungen in dieser Saison, im Mittelfeld durfte Billy Gilmour (18) erste Profi-Erfahrungen sammeln.

Mit 13 Treffern ist Tammy Abraham (l.) Chelseas erfolgreichster Torschütze in der Premier League
Mit 13 Treffern ist Tammy Abraham (l.) Chelseas erfolgreichster Torschütze in der Premier League / Michael Regan/Getty Images

Unterstützt werden die jungen Talente von den erfahrenen Profis Antonio Rüdiger (27), César Azpilicueta (30), Jorginho (28), N'Golo Kanté (29), Mateo Kovacic (26) und Olivier Giroud (33). Es wächst eine vielversprechende Mannschaft zusammen, die in diesem Sommer mit hochkarätigen Spielern verstärkt werden soll. Neben Hakim Ziyech, der die Lücke auf dem Flügel schließen soll - Willian und Pedro dürften Chelsea nach der Saison verlassen - kommt nun aller Wahrscheinlichkeit nach auch Timo Werner. Mit dem Torjäger von RB Leipzig (25 Bundesligatore in der laufenden Saison) erhält Abraham neue Konkurrenz.

Wegen Transfersperre: Chelsea kann munter einkaufen

Sofern der Bericht des kicker stimmt, wechselt Werner für 50 Millionen Euro an die Stamford Bridge - bisher wurde über eine Ablösesumme von knapp unter 60 Millionen Euro spekuliert. Ziyech kostet derweil 40 Millionen Euro. In Summe belaufen sich die Ausgaben also auf 90 Millionen Euro, sobald Werner seine Unterschrift gesetzt hat. Solche Summen sind im modernen Fußball Alltag geworden, in Zeiten der Corona-Pandemie aber doch wieder utopisch. Zahlreiche Klubvertreter mahnten in den vergangenen Monaten, es könne keinen gewöhnlichen Transfersommer geben, hohe Ablösesummen seien aufgrund der Einbußen nahezu unmöglich.

Chelsea macht vor, dass es doch geht - weil man gezwungen war zu sparen, und weil man trotz der Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshof, der die Transfersperre um eine Periode verkürzte - Chelsea hätte also bereits im Januar auf Shopping-Tour gehen können -, auf Winter-Neuzugänge verzichtet hat. Neben den vielen Millionen Euro von Klubbesitzer Roman Abramowitsch profitierte der Verein von Eden Hazards Transfer zu Real Madrid. Der belgische Nationalspieler brachte 100 Millionen Euro ein und finanziert damit ein Jahr später die Transfers von Ziyech und Werner.

Timo Werner (l.) soll seinen Gegenspielern zukünftig im Trikot des FC Chelsea enteilen
Timo Werner (l.) soll seinen Gegenspielern zukünftig im Trikot des FC Chelsea enteilen / Pool/Getty Images

Abramowitsch, dessen Vermögen vom Forbes-Magazin auf 11,3 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, scheint sich zudem nicht vor den Auswirkungen der Pandemie zu fürchten. Laut The Athletic macht Chelsea Jagd auf Linksverteidiger Ben Chilwell von Leicester City, zudem sollen mit Kai Havertz und Jadon Sancho zwei weitere Bundesliga-Profis auf dem Wunschzettel stehen.

Nachdem der Klub in den vergangenen Jahren den Anschluss an die Spitze der Premier League verlor, könnte man künftig wieder ganz oben mitspielen - womöglich auch in Europa. Dafür braucht es aber nicht zwanghaft teure und namhafte Transfers, sondern allen voran geschickte. Ziyech, Werner und Chilwell wären klare Verstärkungen, aber das Rad darf nicht überdreht werden. Denn viel Geld bringt nicht automatisch den Erfolg; es muss systematisch eingesetzt werden, wenn man Pokale gewinnen will.